Silvester in Berlin Wie ein "Kiezmanager" Gewalt verhindern will
Die Angriffe auf die Berliner Feuerwehr in der Silvesternacht 2022 haben viele geschockt. Feuerwehrmann Ali Khattab war einer von denen, die in ihren Autos beschossen wurden. Jetzt ist er auch "Kiezmanager" in Kreuzberg.
"Gemeinsam für ein friedliches Silvester" steht auf dem Plakat an der Eingangstür zum "Dütti-Treff". Der Nachbarschaftstreff ist voll, alle Stühle und die Sofas sind besetzt. Gekommen sind die Nachbarn aus der Werner-Düttmann-Siedlung, junge Mütter, Rentner, ältere Frauen. Denn an diesem Abend ist Ali Khattab in der Siedlung, ihr "Kiezmanager".
Sie kennen ihn und einige andere Feuerwehrleute von der Feuerwache Urban. Im September war die Feuerwehr schon einmal zu Besuch, zum Nachbarschaftsfest. An diesem Abend geht es auch ums Feiern - nämlich darum, wie Silvester friedlich werden kann, auch hier im Kiez.
Fast jeder im Raum hat seine Geschichte und fast jeder will sie auch Khattab erzählen. Davon, wie schrecklich es war, wie der Balkon brannte, wie sie mit Feuerwerk beschossen wurden.
Viele wollen privates Feuerwerk verbieten
Barbara zum Beispiel lebt seit Jahrzehnten in der Siedlung. "Silvester hier im Kiez ist Kriegssituation", erzählt sie. "Letztes Jahr hat hier der Müllcontainer, also der Altkleidercontainer gebrannt. Vorn haben sie alles kaputtgemacht." Sie fühlt sich an Silvester in ihrem Zuhause nicht sicher.
Wenn es nach Barbara und vielen anderen hier ginge, wäre privates Feuerwerk verboten. Khattabs Ziel ist ein anderes: Ein sicherer Umgang mit Feuerwerk und Schluss mit den Angriffen auf Rettungskräfte, Schluss mit dem Silvester-Krieg auf den Straßen.
Die schlimmste Nacht
Die Silvesternacht 2022 ist der Grund, aus dem Ali Khattab in den "Dütti-Treff" geht, in Jugendclubs und in Schulen. Es gehe nicht darum, jemandem die Schuld zu geben oder mit erhobenem Zeigefinger dazustehen. Das betont Khattab immer wieder: "Es geht darum, miteinander ins Gespräch zu kommen. In Kontakt. Darum, sich kennenzulernen und sich zu respektieren."
Seit eineinhalb Jahren ist der Feuerwehrmann zusätzlich Kiezbeauftragter in Berlin-Kreuzberg. Er hat sich freiwillig dafür gemeldet, so wie seine Kollegen, die in anderen Bezirken der Hauptstadt das Gleiche tun - in Reinickendorf, in Neukölln, in Lichterfelde.
Feuerwehrmann Ali Khattab will als Kiezmanager mit den Menschen ins Gespräch kommen.
Polizei und Feuerwehr verwechselt?
Im Sommer 2023 wurde das Projekt ins Leben gerufen. Es ist auch der Versuch, Antworten auf die Frage zu finden, warum sie in der Silvesternacht so attackiert wurden, als sie Leben retten und Brände löschen wollten.
Diese Frage hat sich auch Ali Khattab damals gestellt. Deshalb hat er den Kontakt zu den Jugendlichen gesucht. Die Erklärungen: Sie hätten nicht gedacht, dass es so schlimm wird, sie hätten Polizei und Feuerwehr verwechselt.
Es geht um Menschenleben
Das alles ändert nichts. Der Abend im "Dütti" und die Fußballspiele vielleicht schon. Der Feuerwehrmann erzählt, dass die Nacht schlimm war. Er erzählt vom brennenden Reisebus in Neukölln, davon, beschossen zu werden und wie Jugendliche ihre Nachbarn vor dem Feuer warnten und so vielleicht Leben retteten. Das ist ihm wichtig: Es gehe nicht darum, die Jugendlichen einfach nur als böse zu bezeichnen.
Khattab will auch, dass jeder versteht, warum die Feuerwehr unterwegs ist und was passiert, wenn sie nicht kommen kann, weil sie angegriffen wird. "Vielleicht stirbt ein Kind. Jemand, den ihr kennt. Oder aus einem kleinen Feuer wird ein großer Brand." Es gehe um Menschenleben - jedes Mal.
Nur gemeinsam
Emine Yilmaz leitet den Kieztreff. Sie hat Ali Khattab eingeladen. Sie selbst lebt hier nicht, sie geht Abends nach Hause. Aber auch sie will, dass sich etwas ändert.
"Wir wollen, dass es endlich aufhört", sagt sie. "Das schaffen wir nur zusammen." Denn es sind ihre Kinder, ihre Enkel, ihre Nachbarn, um die es an diesem Abend geht, auch wenn fast niemand das zugibt. Ein älterer Mann wird da kurz etwas lauter. "Wir kennen die doch alle", sagt er.
Auf jeden Fall werden sie alle etwas mitnehmen von diesem Abend und vielleicht auch zu Hause erzählen - ihren Kindern, ihren Enkeln und den Nachbarn. Und Khattab wird auch weiter mit Jugendlichen Fußball spielen und reden.