Testbetrieb in Neuss Lebensretter "Smartphone-Ampel"?
Wenn das rote Licht auf die Füße fällt - dann sollte dies auch dem abgelenkten Handy-Nutzer auffallen. Mit einer "Smartphone-Ampel" versucht man jetzt in Neuss, Unfälle zu vermeiden.
Eine rotes Licht schimmert am Boden, die angestrahlte Fläche ist nicht größer als ein Skateboard. Direkt unter der Fußgängerampel in Neuss soll dieses Licht Fußgänger warnen und Leben retten.
An der Ampel steht eine junge Frau. Angesprochen auf die neue Idee blickt sie suchend nach oben: "Das ist mir gar nicht aufgefallen", sagt sie. Auch ein anderer Passant bemerkt die Anlage nicht. "So etwas ist doch überflüssig", sagt er. Eine andere Frau wartet auf ihre Grünphase an der Ampel. "Ich weiß, es passieren so viele Unfälle durch das Handy. Das ist ganz schrecklich", sagt sie. "Deswegen finde ich das eigentlich ganz gut mit der Ampel hier."
Den abgelenkten Smartphone-Nutzern wird das rote Licht nicht nur auf der Ampel angezeigt - sondern auch vor die Füße und auf das Handy projiziert. Die Hoffnung: Handy-Nutzer bemerken das rote Licht und achten so mehr auf Ampeln und Verkehr.
Das rote Ampellicht reflektiert auf dem Display des Smartphones - "je nach Position des Fußgängers".
Testbetrieb für ein Jahr
Am Tag ist davon bisher wenig zu sehen. Das hatte sich auch Johannes Steinhauer vom Tiefbauamt in Neuss etwas besser vorgestellt. "Wir machen jetzt hier einfach mal ein Test mit der Anlage, ob es mit dieser einfachen Methode, die wir anwenden, zu Erfolgen kommt", sagt er. Manches müsse man einfach ausprobieren. Die Projektion des Lichts auf dem Boden sei auch bei gesenktem Kopf besser sichtbar. Zudem reflektiere das rote Ampellicht "je nach Position des Fußgängers" auf dem Display des Smartphones.
Laut Stadt ist zunächst ein Testbetrieb geplant, um Erfahrungen mit der Technik zu sammeln. Der Test soll mindestens ein Jahr dauern. "Derjenige, der seinen Blick nicht in die Ferne schweifen lässt, sondern nach unten fixiert, nimmt wahr, was unter ihm passiert", sagt Steinhauer. "Deshalb soll die Projektion auf den Boden helfen. Da sollen die Leute möglichst erkennen, dass jetzt rot ist und man stehen bleiben sollte."
"Wir machen jetzt hier einfach mal ein Test mit der Anlage", sagt Johannes Steinhauer vom Tiefbauamt in Neuss.
Mehr Unfälle durch Handynutzung
Laut einer Studie der Allianz-Versicherung tippen 43 Prozent aller Befragten beim Gehen gelegentlich auf ihrem Smartphone, rund zwei Drittel telefonieren und etwa ein Viertel hört Musik. Das alles erhöht laut der Studie das Unfallrisiko. Dabei gebe es einen Zusammenhang zwischen Ablenkung und Unfallrisiko.
"Die Nutzung elektronischer Geräte erhöht die Wahrscheinlichkeit für einen Fußgänger, einen Unfall zu erleiden", sagt Studienautor und Psychologe Jörg Kubitzki. "Ablenkung ist die am meisten unterschätzte Unfallursache auf unseren Straßen." So steige das Risiko beim Musikhören um mehr als das Vierfache, beim Texten um das Doppelte.
Die Polizei Neuss befürwortet den Testversuch mit der Ampel. Denn die Zahl der Unfälle durch Ablenkung per Smartphone habe sich im Kreisgebiet von 2021 auf 2022 vervierfacht, sagt Polizeisprecherin Claudia Suthor. "Alle Verkehrsteilnehmenden sollen ihre volle Aufmerksamkeit auf den Straßenverkehr richten. Finger weg vom Handy. Da sind Radfahrer, Autofahrer und eben auch Fußgänger gemeint."
"Alle Verkehrsteilnehmenden sollen ihre volle Aufmerksamkeit auf den Straßenverkehr richten", sagt Polizeisprecherin Claudia Suthor.
Rotlicht-Ideen auch in anderen Städten
Die Stadt Augsburg hatte die Idee, an zwei Haltestellen rote Blinklichter im Boden zu installieren, um Handy-Nutzer vor der Straßenbahn zu warnen. Auch die Kölner Verkehrsbetriebe hatten an drei Bahnübergängen testweise Warnleuchten im Boden installiert, um damit abgelenkte Fußgänger besser zu warnen. Gebracht habe das bislang kaum etwas, wie eine wissenschaftliche Begleituntersuchung feststellte.
Die Wissenschaftler zählten die Zahl der Rotläufer. Das regelwidrige Verhalten von Fußgängern durch die Warnlichter wurde zumindest in Köln nicht verbessert.
Dass das Problem angegangen werden sollte, zeigt ein Beispiel aus Hagen. Dort war ein achtjähriger Junge so mit seinem Handy beschäftigt, dass er beim Überqueren einer Straße vor einen Bus lief. Das Kind erlitt nur leichte Verletzungen.
In Neuss kommt das rote Licht jetzt von oben und hilft vielleicht, die Sicherheit im Straßenverkehr zu erhöhen. "Wir werden unsere Ergebnisse in die Gremien einspielen", sagt Steinhauer vom Tiefbauamt in Neuss. "Es gibt ja auch andere technische Möglichkeiten. Dann kommt hoffentlich irgendwann eine Empfehlung, was wir auf gescheite Weise anwenden."