Ein Platz in Grabow, Mecklenburg-Vorpommern

Vorschlag der Bauministerin Wie wieder Leben auf dem Land einziehen soll

Stand: 08.08.2024 14:34 Uhr

Eine bezahlbare Wohnung in der Großstadt finden wird immer schwerer. Bauministerin Geywitz wollte neue Wohnungen bauen. Nun hat sie eine neue Idee: Sie will Menschen bewegen, aufs Land oder in kleinere Städte zu ziehen.

Von Gabor Halasz, ARD Berlin

Zwischen Hamburg und Berlin liegt Grabow. Etwa 10.000 Menschen wohnen hier. Es ist wunderschön, gibt viel Fachwerk. Aber die Stadt im Südwesten von Mecklenburg-Vorpommern ist auch leer. Viele sind gegangen, geblieben sind die Alten.

Melissa Maldonado ist eingezogen - bei Elisabeth Stolzenburg. Die 87-Jährige wohnt in einem riesigen Bürgerhaus mit alten Türen und Holzdielen. Hier wurde sie geboren, heute ist sie allein.

"Leben, einfach Leben. Wir brauchen wieder Leben", sagt Stolzenburg. "Wenn ich an meine Kindheit denke, in jedem Haus die vielen Kinder. In jedem Haus."

Ein Fachwerkhaus in Grabow, Mecklenburg-Vorpommern

Das Haus von Elisabeth Stolzenburg hat sie lange allein bewohnt. Nun ist Melissa Maldonado eingezogen.

Probeweise in die Kleinstadt

Heute sind kaum noch Kinder da. Viele Läden mitten im Zentrum sind geschlossen. Melissa Maldonado kommt eigentlich aus New York und wohnte in Berlin. Nun ist sie für fünf Monate probeweise nach Grabow in die Kleinstadt gezogen.

"Da kommen Generationen zusammen", sagt Maldonado. "Ich finde das sehr wichtig. Weil es gibt eine Generation, die viel erlebt und gelernt hat, viel zu teilen hat."

Teilen hat Vorteile, so sieht es Elisabeth Stolzenburg. Die Alten bieten Platz, die Jungen unterstützen zum Beispiel bei der Hausarbeit oder im Garten. "Dass ältere Leute sich mal überlegen könnten, wenn sie jungen Leuten die Möglichkeit geben, sich ein Heim einzurichten mit einer gewissen Verpflichtung, dann wäre beiden beholfen", sagt Stolzenburg.

Geywitz: Mehr Menschen sollen aufs Land ziehen

Immer neu bauen ist vielleicht nicht die einzige Lösung, sondern auch den Wohnraum, der schon da ist, besser nutzen. Das will auch Bundesbauministerin Klara Geywitz. Die SPD-Politikerin wolle Menschen bewegen, aufs Land zu ziehen, erklärt ihre Staatssekretärin Elisabeth Kaiser.

"Weil Kleinstädte und Dörfer, die erleben Abwanderung", sagt Kaiser. "Und wir wollen dafür sorgen, dass diese Orte eine Chance haben, dass wieder Menschen dort hinziehen."

Sprachlos sei er gewesen, als er den Vorschlag hörte, sagt es der baupolitische Sprecher der Union, Jan Marco Luczak: "Wenn das die Antwort der Bauministerin auf die Wohnungsbaukrise in Deutschland ist, muss ich sagen: Dann können wir auch das Bauministerium gleich abschaffen."

Die Ministerin lenke vom eigenen Versagen ab, sagt Luczak. Davon, dass nicht jedes Jahr die versprochenen 400.000 Wohnungen gebaut würden. "Wir müssen es schaffen, dass Bauen in Deutschland wieder günstiger wird. Dass mehr Wohnungen gebaut werden, die die Menschen sich am Ende auch leisten können. Wir brauchen eine Zeitenwende für bessere Rahmenbedingungen beim Bau." Die Union fordert: weniger Bürokratie, weniger Vorschriften.

Es fehlen viele Angebote

Damit mehr Leute aufs Land ziehen, dorthin, wo es Wohnraum gibt, braucht es mehr als eine Idee. Das weiß auch Elisabeth Kaiser aus dem Bauministerium: "Gerade Digitalisierung, mobiles Arbeiten sind Voraussetzungen, die das wieder mehr möglich machen, aber dazu gehört auch Mobilität. Die Frage: Wie komme ich von A nach B? Aber auch eine soziale Infrastruktur vor Ort, Kitas, Schulen."

Grabow, die Kleinstadt in Mecklenburg-Vorpommern, liegt günstig. Der Regionalexpress hält im Ort. Aber es fehlt noch einiges, um dauerhaft hierher zu ziehen, sagt auch Melissa Maldonado.

"Es gibt viele Läden und nichts ist drin. Und um Leute hierher zu holen,  muss es ein Angebot geben", so Maldonado. "Leute müssen hierherkommen wollen, um durch die Straßen zu schlendern, einen schönen Kaffee zu trinken, ein Eis zu essen." Nur, wenn wieder mehr Leben in Grabow einzieht, könnte sie sich auch vorstellen, dauerhaft hierher zu ziehen.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 08. August 2024 um 06:21 Uhr.