Strecke Hamburg-Berlin Zugausfälle nach mutmaßlichem Brandanschlag
Viele Fernverkehrszüge zwischen Hamburg und Berlin können aktuell nicht fahren. Fahrgäste müssen bis Samstag mit Verspätung rechnen. Grund sind Schäden nach einem mutmaßlichen Brandanschlag. Die Polizei geht von einem politischen Motiv aus.
Zwischen Hamburg und Berlin entfallen derzeit wegen eines mutmaßlichen Brandanschlags zahlreiche Fernverkehrszüge. Das teilte die Deutsche Bahn (DB) mit. In einer Fahrgastinformation heißt es: "ICE-/IC-/EC-Züge Hamburg - Berlin - Erfurt - Süddeutschland fallen zwischen Hamburg und Berlin aus". Aus der Online-Fahrplanauskunft der DB ging hervor, dass etwa zwei Drittel der ICE-Verbindungen zwischen Hamburg und Berlin davon betroffen sind.
Verspätungen von bis zu 60 Minuten
Als Alternative verwies die Bahn auf ICE-Züge, die im Stundentakt zwischen Hamburg und Berlin über eine Umleitungsstrecke geleitet werden. Dadurch seien Verspätungen von etwa 30 bis 60 Minuten zu erwarten. Der Fernverkehr zwischen Hamburg und Berlin dürfte nach Einschätzung der Bahn noch bis Samstag gestört sein.
Von den Schäden ebenfalls betroffen waren den Online-Angaben zufolge ICE- und IC-Züge auf der Strecke zwischen Hamburg, Rostock und Stralsund (bzw. bis zum Ostseebad Binz). Auch hier fielen die Züge aus. Nahverkehrsverbindungen sind laut der Deutschen Bahn ebenfalls betroffen. "Die Fernverkehrszüge werden teilweise über Uelzen umgeleitet oder fallen aus", hieß es weiter von der Bahn.
Brände in Kabelschächten - Motiv wohl politisch
Ein Sprecher der Hamburger Feuerwehr berichtete, dass es in der Nacht von Donnerstag auf Freitag zu Bränden in Kabelschächten der Deutschen Bahn gekommen sei. Betroffen gewesen seien Versorgungsleitungen für Signal- und Kommunikationstechnik. Auch ein Bahn-Sprecher bestätigte das.
Die Polizei teilte mit, man gehe derzeit von einem politischen Motiv und vorsätzlicher Brandstiftung aus. Ein Lokführer hatte den Angaben zufolge einen ersten Brand um 02.40 Uhr gemeldet - zwei weitere Brandmeldungen seien bis 03.40 Uhr eingegangen. Der polizeiliche Staatsschutz des Landeskriminalamts Hamburg nahm wegen vorsätzlicher Brandstiftung Ermittlungen auf und sucht nach Zeugen.
Mutmaßliches Bekennerschreiben aufgetaucht
Unterdessen wurde auf der linken Plattform "Indymedia" ein mutmaßliches Bekennerschreiben veröffentlicht. Darin heißt es: "In der Nacht des 7. September haben wir in Hamburg Verkehrsadern der kapitalistischen Infrastruktur sabotiert." Außerdem steht dort, einige Liter Benzin in den Kabelschächten an den Schienen sollten "zu möglichst langfristigen Ausfällen oder Einschränkungen beim Transport von zum Beispiel im Zuge neokolonialer Ausbeutung und erdzerstörendem Extraktivismus beschafften Rohstoffen führen".
Damit bezieht sich das Schreiben vor allem auf den Güterverkehr. Bei der Tat sollte es demnach um Streckenabschnitte gehen, "die nicht für den Personenverkehr genutzt werden". Ob das Schreiben wirklich von dem, der oder den Tätern veröffentlicht wurde, ist nicht klar.
Die Hamburger Polizei teilte auf Anfrage mit: "Das Bekennerschreiben ist uns bekannt und wird selbstverständlich in die Ermittlungen mit einbezogen, beziehungsweise ist ja nun bereits Bestandteil davon."
Wissing: "Form des Terrorismus"
Bundesverkehrsminister Volker Wissing forderte als Reaktion ein konsequentes Durchgreifen des Rechtsstaats. "Solche Anschläge sind eine Form von Terrorismus", sagte Wissing auf Anfrage der Nachrichtenagentur dpa. "Wir können nur von Glück sprechen, dass kein Mensch körperlichen Schaden erlitten hat." Solche Anschläge erschwerten neben dem Personenverkehr auch die sichere Versorgung mit zum Teil lebensnotwendigen Gütern.
"Der gesellschaftliche Konsens muss sein, dass wir jegliche Gewalt und Extremismus ächten", sagte Wissing. "Leider haben unter anderem auch die Aktionen von Klimaextremisten die Hemmschwelle für Eingriffe in den Verkehr weiter abgesenkt. Wir dürfen aber nicht abstumpfen gegenüber folgenschweren, gefährlichen Aktionen, bei denen Menschen sich und andere gefährden", meinte der FDP-Politiker.
Sicherheitschef der Bahn verurteilt mutmaßlichen Anschlag
Der Sicherheitschef der Deutschen Bahn, Hans-Hilmar Rischke, verurteilte den mutmaßlichen Anschlag auf die Infrastruktur in Hamburg "auf das Schärfste", wie er mitteilte. Er sagte, die Deutsche Bahn sei im engen Austausch mit den Sicherheitsbehörden und hoffe auf schnelle Fahndungserfolge.
Menschen, die mit uns reisen möchten - mit einem der klimafreundlichsten Verkehrsmittel - sind massiv von Zugausfällen und Verspätungen betroffen und erreichen ihre Ziele nicht.
Anschläge auf Bahnanlagen bereits in der Vergangenheit
Politisch motivierte Anschläge auf Kabelschächte der Bahn gab es schon in der Vergangenheit. Im Oktober vergangenen Jahres zielte eine Sabotage etwa auf die S-Bahn ab. Im September 2018 waren Zehntausende Reisende von einem Anschlag auf Kabelschächte auf der Bahnstrecke zwischen Düsseldorf und Duisburg betroffen. Und auch im Februar 2016 war ein Brandsatz auf der ICE-Strecke zwischen Berlin und Hannover in einem Kabelschacht entdeckt wurden. Dieser war allerdings nicht gezündet worden.
Bahn-Experte für Zäune um Bahnstrecken
Der Bahn-Experte Markus Hecht von der TU Berlin sprach sich angesichts der mutmaßlichen Brandanschläge und ähnlicher Sabotage-Akte aus der Vergangenheit dafür aus, deutlich mehr Bahnstrecken einzuzäunen. Als Vorbilder nannte er etwa Großbritannien und Norwegen - hier seien viele Strecken bereits eingezäunt. Laut Hecht würde das die Betriebsstabilität der Bahn erhöhen. Außerdem sagte Hecht, er sei darüber schon lange mit der DB im Gespräch.
Hecht betonte zudem, dass es bei den Signalkabeln an den meisten Stellen keine Redundanz gebe - wenn ein Kabel beschädigt wird, gibt es also kein zweites, über das der Betrieb weitergeführt werden kann. "Bei Kabelschäden führt das dann auf jeden Fall zu einer Störung", sagte Hecht. Insgesamt könne er nicht erkennen, dass sich bei diesen Sicherheitsfragen in den vergangenen Jahren bei der Bahn etwas verändert habe.
Die Bahn reagierte am Nachmittag auf die Kritik nach einer Einzäunung der Bahnanlagen und wies die Forderung zurück. Eine Sprecherin teilte mit, das Einzäunen des gesamten Streckennetzes sei "nahezu unmöglich". Bei einem Streckennetz von 34.000 Kilometern müsste ein solcher Zaun "fast eineinhalb Mal um die Erde reichen". Zudem müsste eine solche Absperrung Rettungskräften und Instandhaltungspersonal stets freien Zugang zum Schienennetz ermöglichen.
Zugverkehr in München stundenlang lahmgelegt
Bereits gestern hatte eine beschädigte Oberleitung den Zugverkehr am Hauptbahnhof in München stundenlang weitgehend lahmgelegt. Erst am Abend konnten die ersten Gleise wieder freigegeben werden. Nach Angaben der Polizei hatte ein Baggerfahrer bei Tiefbauarbeiten an einer S-Bahn-Haltestelle eine Oberleitung abgerissen.