Grünen-Parteitag Zwei Neue für Habeck
Die Grünen wollen auf ihrem Parteitag heute ein neues Führungsduo wählen. Als Favoriten gehen Staatssekretärin Brantner und Ex-NRW-Parteichef Banaszak ins Rennen. Die Wahl gilt auch als Test für Spitzenkandidat Habeck.
Felix Banaszak kämpft sich durch die Parteitagshalle in Wiesbaden. Er winkt, umarmt, macht Selfies. "Alles klar, Felix?", ruft ihm ein Delegierter zu. "Ja, alles gut", antwortet Banaszak lächelnd und eilt davon. Bisher stand sein Namensschild in der zweiten Reihe der Parteitagshalle. Hier waren Plätze für ihn und Franziska Brantner reserviert. Ab heute wollen sie in der ersten Reihe sitzen und die Partei als Vorsitzende in den Wahlkampf führen.
Das neue Führungsduo hat sich viel vorgenommen für den Parteitag. "Wir werden als Grüne jetzt zeigen, wohin die Reise gehen kann", sagt Banaszak. Doch die Grünen starten mit miesem Ampel-Image und schlechten Umfragewerten im Gepäck. Brantner will potenzielle Anhänger ansprechen, die die Partei zuletzt mit vielen Kompromissen verloren hatte: "Mir geht es darum, die Menschen zu erreichen, die nicht mehr sicher sind, ob wir auch wirklich ihre Werte und Interessen vertreten."
Brantner enge Habeck-Vertraute
In der Regierungszeit hat sich die Partei ein Stück weit selbst verloren. Nicht mehr alle Grüne wissen, wofür ihre Partei gerade wirklich steht. Während der Zeit der Ampel war Brantner parlamentarische Staatssekretärin im Wirtschaftsministerium. Sie gilt als enge Vertraute von Spitzenkandidat Robert Habeck, gehört wie er zum Realo-Flügel der Partei. Doch den Titel als die Frau an Habecks Seite oder grüne "Ober-Reala" weist sie zurück. "Ich bin nicht das Sprachrohr von Robert Habeck", sagt sie.
Brantner kennt die Partei gut und weiß, dass solche Botschaften wichtig sind. Vor allem für die Parteimitglieder, die sich fürchten, dass die Spitze durchregieren könnte. Brantner ist seit 28 Jahren bei den Grünen. Sie saß im EU-Parlament und ist seit zehn Jahren im Bundestag. Bei der vergangenen Bundestagswahl hat die 45-Jährige das Direktmandat in Heidelberg geholt.
Banaszak bringt einen neuen Sound mit
Ihr designierter Co-Vorsitzender Banaszak kommt vom linken Flügel und bringt einen neuen Sound mit. In seiner Heimat Duisburg spricht man am liebsten Klartext: "Ich kann auch Fußgängerzone in Castrop-Rauxel." Das Ruhrgebiet ist eine Region, die Wandel kennt. "Deshalb weiß ich, dass Wandel auch mit Zumutung verknüpft ist", sagt Banaszak. Dass ein Neustart mit ihm an der Spitze gelingen kann, hat er in Nordrhein-Westfalen bewiesen. Dort wurde Banaszak Co-Parteivorsitzender, als die Partei am Boden war. Vier Jahre später verdreifachten die Grünen ihr Wahlergebnis und Banaszak verhandelte den schwarz-grünen Koalitionsvertrag mit.
Zwei designierte Parteichefs also, die aus Ländern kommen, wo die Grünen mit der Union ganz gut können. Für Habecks Heimat Schleswig-Holstein gilt das genauso. "Natürlich wird darauf geschaut, dass ich aus einem schwarz-grün regierten Bundesland komme", sagt Banaszak. "Das heißt aber nicht, dass es schon eine Festlegung auf Schwarz-Grün gibt."
Flügel zusammenbringen, Kurs festlegen
Banaszak und Brantner haben nun eine Hauptaufgabe: Sie sollen Habeck im Wahlkampf den Rücken freihalten. "Wir werden natürlich auch den Kurs der Partei mitprägen. Aber klar ist, dass Robert Habeck an der Spitze steht", betont Brantner. Für welchen Kurs die Grünen stehen, das soll wieder deutlicher werden: Chancengerechtigkeit, Kampf gegen Kinderarmut, Frieden in Europa. Und allen voran der Kampf gegen die Klimakrise. Gleichwohl werden für den Parteitag auch heftige Debatten, etwa über die Migrationspolitik, erwartet.
Die Flügel zusammenbringen - das könnte vor allem die Aufgabe von Banaszak werden. Er gilt als einer, der Kompromisse schmieden kann. Zudem will er nach außen klare Kante zeigen: "Ich will wieder mehr Angriffslust in die politische Debatte bringen", sagt er. Es gehe um so viel, da wolle er "nicht nur mit Wattebäuschen werfen".
Setzt Partei auf Habeck-Kurs?
Die Wahl der neuen Parteispitze ist ein erster Hinweis darauf, wie sehr die etwa 800 Delegierten Habeck und seinem Kurs folgen. Denkbar ist, dass sie Habeck als Kanzlerkandidaten mit einem sehr ordentlichen Ergebnis am Sonntag wählen - die von ihm mitbestimmte Parteispitze aber mit nicht ganz so überzeugenden Werten. Hier könnte vor allem das linke Lager eine Chance sehen, um wohldosiert Protest zu üben. Starke Ergebnisse für das Duo wären hingegen ein Zeichen, dass die Partei im Wahlkampfmodus wirklich ganz auf den Habeck-Kurs setzt.