Grüner Länderrat "Der Unmut in der Partei ist groß"
Die Grünen treffen sich heute zu ihrem kleinen Parteitag, dem sogenannten Länderrat. Es wird ungemütlich für die Parteispitze: Der EU-Asylkompromiss sorgt für schlechte Stimmung an der Basis.
Wenn man Omid Nouripour auf Bad Vilbel anspricht, lächelt er. Der Schauplatz dieses Länderrats weckt Heimatgefühle beim Grünen-Co-Chef. "Das ist Frankfurt, da komme ich her, das ist ein Heimspiel", sagt Nouripour.
Doch dieses Heimspiel ist für ihn noch längst nicht gewonnen. Denn die Stimmung auf diesem Parteitag wird angespannt sein: An der Basis brodelt es. Viele Mitglieder der Grünen sind unzufrieden mit Entscheidungen, die ihre Partei innerhalb der Bundesregierung mitgetragen hat: Waffenlieferungen in ein Kriegsgebiet, die längere Laufzeit der Atomkraftwerke, der Bau von Flüssiggasterminals und nun auch noch der Asylkompromiss der Europäischen Union.
Ausgerechnet grüne Kabinettsmitglieder haben zugestimmt, dass das Asylrecht verschärft werden soll - mit dem Ziel, weniger Migranten in die EU zu lassen. Bundesaußenministerin Annalena Baerbock und Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck haben dazu "Ja" gesagt. Und damit zwei führende Köpfe einer Partei, die eine humane Migrationspolitik als einen ihrer Markenkerne sieht.
Asylpolitik überschattet den Parteitag
"Der Unmut in der Partei ist gerade groß, flügelübergreifend", sagt Timon Dzienus, der Co-Vorsitzende der Grünen Jugend. Sie steht für linke Positionen innerhalb der Partei und tritt traditionell progressiv auf. Dzienus geht davon aus, dass der Asylkompromiss den Länderrat überschatten und für lange Diskussionen sorgen wird.
Das könnte ein realistisches Szenario beim Blick auf die vielen Änderungsanträge sein: Insgesamt 46 sind in den vergangenen Tagen bei den Grünen eingegangen. Es sind quasi Korrekturvorschläge am Text des Bundesvorstandes zur Migrationspolitik. Normalerweise wird auf einem Grünen-Parteitag nicht über jeden Änderungsantrag debattiert, das würde den Rahmen sprengen. Der Bundesvorstand nimmt im Vorfeld und während der Veranstaltung Kontakt zu den Antragsstellern auf und versucht, Formulierungen so anzupassen, dass der Antrag hinfällig wird.
Die Grüne Jugend hat den wohl deutlichsten Änderungsvorschlag eingebracht. Dort heißt es, die Zustimmung Deutschland zum Asylkompromiss sei "falsch" gewesen. Nach dem Wunsch der Grünen Jugend soll die Partei nur dann dem finalen Beschluss der EU zustimmen, wenn es "substanzielle Verbesserungen" an den Plänen gibt.
Grüne Jugend stellt sich gegen EU-Asylkompromiss
Der Einfluss der Grünen Jugend ist nicht zu unterschätzen. Beim Länderrat vor einem guten Jahr in Düsseldorf hatte sie einen Änderungsantrag zum Sondervermögen der Bundeswehr eingebracht. Die grüne Jugendorganisation wollte, dass die 100 Milliarden Euro nicht ohne Bedingungen an die Bundeswehr gehen. Und beinahe hätte der Antrag eine Mehrheit bekommen.
Sollte Ähnliches bei diesem Treffen in Bad Vilbel passieren, also die Grüne Jugend mit einer Änderung des Textes zur Migrationspolitik durchkommen, wäre das eine Blamage für Außenministerin Baerbock und Wirtschaftsminister Habeck. Denn die grüne Partei würde sich dann gegen ihr "Ja" zur EU-Asylreform positionieren.
Mehr als 80 grüne Landtagsabgeordnete wollen den Druck weiter erhöhen: Sie haben am Abend einen Brief an die Delegierten des Parteitages geschickt. Darin warnen sie eindringlich vor einem schärferen europäischen Asylrecht und fordern von der Parteispitze eine "menschenrechtsverträglichere Politik".
Blamage für Baerbock und Habeck?
Co-Parteichef Nouripour bleibt dennoch entspannt. "Wir sind die Grünen. Wir sind dafür bekannt, dass wir leidenschaftlich diskutieren und zuweilen auch streiten, das gehört dazu", sagt er im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio. Am Ende wird sich die Partei nach seinen Worten unterhaken und geschlossen dafür kämpfen, dass sich die Situation von Geflüchteten verbessert.
Beim Leitantrag dieses Länderrats, der ganz zu Beginn diskutiert werden soll, dürfte es für die Parteispitze reibungsloser laufen. Es geht um klimaneutralen Wohlstand, Gerechtigkeit und Sicherheit. Dabei kommt wohl auch der Koalitionsstreit um das Gebäudeenergiegesetz zur Sprache. Doch es liegt kein einziger Änderungsantrag dazu vor. Das beschworene Heimspiel von Omid Nouripour in Bad Vilbel - zumindest beim Grünen-Kernthema Klimaschutz könnte ein Sieg gelingen.