Christian Dürr, Rolf Mützenich und Katharina Dröge (Archivbild 13.06.2023)

Reaktionen auf Heizungsgesetz "Tiefpunkt" oder "gutes Signal"?

Stand: 14.06.2023 10:58 Uhr

Der Streit um das neue Heizungsgesetz ist beigelegt. Mit weniger harten Vorgaben und mehr Zeit konnten sich alle Ampel-Parteien auf das Gesetz einlassen. Kritik kommt nun von Mieterbund und Umweltschützern. Die Opposition sieht sich bestätigt.

Nach wochenlanger Diskussion ist der Heizungsstreit in der Ampelkoalition abgeräumt: Das Gesetz soll in abgeschwächter Form morgen im Bundestag beraten werden.

Nach dem Kompromiss sollen nun das Gebäudeenergiegesetz und ein Wärmeplanungsgesetz gekoppelt werden und beide zum 1. Januar 2024 in Kraft treten. Wer an ein Fernwärmenetz angeschlossen ist, muss sich keine Gedanken mehr über den Einbau etwa einer Wärmepumpe machen. Eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung soll bis spätestens 2028 eingeführt werden. Solange keine kommunale Wärmeplanung vorliegt, sollen beim Heizungsaustausch auch noch Gasheizungen eingebaut werden dürfen - wenn diese auf Wasserstoff umrüstbar sind.

Das ursprünglich anvisierte Verbot des Einbaus von Öl- und Gasheizungen vom 1. Januar 2024 an ist vom Tisch: Die erzielte Grundsatzeinigung der drei Koalitionsfraktionen sieht jahrelange Übergangsfristen für Bestandsbauten vor. Zudem soll die staatliche Förderung noch einmal aufgestockt werden.

Die Reaktionen reichen von Enttäuschung über Sorge bis Zustimmung. Ein Überblick:

Verbände und Betroffene reagieren gespalten auf neue Regeln für Gebäudeenergiegesetz

Astrid Meisoll, ARD Berlin, tagesschau, 14.06.2023 16:00 Uhr

Städte- und Gemeindebund

Positiv hat der Städte- und Gemeindebund die von der Ampel beschlossenen Änderungen beim Heizungsgesetz aufgenommen. Es sei "ein richtiger Schritt, dass beim Gebäudeenergiegesetz - insbesondere bei Bestandsgebäuden - eine Verpflichtung erst dann entsteht, wenn die kommunale Wärmeplanung vorliegt", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Das bedeute für die meisten Kommunen, dass frühestens 2028 Maßnahmen ergriffen würden. "Damit wird die notwendige Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung hergestellt", stellte Landsberg fest.

Zugleich forderte er vom Bund "eine nachhaltige Unterstützung", damit auch die Kommunen die Wärmewende bei ihren eigenen 185.000 Gebäuden umsetzen könnten. Wegen der vielen noch offenen Details sollte das Gesetzgebungsverfahren mit großer Sorgfalt und Realitätssinn betrieben werden, forderte der Hauptgeschäftsführer. Dazu gehöre auch eine konkrete Kostenschätzung.

Deutscher Mieterbund

Der Präsident des Deutschen Mieterbundes, Lukas Siebenkotten, zeigte sich besorgt über noch höhere Kosten für Mieter. "Statt die bestehende Modernisierungsumlage endlich sozial gerecht zu reformieren und deutlich abzusenken, soll sogar eine weitere Modernisierungsumlage eingeführt werden", sagte Siebenkotten der dpa. "Das lässt nichts Gutes erahnen. Wir brauchen mehr Mieterschutz und keine weiteren Mieterhöhungsmöglichkeiten." In den weiteren Verhandlungen müsse es darum gehen, "die Fördermittel für Vermieter zu erhöhen und gleichzeitig die Modernisierungsumlage so zu reformieren, dass eine deutliche Energieeinsparung durch den Heizungstausch erreicht wird - nur so profitieren Vermieter und Mieter", führte Siebenkotten aus.

Greenpeace

Die Umweltorganisation Greenpeace bewertete die Beschlüsse der Koalition negativ. Ihr Energieexperte Andree Böhling sagte, wenn zunächst die kommunale Wärmeplanung abgeschlossen werden solle, dann bedeute das: "Bis 2028 werden in den meisten Kommunen weiter klimaschädliche Gasheizungen eingebaut. Mit diesem aufgeweichten Heizungsgesetz rücken die Klimaschutzziele der Regierung in weite Ferne."

Deutsche Umwelthilfe

Die Deutsche Umwelthilfe sprach von einem Tiefpunkt für die Klimapolitik der Bundesregierung. "Am schwersten wiegt, dass die Wärmewende bei Bestandsgebäuden auf einen Zeitpunkt nach 2028 und damit auf eine nächste Regierung verschoben wird und das sogar bei einem großen Teil der Neubauten, wo es besonders einfach umsetzbar ist", kritisierte Bundesgeschäftsführerin Barbara Metz. "Darüber hinaus wird das Märchen von wasserstofffähigen Gasheizungen aufrechterhalten und die klima- und umweltschädliche Verbrennung von Holz ermöglicht."

Energiewirtschaft

Positiv reagierte die Energiewirtschaft auf das veränderte Heizungsgesetz. "Die Punkte, auf die sich die Koalition geeinigt hat, verbessern das Gesetz entscheidend", sagte die Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Energie- und Wasserwirtschaft, Kerstin Andreae. Positiv sei vor allem "die geplante Verzahnung mit der kommunalen Wärmeplanung bei der Umrüstung von Bestandsgebäuden". Ähnlich äußerte sich der Verband kommunaler Unternehmen (VKU). Die Einigung der Koalition sei "ein gutes und wichtiges Signal".

CDU

Die Union freut sich über die abgeschwächten Regeln für den Einbau neuer Heizungen: "Opposition wirkt, unsere Kritik wirkt: Robert Habecks Wärmepumpen-Zwang hat keine Mehrheit im Deutschen Bundestag", sagte der Unions-Fraktionsvize Jens Spahn (CDU) am Dienstag im ZDF. "Deswegen haben die Ampel-Fraktionen diesem Gesetz den Stecker gezogen. Das ist erstmal eine gute Nachricht angesichts des Protests, den es im Land gibt", sagte Spahn. Es gebe allerdings noch keinen neuen Gesetzentwurf, beklagte Spahn. Er forderte, dass die Ampelkoalition auf Basis der Einigung "ein ordentliches Gesetz schreibt und wir dann ein ordentliches Verfahren im Deutschen Bundestag haben". Dabei müsse schon in Erster Lesung klar formuliert sein, inwieweit das Gesetz wirklich Technologieoffenheit gewährleiste und welche Förderungen es geben werde. "Mit dem, was heute behauptet wurde, was kommen soll" wäre allerdings Technologieoffenheit "scheinbar gewährleistet", fügte Spahn hinzu. Er lobte überdies die zugesagten Förderungsmaßnahmen: "Diese Ziele kann man unterstützen".

Fraktionschef Friedrich Merz erklärte, Habeck "erlebt zum zweiten Mal innerhalb eines Jahres, dass ihm die Ampel-Fraktionen vollkommen verkorkste Gesetzentwürfe aus der Hand nehmen".

Grüne

Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) will nach dem Kompromiss beim Heizungsgesetz nicht von Siegen oder Niederlagen sprechen. "Diese Debatte drohte ja zu einer Endlosschleife zu werden. Und das ist dann verhindert worden, weil wir uns mal kurz frei gemacht haben von: Wer hat gewonnen, wer hat verloren?", sagte Habeck im ZDF. Denn Kategorien wie Sieg oder Niederlage verhinderten jeden Kompromiss. "Das, was heute gelungen ist, ist vor allem, die Handlungsfähigkeit der Regierung und damit auch das Zusammenrücken des Landes wieder zu ermöglichen." Der Kern des Gesetztes sei erhalten geblieben.

Die Co-Fraktionschefin der Grünen im Bundestag, Katharina Dröge, sprach in den tagesthemen von einem "etwas komplizierteren Weg", den die Koalition zurücklegen musste. Sie freue sich aber sehr, diesen "Meilenstein" auf den Weg gebracht zu haben. Klimaneutrale Heizungen blieben das Ziel, das habe sich auch durch die jüngsten Änderungen nicht geändert.

Die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen-Fraktion, Irene Mihalic, sagte bei RTL/ntv, die Einigung sei letztlich durch ein Geben und Nehmen innerhalb der Koalition zustande gekommen. "Die FDP hat uns zugestanden, dass es eine verpflichtende kommunale Wärmeplanung gibt, und wir haben uns im Bereich der Technologien und bei den Übergangsfristen auf die FDP zubewegt." Das Wichtige sei, "dass wir endlich die Wärmewende einleiten", so Mihalic. 

"Wir ermöglichen mehr Entscheidungszeit", Katharina Dröge, Fraktionsvorsitzende Bündnis 90/Die Grünen, zur Einigung im Heizungsstreit

tagesthemen

SPD

SPD-Chefin Saskia Esken lobte im gemeinsamen Morgenmagazin von ARD und ZDF die "sehr, sehr gute Einigung". Mit dem Kompromiss sei der Einstieg in die Wärmewende gelungen, sagte Esken.

Esken betonte, es sei wichtig, dass mit der Einigung nun Planungssicherheit für Neubauten herrsche. Auf das Thema Finanzierung angesprochen, zeigte sie sich "zuversichtlich, dass es auch gut gelingen wird". Die Unterstützung für die Investitionskosten werde aus dem Klimatransformationsfonds geleistet, der "außerhalb des Haushalts" zu sehen sei. 

Bundesbauministerin Klara Geywitz kündigte an, nun die Wärmeplanungen gemeinsam mit den Kommunen vorantreiben zu wollen. "Mit den Kommunen und Verbänden ist ein Gesetzentwurf zur kommunalen Wärmeplanung in Abstimmung. Im Kern geht es darum, dass die Bürgermeister erstmal schauen, was habe ich denn für potentielle Wärmequellen, wieviel Verbrauch habe ich in meiner Kommune, und wie können wir vielleicht noch mit anderen Varianten heizen außer mit Öl und Gas", sagte die SPD-Politikerin dem rbb-Inforadio.

FDP

FDP-Fraktionschef Christian Dürr zeigte sich sehr zufrieden mit der Ampel-Einigung, nachdem seine Fraktion bisher gebremst hatte. "Es freut mich, dass wir innerhalb der Koalition fundamentale Änderungen am Gesetzentwurf vereinbaren konnten", nahm Dürr für sich in Anspruch. Für die FDP seien die Koppelung an die Wärmeplanung und die Technologieoffenheit vor allem wichtig gewesen.

Der Erste Parlamentarische Geschäftsführer der FDP-Bundestagsfraktion, Johannes Vogel, sprach im Interview mit Bayern 2 von einem guten Kompromiss im Heizungsstreit. "Wir haben das Gesetz wirklich um 180 gedreht und vom Kopf auf die Füße gestellt, nicht beim Klimaschutz, sondern bei der Frage, wie wir das erreichen", sagte Vogel. Der entscheidende Punkt des Gesetzes ist aus seiner Sicht, dass die Technik nicht vorgeschrieben werde, "sondern je nach Gebäude kann man die für sich passende Technik, die bis 2045 klimaneutral dann ist, wählen. Das ist der Kern, und der war besonders wichtig", sagte der FDP-Politiker. 

FDP-Vize Wolfgang Kubicki sagte den Funke-Zeitungen, die Einigung bedeute "eine vollständige Abkehr von den ursprünglichen Vorstellungen" des Klimaschutzministers Habeck. Die neuen Vereinbarungen spiegelten fast vollständig das wider, was sich die Freien Demokraten schon bei der ersten Version des Heizungsgesetzes gewünscht hätten.

Linkspartei

Linken-Fraktionschef Dietmar Bartsch sieht den Kompromiss der Ampel-Koalition kritisch. Der ursprünglich von Bundeswirtschaftsminister Habeck vorgelegte Gesetzentwurf sei entkernt worden, sagte Bartsch. "Statt beherzt an einem Strang zu ziehen, hängen die Ampel-"Partner" nach wochenlangem Rosenkrieg mit Blessuren in den Seilen. Der kleinste gemeinsame Nenner macht keine sozial ausgewogene Wärmewende." Konkrete Kritikpunkte nannte Bartsch nicht.

Kai Küstner, ARD Berlin, tagesschau, 14.06.2023 11:16 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 13 Juni 2023 um 22:15 Uhr.