Gesundheitswesen Umsetzung der Impfpflicht sorgt für Unmut
Ab Mitte März gilt für Beschäftigte in Kliniken und der Pflege die Corona-Impfpflicht. Kritiker befürchten eine Verschärfung des Personalmangels. Zudem gibt es viele offene Fragen bei der Umsetzung.
Lange wurde über sie diskutiert, am 16. März tritt sie in Kraft: Die Corona-Impfpflicht in Einrichtungen des Gesundheitswesens. Doch auch wenige Wochen vor der geplanten Einführung gibt es noch jede Menge offene Fragen. So sollen Ärzte, Krankenhäuser und Heime offenbar zunächst weiter Personal einsetzen können, das nicht gegen Corona geimpft ist. "Bis das Gesundheitsamt ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot ausgesprochen hat, ist eine Weiterbeschäftigung der betroffenen Person grundsätzlich möglich", heißt es nach Berichten des Deutschen Ärzteblattes und des Portals "Business Insider" aus dem Bundesgesundheitsministerium.
Gesundheitsämter entscheiden über Maßnahmen
Im Infektionsschutzgesetz heißt es, dass die Beschäftigten in Einrichtungen im Gesundheitswesen bis zum 15. März ihrem Arbeitgeber "einen Nachweis über eine abgeschlossene Impfung, einen Genesenennachweis, oder ein ärztliches Attest, dass sie nicht geimpft werden können" vorlegen müssen. Fehlt der Nachweis, muss das Gesundheitsamt informiert werden. Ab dem 16. März sei dann für die Beschäftigten "ohne Vorlage eines entsprechenden Nachweises keine Aufnahme der Tätigkeit in den betroffenen Einrichtungen mehr möglich".
Ein Betretungs- oder Tätigkeitsverbot für die Klinik oder Pflegeeinrichtung wird vom zuständigen Gesundheitsamt ausgesprochen. Das bestätigte ein Sprecher des Gesundheitsministeriums dem "Business Insider": Das Gesundheitsamt entscheide "über das weitere Vorgehen und die zu ergreifenden Maßnahmen im Rahmen seines Ermessens". Nicht geimpft zu sein, müsste demnach nicht automatisch immer gleich ein Arbeitsverbot bedeuten. Nachdem ein Betretungs- beziehungsweise Tätigkeitsverbot ausgesprochen worden sei, dürfte für betroffene Arbeitnehmer dann auch der Vergütungsanspruch in der Regel entfallen.
Zweifel an der Umsetzbarkeit gibt es seit Wochen. So hatten Gesundheitsämter in Mecklenburg-Vorpommern, Thüringen und Berlin angekündigt, mit der Überprüfung überfordert zu sein. Elke Bruns-Philipps, stellvertretende Vorsitzende des Bundesverbands der Ärzte des öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), sagte der "Rheinischen Post", sie gehe davon aus, dass im Schnitt bei fünf bis zehn Prozent der Beschäftigten kein vollständiger Impfschutz vorliege. "Das ist eine erhebliche Belastung mit der Prüfung jedes Einzelfalls, wie es jetzt vorgesehen ist, die die Gesundheitsämter nicht zeitnah bewältigen können", kritisierte sie.
Pflegerat fordert Aufklärungskampagne statt Impfpflicht
Grundsätzliche Kritik kam vom Deutschen Pflegerat. "Die Gesellschaft muss begreifen, dass wir uns alle impfen müssen. Das kann nur gesamtgesellschaftliche Aufgabe sein. Bei der Gesamtsituation hilft uns die einrichtungsbezogene Impfpflicht überhaupt nicht", sagte Pflegeratspräsidentin Christine Vogler der Nachrichtenagentur dpa. "Den Fokus auf die Berufsgruppe der Pflegenden zu richten und ihnen den schwarzen Peter zuzuspielen, ist nicht gerechtfertigt."
Stattdessen sollte es ihrer Ansicht nach massive Aufklärungskampagnen und verstärkte Bemühungen für Impfungen geben oder auch eine allgemeine Impfpflicht. Im Pflegerat als Dachverband haben sich große Verbände der Pflegebranche zusammengeschlossen. Vogler plädierte bei der praktischen Anwendung der Einrichtungsimpfpflicht für eine Risikoabwägung vor Ort durch das jeweilige Gesundheitsamt. "Es bleibt ja gar nichts anderes übrig. Es kann ja nicht ein Gesundheitsamt sagen, wir ziehen die Leute ab. Was machen wir dann mit den Pflegebedürftigen?"
Das Gesundheitsministerium plant Medienberichten zufolge, ein neues Meldesystem und niedrigschwellige Impfangebote auf den Weg zu bringen. In Einrichtungen mit unterdurchschnittlicher Impfquote soll es dann die Aufgabe der Länder sein, "erneut gezielte Impfangebote zum Beispiel durch das Aufsuchen mit mobilen Impfteams zu unterbreiten".
12.000 Pflegekräfte melden sich arbeitssuchend
Auch der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG), Gerald Gaß, sagte der "Rheinischen Post", wesentliche Fragen der Umsetzung seien noch ungeklärt. Die Deutsche Stiftung Patientenschutz warnte vor einer Impfpflicht "mit der Brechstange". Der 15. März sei nicht einzuhalten, sagte Vorstand Eugen Brysch. Er sieht die Versorgung von bis zu 200.000 Pflegebedürftigen und Kranken in Gefahr, weil ein erheblicher Anteil an Beschäftigten nicht mehr arbeiten kommen werde. "Ein Aufschub ist dringend geboten." Lauterbach hatte vor wenigen Tagen der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung" allerdings bereits gesagt, eine Verschiebung komme nicht in Frage.
Dass es wegen der Impfpflicht zu einem Personalmangel kommen könnte, ist nach Angaben der Bundesagentur für Arbeit (BA) eher unwahrscheinlich. Zwar hätten sich im Dezember und Januar 25.000 mehr Menschen im Gesundheits- und Sozialsektor arbeitssuchend gemeldet als üblich - ungefähr 12.000 davon aus der Pflege. Die Zunahme befinde sich jedoch auf einem Niveau, "was uns allen keine Sorgen machen muss", sagte Daniel Terzenbach, Vorstandsmitglied der BA.
Ethikrats-Mitglied Andreas Lob-Hüdepohl kritisierte die Ankündigung einzelner Landräte, die einrichtungsbezogene Impfpflicht zu umgehen. Das sei ein Skandal, sagte Lob-Hüdepohl der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Damit werde das Gesetz pervertiert.