ABC-Schulung Wie Ukrainer in Deutschland für den Ernstfall üben
In Südbayern trainieren ukrainische Soldaten für den Fall, dass Russland radioaktive, biologische oder chemische Waffen einsetzt. Die Ausbildung, die sonst Monate dauert, müssen sie in nur drei Wochen absolvieren.
Auf einem Truppenübungsplatz in Südbayern, der genaue Ort darf nicht genannt werden. Die Sicherheitsmaßnahmen sind umfassend: Foto- und Filmaufnahmen müssen später in eine Cloud des Verteidigungsministeriums hochgeladen und unter Aufsicht gelöscht werden. Sie werden dann in Berlin geprüft, ob irgendetwas auf die Identität der ukrainischen Soldaten oder den Standort zurückführen kann. Dann erfolgt erst die Freigabe oder die Löschung.
Es sollen Interviews möglich sein. Yevhen, Andrej und Sergej haben sich bereit erklärt. Die mittelalten, stämmigen Männer - ihr genaues Alter und ihre Herkunftsorte sind ebenfalls geheim - schwitzten noch eine Stunde zuvor bei rund 30 Grad in ihren ABC-Schutzanzügen mit Gasmasken. Sie sind drei von 30 ukrainischen Soldaten, die hier in den vergangenen Wochen ausgebildet worden sind. Ausgebildet für den Fall, dass Russland in der Ukraine radioaktive, biologische oder chemische Waffen einsetzen könnte.
Ihre Aufgabe ist dann, die kontaminierten Militärfahrzeuge zu reinigen und so wieder einsatzfähig zu machen. Sechs der dafür notwendigen sechsrädrigen Spezialfahrzeuge des Typs HEP 70 hat Deutschland bisher an die Ukraine geliefert, heißt es - es gibt aber keine Bestätigung. Keine Antwort auch auf Fragen, der wievielte Lehrgang dies ist und ob noch weitere folgen. Was bei der Bundeswehr als Ausbildung Monate dauert, müssen die ukrainischen Soldaten in nur drei Wochen lernen und beherrschen.
Ukrainische Soldaten trainieren die Dekontamination von Militärfahrzeugen.
Furcht vor russischem ABC-Angriff ?
"Wir haben es mit hochmotivierten Soldaten zu tun, die nicht nach acht Stunden Feierabend machen, sondern täglich und bis spät in den Abend hinein geübt und gelernt haben", sagt der Kommandeur Oberstleutnant Daniel Razat, der die Abschlussübungen beobachtet. Glaubt er wirklich, dass die kurze Zeit der Ausbildung für den Ernstfall reicht? "Ich glaube es nicht, ich weiß es. Wir haben sie ausgebildet und das Ergebnis sieht man hier", ist seine militärisch knappe und klare Antwort. Er zeigt auf die laufende Übung.
Die Mittagssonne brennt gnadenlos vom Himmel. In den Schutzanzügen mit der Atemmaske muss es unglaublich heiß sein und das Atmen schwerfallen. Doch die ukrainischen Soldaten erledigen ihre Aufgabe zügig und routiniert. An dieser Station würden sie im Ernstfall bei einem chemischen Angriff wie Giftgas eine weiße Lösung aufsprühen, die Kampfstoffe wie VX dann neutralisieren.
In 30 Tagen zur Routine, wo andere Monate brauchen.
Glauben sie wirklich, dass Russland Atombomben, Giftgas oder biologische Waffen einsetzen könnte? Yevhen besteht darauf, offiziell auf Ukrainisch zu antworten. Doch der Bundeswehrdolmetscher kann nur Russisch. Also übersetzt Yevhen sichtlich widerwillig seine Antwort auf Russisch und der Dolmetscher wieder auf Deutsch.
"Wenn man berücksichtigt, dass wir gerade einen Krieg gegen einen Terroristen-Staat führen, kann man den Einsatz taktischer Atomwaffen oder einen Terroranschlag auf ein Atomkraftwerk nicht ausschließen. Die Erfahrung hat gezeigt, dass Russland sich nicht vor der Vernichtung des hydroelektrischen Kraftwerkes oder dem Verursachen einer Naturkatastrophe oder einem Völkermord am ukrainischen Volk scheut", lautet seine Antwort. Aber nun seien er und seine Kameraden wenigstens in der Lage, dann reagieren zu können.
Private Fragen sind nicht erlaubt, ob er Kontakt in die Ukraine habe, beantwortet er nur mit "Ja". Abschließend bekräftigt er noch einmal, dass die Schulung erfolgreich war und fügt mit einem leichten Zögern hinzu: "Aber ich hoffe, dass wir unser Können niemals anwenden müssen."