Adenauer-Berichte "Machtmissbrauch ganz eigener Dimension"
Was sagt der nun bekannt gewordene Spitzelskandal über Adenauer aus? Der Historiker Henke betont im tagesschau24-Interview die Dimension der Vorwürfe und meint: "Wir werden jetzt ein deutlicheres Adenauer-Bild haben - auch ein dunkleres."
Der Historiker Klaus-Dietmar Henke hat nach dem Bekanntwerden der Spitzelaffäre Adenauers die Einmaligkeit des Vorgangs betont. "Das war gesetzwidrig, illegal, das war ein Machtmissbrauch ganz eigener Dimension", sagte Henke im tagesschau24-Interview. Er sprach von einer Großoperation des BND.
Wie die "Süddeutsche Zeitung" am Wochenende unter Berufung auf Henkes Arbeit und historische Dokumente berichtete, ließ Adenauer die SPD-Spitze mithilfe zweier Informanten weitaus stärker ausspionieren als bislang angenommen. Einer von ihnen soll direkt in der SPD-Führung gearbeitet haben. Fast 500 vertrauliche Berichte aus dem SPD-Vorstand sind demnach in das CDU-geführte Kanzleramt gelangt.
Adenauer, der von 1949 bis 1963 regierte, sei über den Spitzel des Bundesnachrichtendienstes oft noch am selben Tag über Vorgänge in der Oppositionspartei informiert worden. SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert hatte am Wochenende von einem "ungeheuerlicher und in der bundesrepublikanischen Geschichte wohl beispiellosen Vorgang" gesprochen.
"Brühwarm auf den Schreibtisch"
Laut Henke habe sich Adenauer sogar selbst gelegentlich in seinem eigenen Parteivorstand damit gebrüstet, dass er auf krummen Wegen an wichtige Informationen kommen könne. Fast täglich gingen demnach die Berichte "brühwarm aus der SPD-Parteizentrale direkt auf den Schreibtisch des Kanzleramtschef und von dort zu Adenauer".
Der Sprecher der Unabhängigen Historikerkommission zur Erforschung der Geschichte des BND zeigte sich im tagesschau24-Gespräch gespannt, wie die Partei reagieren werden. "Wir werden jetzt ein deutlicheres Adenauer Bild haben - auch ein dunkleres", sagte er. Die Konrad-Adenauer-Stiftung und eine Sprecherin der CDU wollten die Sachverhalte zuletzt - laut Nachrichtenagentur dpa - allerdings nicht kommentieren.