CDU-Kandidat Althusmann Er will zu den Siegern gehören
Daniel Günther, Hendrik Wüst, Bernd Althusmann? Der CDU-Spitzenkandidat will die erfolgreiche Wahlserie seiner Partei in Niedersachsen fortsetzen. Im Wahlkampf zeigt er sich ungewöhnlich angriffslustig. Aber reicht das?
Er will es noch einmal wissen: Nachdem die CDU bei der Landtagswahl 2017 der SPD knapp unterlegen ist, kandidiert Bernd Althusmann erneut. Mit klarem Ziel: Er will Niedersachsens neuer Ministerpräsident werden. Es sei Zeit für einen Führungswechsel.
Dafür tourt der CDU-Spitzenkandidat durch Niedersachsen. Statt Anzug trägt er Jeans und weiße Sneaker, die Ärmel seines Hemdes sind hochgekrempelt - seine neue Uniform. Mit dabei sein Wahlkampfmobil - ein amerikanischer Wohnwagen der Marke Airstream.
"So geht das nicht"
Mit dem steht Althusmann an einem Montag im September auf dem Marktplatz in Peine. Auf der Aluminiumkarosserie seines Airstreams reflektieren die Sonnenstrahlen - und der CDU-Spitzenkandidat reflektiert die Bundespolitik. Er habe sein Vertrauen in die Handlungsfähigkeit dieser Bundespolitik verloren, ruft er ins Mikrofon. Die Menschen bräuchten Entlastung in der Energiekrise und er wolle derjenige sein, der der Ampelregierung klar sage: "So geht das nicht". Die Atomkraftwerke müssten weiterlaufen, sagt er. Nur so könne die Energieversorgung gesichert werden. Einige Zuhörende klatschen - der Großteil nicht.
So richtig will sich Althusmanns Stimmung gegen die Ampel-Regierung in Berlin nicht auf die Masse übertragen. Vielleicht liegt es daran, dass er in einer SPD-Hochburg auftritt. CDU-Kandidaten haben es in Peine, einer Stadt östlich von Hannover, historisch betrachtet schwer, sich gegen die sozialdemokratische Konkurrenz durchzusetzen. Vielleicht liegt es aber auch daran, dass die CDU lange Zeit Teil der Bundesregierung war. "16 Jahre haben Sie Deutschland versaut", ruft ein Zuhörer in die Menge und spielt auf die Amtszeit der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) an.
Energiekrise, Armut, Inflation
Die Krise fordert neue Perspektiven: Im Landtagswahlkampf sind die landespolitischen Themen schon lange in den Hintergrund gerückt. Vor Monaten geschriebene Wahlprogramme finden kaum Beachtung, denn das, was bewegt, sind Bundesthemen: Energiekrise, Armut und Inflation. Das hat auch die CDU verstanden. Ihre Strategie: Kritik an der Ampel-Koalition in Berlin.
Wo immer es geht, arbeitet sich die Partei an der Regierung ab. Doch der Kurs kommt bei einigen Wählerinnen und Wählern nicht gut an - und auch einige Parteimitglieder zeigen sich kritisch. Hinter vorgehaltener Hand sagen einige, dass sie sich sorgen, diese Ausrichtung könne die falsche sein. Dass die Wahl nicht allein mit Kritik an der Bundespolitik gewonnen werden könne.
Sorgen um die Beliebtheitswerte
In der jüngsten repräsentativen Umfrage von Infratest dimap für den NDR liegt die CDU bei 30 Prozent, die SPD bei 32. Doch nicht dieser Abstand macht den Christdemokraten in Niedersachsen Sorgen, sondern die Beliebtheitswerte ihres Spitzenkandidaten. Denn da tut sich nichts. Nur 28 Prozent der Befragten würden Althusmann direkt zum Ministerpräsidenten wählen.
Amtsinhaber Stephan Weil von der SPD kommt dagegen auf 50 Prozent. Althusmann gibt aber nicht viel auf die Werte. "Diese Zahlen beeindrucken mich wenig", sagt er.
Er gibt sich angriffslustig, denn er will zu den Siegern gehören. Hendrik Wüst hat in Nordrhein-Westfalen die Wahl für sich entschieden, Daniel Günther in Schleswig-Holstein - Althusmann könnte der dritte Christdemokrat im Bunde sein. Für den Sieg macht er sich schon seit der Landtagswahl 2017 bereit.
Zugeknöpft und distanziert?
Als Wirtschaftsminister von Niedersachsen stellte er in der Großen Koalition mit der SPD wichtige Weichen: Während der Pandemie brachte er Hilfen in Höhe von mehr als sechs Milliarden Euro für niedersächsischen Unternehmen auf den Weg, schnürte eigene Landesprogramme für die Gastronomie und verdiente sich dadurch Respekt in der Wirtschaft. Aber nicht allen fällt der Zugang zu Althusmann leicht - er sei zu zugeknöpft, zu distanziert, zu wenig greifbar und manchmal eben auch zu wenig im Thema, heißt es. Möglicherweise hat er diese Kritik angenommen: Im Laufe des Wahlkampfes wird er zunehmend angriffslustiger, wirkt wesentlich offener.
Den Menschen in der niedersächsischen Stadt Peine geht es dagegen weniger um politisches Kalkül als um die Frage, wie Bildung in Niedersachsen funktionieren kann und welche Rolle Förderschulen dabei spielen. Eine Mutter ist überzeugt: "Rot-Grün will uns die Wahlfreiheit nehmen." Es geht um die Förderschule "Lernen", die in Niedersachsen bis 2028 eingestellt werden soll. Kinder mit Förderbedarf sollen künftig in Regelschulen unterrichtet werden.
Althusmann, der von 2010 bis 2013 Kultusminister war, macht klar: "Mit einer CDU-geführten Landesregierung wird es keine Abschaffung der Förderschulen geben." Es dürfe keinen ideologischen Zwang geben, "Kinder in ein Schulsystem hineinzupressen, obwohl die Voraussetzungen" nicht da seien.
Bei der Digitalisierung hakt es
Doch bei der Bildung geht es auch um Digitalisierung. Und da hakt es in Niedersachsen - das hat die Pandemie gezeigt: 24 Prozent der Schulen in Niedersachsen haben noch immer kein leistungsfähiges WLAN. Nicht mal jede dritte Schule hat Glasfaseranschluss. Dabei wäre Althusmann als Wirtschafts- und Digitalisierungsminister genau dafür zuständig gewesen, sagen kritische Stimmen. Bis Ende 2021 wurden nur 50 Prozent der Milliarde abgerufen, die das Land für den digitalen Ausbau bereitgestellt hat. Das Ministerium versichert, weitere Mittel seien verplant.
Sollte er Ministerpräsident werden, will Althusmann ein eigenes Digitalisierungsministerium gründen. Bei vielen hat diese Ankündigung Fragen aufgeworfen: Hat es der Wirtschaftsminister nicht geschafft, Niedersachsen digital in die Zukunft zu bringen?
Wie auch immer die Antwort auf diese Frage ausfallen mag: Sollte sich Althusmann bei dieser Landtagswahl doch durchsetzen, hat er als Ministerpräsident große Aufgaben zu bewältigen - und die gehen ganz sicher über die bloße Kritik an der Ampel-Regierung hinaus.