Nach dem Ampel-Aus Familien und Frauen im Wartestand
Einige familien- und frauenpolitische Vorhaben sind schon vor dem Ampel-Aus gescheitert. Doch nun wackeln weitere wie die Kindergelderhöhung oder das Gewalthilfegesetz. Was kann jetzt noch klappen?
Immerhin eine gute Nachricht hat Bundesfamilienministerin Lisa Paus noch: "Für die Familien ist wichtig, dass wir das große Kita-Qualitätsgesetz auf den Weg gebracht haben", so die Grünen-Politikerin. Das Gesetz wurde noch vor dem Ampel-Aus beschlossen: Damit sollen die Länder in den nächsten beiden Jahren vier Milliarden Euro bekommen. So sollen Fachkräfte und Sprachförderung in Kitas gesichert werden.
2025 soll das Gesetz in Kraft treten, wie es vom Familienministerium heißt. Doch bei anderen familien- und frauenpolitischen Projekten ist die Zukunft ungewiss.
Kindergelderhöhung für Januar 2025 wackelt
Die Ampel-Regierung hatte eine Kindergelderhöhung um fünf Euro ab Januar 2025 (255 Euro) sowie einen entsprechenden Anstieg des Kindersofortzuschlags für Kinder im Bürgergeld vorgesehen. Auch Kanzler Olaf Scholz drängt auf die Kindergelderhöhung.
Doch SPD und Grüne wissen: Nach dem Ampel-Aus haben sie keine Mehrheit mehr im Bundestag, um alleine Gesetze zu beschließen. Die Umsetzung hänge jetzt von der Zusammenarbeit der Union ab, so Paus.
"Gewalthilfegesetz" nicht ohne die Union
Ein weiteres zentrales Vorhaben ist das sogenannte Gewalthilfegesetz. Hintergrund ist der Anstieg von Gewalt gegen Frauen. Jetzt vorgestellte Zahlen des Bundeskriminalamts (BKA) zeigen: 2023 wurden mehr als 180.000 Frauen Opfer häuslicher Gewalt - ein Anstieg von fast sechs Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Das Lagebild des BKA zeigt: Egal ob Hass im Netz, Sexualdelikte oder häusliche Gewalt - in allen Bereichen nehmen die Straftaten gegen Frauen zu.
Paus will daher einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung für Opfer häuslicher Gewalt schaffen und die Bundesländer verpflichten, das Netz an Frauenhäusern und Beratungsstellen auszubauen. Laut Experten fehlen in Deutschland mehr als 14.000 Frauenhausplätze.
Sozialverbände kritisieren, dass Paus zu lange kein Gesetz vorgelegt habe. Jetzt könnten die Chancen gering stehen - auch wenn in der Politik Einigkeit darüber herrscht, Frauen vor Gewalt besser zu schützen. Laut dem Entwurf, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, soll sich der Bund ab 2027 über zehn Jahre mit mehr als zwei Milliarden Euro an den Kosten beteiligen. Die FDP hatte die Finanzierung zuletzt aber kritisch gesehen.
Paus betont: Nächste Woche könnte das Gesetz das Kabinett passieren. Nach dem Ampel-Aus komme es jetzt aber auf die Union im Bundestag an, sagt Paus, die für eine fraktionsübergreifende Unterstützung wirbt.
Wohl keine Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen
"Das Thema Schwangerschaftsabbruch hat im Strafgesetzbuch nichts zu suchen", sagt Paus. Es geht um den Abtreibungsparagrafen 218 und die Frage, ob er kurz vor der Bundestagswahl im Februar noch abgeschafft wird. Sie gibt zu, die Bundesregierung hatte "nicht die Kraft, einen eigenen Gesetzesentwurf vorzulegen".
Im Frühjahr noch hatte eine von der Regierung eingesetzte Expertenkommission Empfehlungen vorgelegt: Unter anderem sollten Schwangerschaftsabbrüche in den ersten drei Monaten legalisiert, aus dem Strafgesetzbuch gestrichen und im Schwangerschaftskonfliktgesetz geregelt werden. Weil die Ampelkoalition keinen Entwurf vorgelegt hatte, versuchen es jetzt einige Abgeordnete selbst mit einem Gesetz. Doch bisher gibt es keine Mehrheit dafür.
FDP und Union unterstützen den Entwurf nicht. "Als CDU/CSU-Bundestagsfraktion werden wir uns mit aller Kraft dagegen wehren", erklärte unter anderem CSU-Politikerin Dorothee Bär.
Paus wirft Lindner Blockadehaltung vor
Der Blick nach vorn ist für Familienministerin Paus ungewiss - beim Rückblick auf die Ampel-Zeit aber wird sie klarer: Vor allem Ex-Finanzminister Christian Lindner wirft sie eine Vollblockade-Haltung vor. Monatelang hatten der FDP-Chef und sie öffentlich über die Kindergrundsicherung gestritten, die staatliche Leistungen wie Kindergeld oder Kinderzuschlag bündeln sollte. Rückblickend sagt Paus:
Auch in der Familienpolitik muss ich leider feststellen, waren es Zeiten, wo die FDP verschleppt hat, blockiert hat, ignoriert hat.
Für Paus ist das der Grund, warum die sogenannte Familienstartzeit nicht geklappt hat, das Elterngeld gekürzt werden musste und die Kindergrundsicherung nicht kommt. Die FDP weist Vorwürfe zurück und wirft Paus vor, ein handwerklich schlechtes Gesetz vorgelegt zu haben.
Kritik auch aus den eigenen Reihen
Paus selbst bleibt wegen der Kindergrundsicherung in der Kritik, Verbände verbinden auch die Familienministerin mit dem Scheitern des Projekts.
Aus ihrer eigenen Partei gibt es ebenso Unmut, wie beim Grünen-Parteitag am Wochenende deutlich wurde. Eine Kreisvorsitzende meinte: "Die Kindergrundsicherung, das ist so ein Schmerzthema." Sie habe damals gedacht: "Ich müsste jetzt austreten, weil wir uns da nicht ehrlich machen. Wir reden von sozialer Gerechtigkeit, reden aber nicht darüber, wer die Zeche zahlt." Viele hätten die Hoffnung in die Grünen beim Thema soziale Gerechtigkeit verloren.
Angesprochen auf die Kritik, verteidigt sich Paus im BR24-Interview, sie habe sich "intensiv darum bemüht". Auf die Nachfrage, ob keine Selbstkritik dabei sei, entgegnet die Ministerin: "Welchen Fehler hätten Sie gern?"
Nach drei Ampel-Jahren wirkt Paus dünnhäutig. Sie betont: Sie habe gekämpft, es sei nicht einfach gewesen, Gehör zu finden - "gerade mit Koalitionsspitzen, die selber noch keine Kinder haben".