Richtungsstreit der Ampelkoalition "Es muss auch mal knirschen"
Die Harmonie der Ampel nach der Klausurtagung währt nicht lange: SPD-Generalsekretär Kühnert will "um den richtigen Weg streiten" und setzt auf "ursozialdemokratische" Themen. Und während die FDP "Schluss mit Sozialreformen" sagt, protestieren SPD und Grüne.
Die Ampelkoalition ist zerstritten - immer noch. Daran hat auch die demonstrierte Harmonie bei der Kabinettsklausur in Meseberg nichts geändert.
Und das wird wohl auch in Zukunft so bleiben, glaubt SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert. Er hält Debatten in der Koalition für notwendig, um Ziele seiner Partei durchzusetzen. Mit vermeintlicher Harmonie bei Streitthemen könne man nichts herausholen. "Wir müssen um den richtigen Weg streiten. Und es muss auch mal dabei knirschen, wenn es für die richtige Sache ist", sagte Kühnert im ARD-Morgenmagazin.
Kühnert setzt auf sozialdemokratische Themen
Die SPD dürfe "nicht einfach nur treudoof abarbeiten, was wir uns im Koalitionsvertrag aufgeschrieben haben, sondern auch neue Impulse bringen". Von seiner Partei fordert Kühnert, sich stärker für sozialdemokratischen Themen in der Regierungskoalition einzusetzen. Und er verwies auf die "ursozialdemokratischen" Elemente in der Politik der Ampelkoalition, wie die Erhöhung des Mindestlohns, des Kindergelds und des Wohngelds sowie die Einführung des Deutschlandtickets.
Die hohe Inflation relativiere diese Errungenschaften jedoch im Alltag. Deswegen sei es "wichtig, die Kaufkraft zu stärken", sagte der SPD-Generalsekretär. Kühnert sprach sich im im ARD-Morgenmagazin erneut für die Einführung eines Industriestrompreises aus, den Bundeskanzler Olaf Scholz bisher ablehnt. Auch der Kanzler wisse, dass die energieintensiven Industrien Unterstützung bräuchten, versicherte Kühnert. Scholz und die SPD wollten jedoch "keine Dauersubvention und nicht Gießkanne".
SPD und Grünen: Kein Stopp von Sozialreformen
FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai hatte die Kindergrundsicherung gegenüber der "Bild"-Zeitung als "die letzte große sozialpolitische Reform dieser Legislaturperiode" bezeichnet. Es könne angesichts Inflation und hoher Zinsen nicht um eine Ausweitung des Sozialstaats gehen. Ähnlich hatte sich Finanzminister und FDP-Chef Christian Lindner schon beim Vorstellen der Einigung zur Kindergrundsicherung geäußert.
Politiker von SPD und Grünen kritisieren diese Ablehnung weiterer Sozialreformen. "Mir wäre neu, dass der Generalsekretär der FDP einfach so Vorhaben aus dem Koalitionsvertrag streichen kann", sagte der sozialpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Martin Rosemann, der "Bild"-Zeitung. "In dieser Legislaturperiode denke ich beispielsweise noch an das Rentenpaket, und das werden wir selbstverständlich wie vereinbart umsetzen."
Grünen-Fraktionsvize Andreas Audretsch verwies ebenfalls auf die geplante Rentenreform. "Wir haben als Ampel mit dem Bürgergeld eine wichtige Reform gemacht, um Menschen neue Chancen im Leben zu geben, wir schaffen mit der Kindergrundsicherung gerade einen Riesenschritt, um Familien aus der Armut zu holen, und selbstverständlich werden wir uns auch um eine gute und stabile Rente kümmern."
"Haben eine schlechte Bundesregierung"
Die Union sieht den Kurs der Regierung kritisch. "Deutschland hat keine schlechte Wirtschaft, sondern eine schlechte Bundesregierung", heißt es in einer 14-seitigen "Sauerländer Erklärung". Bei einem Treffen von CDU und CSU forderten die Unionsparteien, die schwächelnde Wirtschaft ankurbeln und zugleich Menschen und Unternehmen schnell und spürbar zu entlasten.
Der geschäftsführende Vorstand der CDU/CSU-Abgeordneten verabschiedete das Papier am Donnerstagabend unter Leitung von Fraktionschef Friedrich Merz und CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Das Maßnahmenpaket enthält Vorschläge der CDU/CSU-Oppositionsfraktion - umsetzen kann die Unionsfraktion diese derzeit alleine allerdings nicht.