Bundesfamilienministerin Anne Spiegel bei ihrem Besuch der Impfstraße für Kinder im Impfstützpunkt Rhein-Neckar
Porträt

Familienministerin Anne Spiegel Die Kompromisskandidatin

Stand: 29.12.2021 17:07 Uhr

Anne Spiegel bezeichnet sich selbst als leidenschaftliche Familienpolitikerin. Ihre Ernennung zur Ministern war dennoch eine Überraschung - auch, weil sie in Rheinland-Pfalz nicht unumstritten war.

Dieser Name war eine echte Überraschung: Bei den Personalspekulationen der Hauptstadtpresse hatte niemand Anne Spiegel auf dem Zettel, auch viele langjährige Parteifreunde hatten den Karrieresprung der Rheinland-Pfälzerin nicht kommen sehen.

Die neue Bundesfamilienministerin von den Grünen ist wohl, was man eine Kompromisskandidatin nennt. Dass der Realo Cem Özdemir und nicht der Parteilinke Anton Hofreiter Landwirtschaftsminister wurde, öffnete für Spiegel die Chance auf das Ministeramt.

Linker Parteiflügel

Die Rheinland-Pfälzerin ist klar dem linken Parteiflügel der Grünen zuzuordnen. Auf Bundesebene ist die 41-Jährige bislang kaum aufgefallen, auch wenn sie als Landesministerin regelmäßig an Sitzungen des Bundesrats teilnahm und Mitglied des Bundes-Parteirats der Grünen ist. An den Koalitionsverhandlungen im Bund war Spiegel für den Bereich Klimaschutz beteiligt.

Auch wenn Spiegels Berufung ins Bundeskabinett unerwartet kam, die nötige Fachexpertise bringt sie mit. Außerdem hat sie Regierungserfahrung in einem Ampelbündnis. Fünf Jahre lang führte sie in Rheinland-Pfalz das Familienministerium.

Feministin und Familienpolitikerin

Spiegel bezeichnet sich selbst als Feministin und leidenschaftliche Familienpolitikerin, die Themen Familie, Frauen und Jugend sind für sie Herzensthemen. Spiegel ist Mutter von vier Kindern, das jüngste bekam Spiegel, als sie bereits Ministerin war. Nach der Geburt wurde sie zwei Monate lang durch die Staatssekretärin vertreten.

Danach nahm Spiegel ihre kleine Tochter auch schon mal mit in den Bundesrat und in eine Kabinettssitzung. In ihrem Mainzer Büro gab es eine Kiste mit Spielzeug für ihre Kinder, die soll es auch in ihrem neuen Berliner Büro geben. Den allergrößten Teil der Familienarbeit aber übernimmt ihr Mann.

Spiegel ist in der Pfalz aufgewachsen. Als Kind will sie Pinguinforscherin werden. Sie entscheidet sich später, Politikwissenschaften, Philosophie und Psychologie zu studieren. Die Parteilinke ist gut vernetzt in der Partei, schon als Schülerin wird sie Mitglied im Vorstand der Grünen Jugend. Im Jahr 2011 wird sie mit 30 Jahren Landtagsabgeordnete in Rheinland-Pfalz, fünf Jahre später Familien- und Integrationsministerin in der rheinland-pfälzischen Ampelregierung.

Unter Druck

Das eher kleine Ministerium gewinnt in der Folge der Flüchtlingskrise an Bedeutung. Spiegel gerät in dieser Zeit unter Druck. Wegen umstrittener Entscheidungen in der Flüchtlingspolitik steht sie immer wieder in der Kritik. Spiegels Ministerium weist Behörden an, die Abschiebung einer libanesischen Familie auszusetzen - obwohl ein Gericht die Abschiebung als verhältnismäßig erklärt hat. Der Präsident des rheinland-pfälzischen Verfassungsgerichtshofs wirft der Ministerin im Jahr 2018 vor, sie habe ein Problem mit der Gewaltenteilung und akzeptiere gerichtliche Entscheidungen nicht. Zur persönlichen Belastungsprobe für die Ministerin werden Hass- und Drohbriefe bis hin zu Morddrohungen.

Als Ende 2017 ein junger Flüchtling aus Afghanistan im rheinland-pfälzischen Kandel ein 15-jähriges Mädchen ermordet, wird Spiegel massiv angefeindet. Sie bekommt Personenschutz.

Nach der Landtagswahl in diesem Frühjahr übernimmt Spiegel in der Neuauflage der Ampelregierung das für die Grünen wichtige Klimaschutz-Ministerium und wird stellvertretende Ministerpräsidentin. Der Wechsel ins Bundeskabinett ist für Spiegel nun der nächste Karrieresprung innerhalb eines halben Jahres.

Aufarbeitung der Flutkatastrophe

In Mainz befasst sich aktuell ein Untersuchungsausschuss des Landtags mit der Aufarbeitung der Flutkatastrophe im Ahrtal. Es geht unter anderem darum, ob gezielter gewarnt hätte werden müssen. Der Ausschuss untersucht dabei auch die Rolle des Klimaschutzministeriums und des ihm untergeordneten Landesamts für Umwelt. Das Amt hatte Pegel-Prognosen der Ahr am Tag der Katastrophe vorübergehend nach unten korrigiert, ein Irrtum. Landesamt und Ministerium teilten noch am Nachmittag der Katastrophe mit, es drohe kein Extremhochwasser.

Eine Flucht vor der Verantwortung sehen grüne Parteifreunde durch Spiegels Wechsel ins Bundeskabinett aber nicht. Schließlich werde sie dennoch zur Aufarbeitung beitragen. Im neuen Jahr wird die neue Bundesfamilienministerin sicherlich vom Untersuchungsausschuss in Mainz befragt werden.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete SWR Aktuell am 26. November 2021 um 19:33 Uhr.