Flüchtlingspolitik Wie die Ampel zur EU-Asylreform steht
Nach den Plänen der EU-Kommission soll es künftig schnelle Asylverfahren an der EU-Außengrenze geben. Wie steht die Ampelkoalition dazu - und welche Streitpunkte gibt es aktuell noch in der Asylpolitik?
Die Zahlen sprechen eine deutliche Sprache: Bis Ende April haben 101.981 Menschen einen Antrag auf Asyl in Deutschland gestellt. Das ist ein Anstieg um 78,4 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Niemand in der Ampel bestreitet den Handlungsbedarf, zumal die Hilferufe aus den Kommunen seit Monaten nicht abbrechen: Es fehle an Unterkünften, Schulplätzen, Geld.
An diesem Donnerstag liegen die Hoffnungen auf der EU, um den seit Jahren ungelösten Konflikt mit einer faireren Verteilung die Zuwanderung wieder in geordnete Bahnen zu lenken. Dann kommen die Innenminister der Mitgliedstaaten zusammen, um über die Gemeinsame Asyl- und Sicherheitspolitik zu verhandeln, kurz GEAS.
Keine Überraschungen in letzter Minute
Die Ampel werde dort mit geeinter Stimme sprechen, verspricht Regierungssprecher Wolfgang Büchner. Keine Überraschungen also in letzter Minute wie noch jüngst bei der Abstimmung zu den E-Fuels. Doch ganz so so einig sind sich die Koalitionspartner nicht.
Für die Grünen ist es ohnehin schwer zu verkraften, dass Schutzsuchende nach den derzeitigen Plänen bereits vor Eintritt in die EU an den Außengrenzen überprüft werden sollen. Denn das bedeutet auch, dass die Menschen dort in Einrichtungen untergebracht werden müssen. Die Verfahren an den Grenzen können bis zu 14 Wochen lang dauern.
Ausnahmen für Kinder
Es sollen zwar Ausnahmen gelten, vor allem für Kinder. Doch wer als Kind gilt, ist strittig. Die EU-Kommission schlägt vor, dass die Ausnahme nur für unter 12-Jährige gelten soll. Dem schließt sich die FDP an - im Gegensatz zu den Grünen. Sie wollen allen unter 18 Jahren das Prozedere an den Außengrenzen ersparen.
"Ich bin irritiert, dass an den EU-Außengrenzen Kinder festgesetzt werden sollen", sagte der grüne Co-Parteichef Omid Nouripour, ohne aber mit dem Finger auf den Koalitionspartner zu zeigen. Nur so viel: "Wir werden uns dagegenstemmen!"
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der FDP, Konstantin Kuhle, erklärt gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio: "Die Chance, einen Kompromiss auf europäischer Ebene zu finden, sollte jetzt nicht durch weitere rote Linien beeinträchtigt werden." Die Fronten stehen.
Faeser wirbt für Ausnahme unter 18
Bundesinnenministerin Nancy Faeser teilt die Bedenken der Grünen und möchte mit dieser Position auch in die Verhandlungen auf EU-Ebene gehen. Sie würde sich hier aber nicht verkämpfen, heißt es aus Regierungskreisen.
Am Rande eines Ministertreffens in Antwerpen sagte die SPD-Politikerin zudem, dass die Grenzverfahren ohnehin nur für Menschen aus Herkunftsstaaten mit geringen Schutzquoten vorgesehen seien. Die meisten Asylbewerber mit minderjährigen Kindern stammten aber aus Staaten mit hohen Anerkennungsquoten wie Syrien und Afghanistan.
Uneinigkeit bei Abschiebungen
Doch auch bei der Frage, wie mit abgelehnten Asylsuchenden umzugehen ist, die bereits im Land sind, gibt es noch Klärungsbedarf unter den drei Ampelparteien. So fordert die SPD die Liste der sogenannten Sicheren Herkunftsländer zu erweitern, mit der Abschiebungen erleichtert werden können. Das stößt auf wenig Begeisterung bei den Grünen.
Auch der Vorschlag aus der FDP, "Pull-Faktoren" zu minimieren, um Deutschland für Migranten weniger attraktiv zu machen, stößt bei den Grünen auf Ablehnung. "Die Kommunen sagen deutlich, dass Sachleistungen teurer sind. Man muss Bürokratien aufbauen. Wir sind auf der Bundesebene dazu angehalten, die Lage für die Kommunen zu vereinfachen nicht noch komplizierter zu machen", so Nouripour.
Union fordert eine Kommission
Ein weiterer Vorschlag kommt aus den Reihen der Union. Nachdem Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) schon für eine Verschärfung des Asyl-Grundrechts geworben hatte, hat er in der vergangenen Woche auch eine Kommission aus Bund, Ländern und Gemeinden für eine neue Asylpolitik ins Spiel gebracht.
"Diesen Vorschlag mache ich mir gern zu eigen", sagte CDU-Chef Friedrich Merz im ZDF. Doch vor allem die Grünen nähmen die Schwierigkeiten zu wenig ernst. "Dann wird das Problem größer", meint Merz. Umso größer werde dadurch die AfD.