Kurs der Ampel Wer in der Außenpolitik das Sagen hat
Nach einer Regierungserklärung im Bundestag reist Kanzler Scholz zum EU-Gipfel. Außenpolitik ist Chefsache. Mit der Chefin im Außenamt liegt er jedoch nicht immer auf Kurs. Und dann mischt noch ein Dritter mit.
So sehr sich Olaf Scholz und Annalena Baerbock auch Mühe geben, den Eindruck einer Ampel-Außenpolitik aus einem Guss zu erwecken - zu oft hat dieses Bild zuletzt Risse bekommen. Deutlich sicht- und hörbar wurde dies im Umgang mit China. Als Kanzler Scholz gegen den Willen von sechs Kabinettsmitgliedern den Einstieg des chinesischen Staatskonzerns Cosco im Hamburger Hafen durchzudrücken suchte, machte Baerbock aus ihrer Ablehnung wegen der daraus folgenden, steigenden Abhängigkeit kein Geheimnis: "Dass wir einen Fehler, den die Bundesrepublik in den letzten Jahren mit Russland gemacht hat, wiederholen könnten, müssen wir verhindern", sagte die Außenministerin in der ARD. Deutliche Worte.
Tipps aus Usbekistan für den Kanzler
Und damit die Botschaft im Kanzleramt auch wirklich ankam, gab Baerbock nur wenige Tage später Scholz vorsichtshalber noch ein paar Ratschläge mit auf den Weg, bevor der sich auf die Reise nach China machte: Sie erinnerte den Kanzler an die geplante neue China-Strategie und daran, dass Peking eben nicht mehr nur Partner, sondern "dass China auch Wettbewerber und in zunehmendem Maße systemischer Rivale ist". Es war ein zumindest ungewöhnlicher Vorgang, dem Kanzler von einer Dienstreise im fernen Usbekistan aus Verhaltenstipps mit auf den Weg zu geben. Doch in der Konsequenz nur logisch, hatte die Grünen-Politikerin doch durchblicken lassen, dass sie den Reisezeitpunkt - kurz nachdem sich Präsident Xi mit neuer Machtfülle hatte ausstatten lassen - unglücklich fand.
Scholz rechtfertigte sich ein paar Wochen später: Ohne diese Reise wäre die überraschend deutliche Verurteilung Russlands beim G20-Gipfel in Bali nicht möglich gewesen. Dabei geholfen habe zum Beispiel sein Besuch in China und "die klaren Worte, die auch der chinesische Präsident in dieser Frage mit mir gemeinsam gefunden hat".
Nicht nur stilistische Unterschiede
Mehrfach ist in den vergangenen Monaten deutlich geworden, wie sehr sich der SPD-Kanzler und die grüne Außenministerin nicht nur stilistisch, sondern in Grundsatzfragen unterscheiden: Bis Wochen vor Beginn des russischen Angriffskriegs verteidigte Scholz die Russland-Pipeline Nordstream 2 noch als "privatwirtschaftliches Projekt", wohingegen die Grünen die Leitung seit Jahren als "strategischen Fehler" gebrandmarkt hatten.
Der russische Angriffskrieg und die "Zeitenwende"- Rede des Kanzlers konnten dann einige Unterschiede einebnen, gerade mit Blick auf Russland. Doch nicht alle: Immer wieder wurde offenbar, dass man sich im Außenministerium deutlich schnelleres und entschlosseneres Handeln mit Blick auf Waffenlieferungen in die Ukraine wünschte, als dies vom Kanzleramt vorgesehen war.
Realpolitik oder Wertepolitik
Das sei keine "Politik aus einem Guss", sondern vielmehr eine "Mosaikanordnung", spottete der Unionsfraktionsvize Johann Wadephul im Interview mit dem ARD-Hauptstadtstudio über die Außenpolitik der Ampel. "Der Bundeskanzler versucht Realpolitik, die Außenministerin versucht Wertepolitik und die FDP ist nicht zu erkennen." So könne man keinen Einfluss in Europa und der Welt ausüben, meinte Wadephul.
Nun ist der Eklat, der große öffentliche Knall, im Streit um den richtigen Kurs in der Außenpolitik bislang ausgeblieben. Doch werden die Dinge zusätzlich verkompliziert durch einen dritten Minister: Robert Habeck von den Grünen, der auch zu einer Art "Außenpolitiker wider Willen" geworden ist. Egal, wohin der Wirtschaftsminister reist, ob nach Kanada mit dem Kanzler, nach Katar oder Südafrika - überall geht es um den Einkauf von Energie. Und Energiepolitik ist in diesen Zeiten der Zeitenwende mehr denn je Außenpolitik. "Es ist deutlicher geworden, wie politisch Wirtschaftspolitik geworden ist", sagte Habeck kürzlich.
Natürlich hat auch sein Ministerium bei der künftigen China-Strategie der Bundesregierung ein wichtiges Wort mitzureden. Die wird federführend in Baerbocks Außenministerium erstellt. Die Tatsache, dass die Außenministerin vergangene Woche zum China-Rivalen nach Indien reiste, muss man noch nicht als Kampfansage an den Kanzler und dessen Peking-Kurs interpretieren. Die Visite ließe sich auch als eine Art Arbeitsteilung verkaufen.
Doch die neue China-Strategie der Bundesregierung, die Anfang kommenden Jahres fertig sein soll und an der alle drei - Scholz, Baerbock und Habeck - mitschreiben, könnte zum außenpolitischen Testfall für die Ampel werden.