Annalena Baerbock
analyse

Baerbock in Nahost Bewährungsprobe für deutsch-israelische Freundschaft

Stand: 26.06.2024 09:07 Uhr

Tel Aviv, Ramallah, Beirut: Die achte Nahost-Reise der Bundesaußenministerin endet mit großen Sorgen vor einem Zweifrontenkrieg. Baerbocks Kritik an der israelischen Regierung wurde deutlicher und härter.

Eine Analyse von Kerstin Palzer, ARD Berlin

Es ist nicht leicht, als deutsche Außenministerin einem Land wie Israel Vorwürfe zu machen. Erst recht nicht nach den Hamas-Angriffen im vergangenen Oktober. Es ist ein Balanceakt, wie immer, wenn es um das Verhältnis zwischen Deutschland und Israel geht. Baerbock wiederholt die Position der Bundesregierung, dass Israel ein Recht auf Verteidigung hat. Aber sie sagt auch deutlich, dass es angesichts der Bilder vom Leid in Gaza Wut gibt. Und dass diese Wut Israel nicht helfen wird, sondern dass diese Wut nur der Hamas helfen und die Situation weiter eskalieren wird.

"Wir wollen nicht, dass Israel sich selbst verliert in diesem Krieg"

"Wir wollen nicht, dass Israel sich selbst verliert in diesem Krieg", sagt sie auf einer Sicherheitskonferenz in Tel Aviv. Da steht eine deutsche Außenministerin und prangert die "verstörenden Berichte" aus dem Gazastreifen an, spricht über die Misshandlungen von palästinensischen Gefangenen. Es ist sehr still im Saal der israelischen Universität Herzlija, aber etliche Zuhörer nicken.

Baerbock warnt Israel davor, sich zu isolieren

Es verschiebt sich etwas im Verhältnis zwischen Deutschland und Israel. Die Kritik der deutschen Außenministerin wird deutlicher, härter, konkreter. Baerbock warnt die israelische Regierung davor, sich international zu isolieren. Langfristig gäbe es eine Sicherheit für Israel nur zusammen mit einer Sicherheit für die Palästinenser. Und gemeinsam mit den Partnern in der Region. Viele Worte für einen Begriff: die Zwei-Staaten-Lösung.

Weiterreise nach Ramallah

Insofern ist es fast logisch, dass die Ministerin am nächsten Morgen nach Ramallah ins Westjordanland fährt. Erst seit April ist der amtierende Premierminister dort im Amt. Mohammad Mustafa gilt als Technokrat. Aber so ein Typus Politiker hilft in der aufgeheizten Situation vielleicht mehr als andere.

Annalena Baerbock und Mohammad Mustafa

In Ramallah traf Baerbock auf den neuen Premier Mustafa.

Die Situation in den palästinensischen Gebieten ist auch außerhalb des Gazastreifes schwierig. "Wir stehen vor einem Kollaps, vor einem Abgrund", sagen Regierungsvertreter in Ramallah. Seit Monaten schon hat Israel die Zahlungen aus Zoll -und Steuereinkünften für Palästina eingestellt. Eigentlich erhebt Israel dieses Geld nur und gibt es an die Palästinensische Autonomiebehörde weiter.

Aber nun sind diese Zahlungen gestoppt. Gerade muss die Regierung in Ramallah mit gerade mal einem Viertel der sonstigen Einkünfte auskommen. 180.000 Menschen verdienen nur noch 50 Prozent ihres sonstigen Gehaltes, Lehrerinnen, Ärzte, Menschen in der Verwaltung. Die Verantwortlichen in Ramallah sprechen von einer wirtschaftlichen Blockade durch Israel.

Und auch der Apell von Regierungschefs Mustafa verhallt, als er Deutschland auffordert, Palästina als Staat anzuerkennen.

Auf Umwegen nach Beirut

Und dann noch Beirut, der letzte Ort der Reise. Weil Israel und der Libanon formal im Krieg sind, gibt es keine Flugverbindungen zwischen Tel Aviv und Beirut. Um trotzdem dorthin zu gelangen, fliegt die deutsche Regierungsmaschine von Israel erst mal nach Zypern, täuscht dort eine Landung an - nur, um wenige Meter über der Landebahn wieder durchzustarten und Kurs auf Beirut zu nehmen. Der Nahost-Konflikt, er treibt skurrile Blüten, selbst im Flugverkehr.

Baerbock bringt eine Zusage auf Unterstützung mit: 18 Millionen Euro für die humanitäre Hilfe, denn im Libanon leben etwa 1,5 Millionen syrische Geflüchtete.

Angst vor einer zweiten Front im Libanon

Klar wird im Libanon aber auch ganz schnell: Hier droht der nächste Krieg. Die Hisbollah kämpft an der Grenze zu Israel, an der sogenannten Blue Line. Und diese Miliz ist deutlich besser ausgerüstet als die der Hamas. Egal, mit wem man spricht, überall hört man wenig Hoffnung, dass diese zweite Front in naher Zukunft befriedet wird. Eher geht man hier vom Gegenteil aus. Das würde bedeuten: Ein Krieg für Israel an zwei Fronten, im Gazastreifen und im Norden des Landes, wo bereits Zehntausende Israelis geflohen sind vor den Raketen der Hisbollah.

Diese Perspektive scheint nach Baerbocks Reise das traurige, frustrierende Fazit zu sein. Eine Region bereitet sich auf die nächste Eskalation vor. Ein noch schlimmerer Krieg an zwei Fronten scheint für Israel durchaus vorstellbar.

Wenn man jeden Monat einen Freund in einer schwierigen Situation besucht und der dann die Ratschläge nicht mehr hören will, wird der Ton rauer, aber auch ehrlicher. So scheint es jetzt zwischen Deutschland und Israel.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 26. Juni 2024 um 09:23 Uhr.