Wahlkampf in Bayern Außerhalb des grünen Bereichs
Im bayerischen Wahlkampf sind landespolitische Themen vielfach auf der Strecke geblieben. CSU und Freie Wähler trommelten gegen die Ampel, insbesondere gegen die Grünen. Doch es gab auch echte Aufreger.
Für die letzten Tage des bayerischen Landtagswahlkampfs hat die CSU eine neue Internet-Kampagne gestartet: Auf dem linken Foto erstrahlt bayerische Idylle in bunten Farben, das rechte Bild zeigt Tristesse in Schwarz-Weiß. Und dann steht da: "JA zu Bayern - NEIN zur Ampel." Es ist ein Motto, das sinnbildlich für weite Strecken des Landtagswahlkampfs der bayerischen Regierungsparteien steht.
Sowohl die CSU als auch die Freien Wähler führten schon einen Anti-Ampel-Wahlkampf, bevor der Wahlkampf richtig begonnen hatte. Die Kritik wurde zwar mit bayerischen Interessen begründet, wirklich landespolitische Themen aber blieben vielfach auf der Strecke in den vergangenen Wochen - auch, weil es der Opposition nicht gelang, mit ihren Ideen durchzudringen. Und "JA zu Bayern" heißt für die CSU im Grunde, dass alles so bleiben soll, wie es ist. Auch in ihrem mit 24 Seiten recht überschaubaren "Regierungsprogramm" mit dem Titel "In Bayern lebt es sich einfach besser" erhoben die Christsozialen das "Weiter so" zum Prinzip.
Weiter so - natürlich mit ihm: Markus Söder macht Werbung in eigener Sache.
Bildung spielte keine Rolle
Nachdem CSU-Chef Markus Söder zu Jahresbeginn angekündigt hatte, besonders die Schulpolitik zur "Top-Priorität" zu machen, enthält das CSU-Programm das Versprechen zusätzlicher Lehrer und weiterer Tablets. Im Wahlkampf spielte Bildung aber keine große Rolle. Dabei wollte beispielsweise die FDP mit Ideen für eine grundlegende Bildungsreform punkten, während die Grünen über kostenloses Schulessen und mehr Kitaplätze sprechen wollten. Dennoch wurde selbst dann nicht um Bildungskonzepte gerungen, als zum Start ins Schuljahr einmal mehr der Lehrermangel in Bayern deutlich wurde.
Vor allem Grüne und SPD versuchten, die Regierung bei der Energiepolitik zu stellen. Die Kritik am verschleppten Bau von Stromtrassen und Windrädern konterte Söder mit der Behauptung, Bayern sei Spitzenreiter beim Ausbau der erneuerbaren Energie - was, wie so oft, eine Frage der Interpretation der Zahlen ist.
Bei Windrädern rang sich die CSU im Frühjahr schließlich dazu durch, die umstrittene 10H-Abstandsregelegel zumindest zu lockern. Eine Entscheidung, die zwar viel mit Druck aus Berlin zu tun hatte, für die sich Söder im Wahlkampf aber immer wieder lobte. Deutlich lieber als über bayerische Windräder sprachen Söder und sein politischer Partner Hubert Aiwanger von den Freien Wählern aber über das sogenannte Heizungsgesetz des Bundes und die Ampel-Entscheidung, am Atom-Ausstieg festzuhalten.
Die SPD wollte auch mit der Forderung nach bezahlbarem Wohnen punkten - einem Themenkomplex, bei dem die Sozialdemokraten eine große Angriffsfläche bei Schwarz-Orange ausmachten, schließlich ist die Staatsregierung beim Wohnungsbau weit hinter ihren eigenen Zielen zurückgeblieben. CSU und Freie Wähler lenkten die öffentliche Aufmerksamkeit aber auf Haus- und Wohnungseigentümer, indem sie sich den Kampf gegen die Erbschaftssteuer auf die Fahnen schrieben, obwohl darüber nicht der Landtag entscheidet.
Das Lieblingsthema der AfD - die Migrationspolitik - versuchte Söder dieses Mal, lange aus dem Wahlkampf herauszuhalten. 2018 hatte er sich für seine rhetorische Annäherung an die AfD ("Asyltourismus") viel Kritik eingehandelt, steuerte dann um und versprach, diesen "Fehler" nicht mehr zu wiederholen. In der letzten Wahlkampfphase wurde das Thema aber bundesweit zunehmend dominant, sodass der CSU-Chef nicht daran vorbeikam. Söder versuchte mit der Forderung nach einer "Integrationsgrenze" in die Offensive zu kommen - auch mit Blick auf den koalitionsinternen Wettstreit mit den Freien Wählern.
Die Grünen und das "Bayern-Gen"
Der Koalitionspartner ist Konkurrent der CSU bei konservativen Wählern, teilweise auch die AfD. Vor diesem Hintergrund ist auch das Dauerfeuer gegen die Grünen in diesem Wahlkampf zu sehen. Söder sprach den Grünen ein "Bayern-Gen" ab, wetterte gegen "Umerziehungsideen" und erntete regelmäßig Jubel für sein Nein zu Schwarz-Grün in Bayern. Aiwanger warf den Grünen vor, "Deutschland kaputtmachen" zu wollen, schimpfte auf "links-grünen Gender-Gaga" und stilisierte sich zum "Anti-Grünen". Als besonders dankbares Publikum für Anti-Grünen-Polemik erwiesen sich die Zuhörer in den Bierzelten, die Söder und Aiwanger in diesem Wahlkampf unermüdlich abklapperten.
Vor allem im Wahlkampf-Endspurt ging auch die um den Wiedereinzug in den Landtag kämpfende FDP zunehmend auf Distanz zu den Grünen: "Bayern braucht keine Verbotspolitik", heißt es beispielsweise im Wahlwerbespot der Liberalen.
Die Grünen sahen sich bei Wahlkampfveranstaltungen Anfeindungen, Pfiffen und "Hau ab"-Rufen ausgesetzt. Für die aufgeheizte Stimmung machten sie insbesondere Söder und Aiwanger mitverantwortlich, beklagten Polarisierung und Populismus. Mitte September kam es zu einem Steinwurf aufs Podium bei einer Grünen-Kundgebung in Neu-Ulm, verletzt wurde niemand. Gleich mehrere Parteien beklagten, dass Plakate häufiger als in früheren Wahlkämpfen beschmiert oder zerstört worden seien.
Am Mittwoch vor der Wahl sorgte die AfD für Wirbel, als sie von einem "tätlichen Übergriff" auf ihren Bundeschef Tino Chrupalla am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Ingolstadt berichtete. Tatsächlich wurde der Politiker in ein Krankenhaus gebracht, die Ursache seiner Beschwerden war aber unklar. Laut Staatsanwaltschaft liegen bisher "keine Erkenntnisse vor, dass Herr Chrupalla angegangen oder angegriffen wurde".
Aufregung um Aiwanger
Und dann war da noch die Aufregung um Hubert Aiwanger. Nachdem CSU und Freie Wähler in ihrem Kampf gegen die Ampel lange einträchtig vorgingen, verschärfte Aiwanger mit seiner Rede auf der Erdinger Demo gegen das "Heizungsgesetz" seine Rhetorik. Damit zwang er der CSU eine innerbayerische Auseinandersetzung auf, die eine neue Dynamik in den Wahlkampf brachte. Söder distanzierte sich von der Wortwahl seines Ministers, der sich durch den Jubel in Bierzelten aber bestätigt sah und unbeirrt bei seiner Strategie blieb.
Aus der Debatte über ein antisemitisches Flugblatt, mit dem Aiwanger als Schüler erwischt worden war, gingen die Freien Wähler dann sogar gestärkt hervor und legten in Umfragen zu. Die CSU reagierte mit neuen Attacken gegen die Grünen, aber auch mit Spitzen gegen den bisherigen Koalitionspartner.