Diskussion über Sozialleistung Heil will an Bürgergeld-Erhöhung nicht rütteln
Trotz Haushaltskrise soll laut Arbeitsminister Heil die Anpassung des Bürgergelds kommen. Alles andere sei mit der Verfassung nicht vereinbar. Auch Wohlfahrtsverbände zeigten sich angesichts der Sparforderungen von FDP und Union entsetzt.
Es klafft ein gewaltiges Loch im Haushalt nach dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Nun soll gespart werden. Nur wo? Geht es nach FDP und Union soll unter anderem die Anpassung des Bürgergelds gestrichen werden. Doch bei Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Wohlfahrtsverbänden stößt das auf vehemente Kritik.
Es sei moralisch unverantwortlich und mit der Verfassung nicht vereinbar, Bürgergeldberechtigten eine Anpassung der Regelsätze zu verwehren, sagte Heil.
"Deutschland ist und bleibt ein sozialer Rechtsstaat"
Das Bürgergeld bringe Menschen in Arbeit und sichere zugleich die Existenz von Menschen in Not ab, betonte der Arbeitsminister. Dazu zählten Alleinerziehende, Kinder und Jugendliche, Kranke, Menschen mit Behinderung und Rentner. Sie seien angesichts stark gestiegener Strom- und Lebensmittelpreise auf ergänzende Leistungen angewiesen.
"Deutschland ist und bleibt ein sozialer Rechtsstaat. Anstand, Solidarität und Nächstenliebe sind eine Stärke unserer Gesellschaft", sagte der SPD-Politiker. Deshalb werde die Anpassung auch stattfinden, sicherte der Minister zu.
"Existenzsicherung nach Kassenlage verstößt gegen Sozialstaat"
Der Wohlfahrtsverband Diakonie argumentierte mit der Verfassung. Diakonie-Präsident Ulrich Lilie sagte, eine Existenzsicherung nach Kassenlage verstoße gegen die Grundprinzipien des Sozialstaates und gegen das Verfassungsrecht.
Es gebe viele Menschen, die es trotz massiver Bemühungen nicht schafften, aus der Armut herauszukommen. Das liege auch am Niedriglohnsektor, in dem Menschen häufig in Vollzeit arbeiteten und trotzdem nicht genug zum Leben hätten.
Ähnlich argumentierte die Caritas. Die Präsidentin der Organisation, Eva Maria Welskop-Deffaa, sagte, es sei "fatal", nach dem Karlsruher Urteil hauptsächlich bei sozialen Ausgaben zu sparen. Leistungen wie frühe Hilfen, Kitas und Jugendsozialarbeit seien Zukunftsinvestitionen, sagte sie im Interview mit dem "Redaktionsnetzwerk Deutschland".
Paritätische: Erhöhung gleicht nur die Inflation aus
Dem Paritätischen Gesamtverband zufolge gleicht die geplante Bürgergelderhöhung nur die Inflation aus und ist als solche sogar zu gering. Nach Berechnungen der Forschungsstelle des Verbandes müsste der Regelsatz auf mindestens 813 Euro für alleinstehende Erwachsene angehoben werden, um vor Armut zu schützen.
Die aktuell abflachende Inflationsrate als Begründung für Kürzungen beim Bürgergeld heranzuziehen, geht nach Ansicht des Verbandes an der Sache vorbei. So sei das allgemeine Preisniveau seit 2021 um 13 Prozent gestiegen, die Preise für Lebensmittel seien im Zwei-Jahres-Vergleich um 27 Prozent gestiegen. Real und an Kaufkraft gemessen hätten die Menschen damit weniger im Portemonnaie als vorher.
Habeck-Berater empfehlen Reform der Schuldenbremse
Wie viel für Sozialleistungen aufgebracht werden kann, hängt auch mit der Schuldenbremse zusammen. Berater von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck sprechen sich einem Bericht zufolge für weitreichende Anpassungen der Schuldenbremse aus. Die derzeitigen Regeln schüfen "Fehlanreize", durch die der Staat zu wenig investiere, heißt es nach Angaben des "Handelsblatts" in einem Gutachten des wissenschaftlichen Beirats des Ministeriums. Demnach fordern die Experten eine Neuausrichtung der Finanzpolitik mit der Möglichkeit höherer Schulden für Investitionen.
Die Schuldenbremse im Grundgesetz beschränkt die zulässige staatliche Neuverschuldung auf 0,35 Prozent des Bruttoinlandsprodukts. Der Grundgedanke ist, zukünftigen Generationen keinen zu großen Schuldenberg zu hinterlassen. Die Regelung war zuletzt zunehmend in Kritik geraten, weil sie Investitionen verhindere.
Habecks Berater fordern nun laut "Handelsblatt", die Beschränkung für staatliche Konsumausgaben wie Sozialtransfers beizubehalten, jedoch die Aufnahme von Schulden für Zukunftsinvestitionen zuzulassen. Dies beseitige "Verzerrungen" der Politik zulasten der jüngeren Generationen durch ausbleibende Investitionen.
Scholz: "Konstruktive" Gespräche über Haushalt
Wann der Haushalt 2024 beschlossen werden soll, ist noch offen. Man sei "intensiv dran", sagte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD). "Das läuft - wie ich finde als Teilnehmer der Gespräche - sehr konstruktiv, mit dem Willen und der Absicht, sich zügig und schnell zu verständigen."
Er sei sehr zuversichtlich, dass man schnell vorankomme und Sicherheit für die Zukunft bieten könne, sagte Scholz weiter. Die aktuelle Situation, dass zum Jahresende noch über den Haushalt dringend beraten werden müsse, gebe es auch immer nach Bundestagswahlen. "Wir sind jetzt dabei, das einfach schneller und sehr, sehr zügig jetzt zu lösen, damit ganz schnell Klarheit herrscht. Und wir werden Ihnen sagen, wann wir fertig sind."