Bürgergeld" ist auf der Homepage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales durch eine Brille zu lesen.
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Haushaltsdebatte Höheres Bürgergeld stoppen - geht das eigentlich?

Stand: 05.12.2023 16:28 Uhr

Um das Milliardenloch im Haushalt zu stopfen, fordern Politiker von CDU und FDP, die Erhöhung des Bürgergelds für 2024 zu stoppen. Geht das so einfach - und wie setzt sich das Bürgergeld zusammen? Ein Überblick.

Seit Tagen ringen Bundeskanzler Olaf Scholz, Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner hinter verschlossenen Türen um Wege aus dem Milliardenloch im Haushalt. Lindner beziffert es auf 17 Milliarden Euro.

Als einen Sparbereich hatte Lindner den Bereich Soziales ausgemacht - darunter das Bürgergeld. Aus Union und FDP gibt es Forderungen, die Erhöhung um durchschnittlich zwölf Prozent Anfang 2024 zu stoppen.

Warum wird das Bürgergeld Anfang 2024 so stark erhöht?

Zum Jahresanfang 2024 steigt das Bürgergeld für über fünf Millionen Erwachsene und Kinder in der Grundsicherung um bis zu 61 Euro im Monat. Die Berechnungsgrundlagen, wie stark das Bürgergeld angehoben werden soll, sind gesetzlich festgelegt. Die genaue Erhöhung wird jedes Jahr bis Ende Oktober vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales festgesetzt. Die Inflationsentwicklung vom November 2023 werde sich also erst in der Anpassung der Regelsätze zum 1. Januar 2025 abbilden, heißt es aus dem Sozialministerium.

Ein Sprecher des von SPD-Politiker Hubertus Heil geführten Ministeriums wies am Montag darauf hin, dass bei der Berechnung nicht die allgemeine Inflationsrate eine Rolle spiele, sondern ein "regelbedarfsrelevanter Preisindex". In diesem Index würden etwa Lebensmittel, bei denen die Inflationsrate überdurchschnittlich ausfällt, besonders stark gewichtet.

Während die Inflationsrate in Deutschland laut Statistischem Bundesamt im November voraussichtlich 3,2 Prozent betrug und damit auf dem niedrigsten Stand seit Juni 2021 war, stiegen die Verbraucherpreise für Nahrungsmittel weiterhin um 6,1 Prozent. Durch die Preissteigerungen der Vormonate lagen die Preise für Lebensmittel außerdem ohnehin auf einem hohen Niveau.

So sieht die geplante Erhöhung der Regelbedarfe konkret aus:

Erhöhung des Bürgergelds
Aktueller Regelsatz Regelsatz ab 2024
Alleinstehende 502 Euro 563 Euro
Paare je Partner/Bedarfsgemeinschaften 451 Euro 506 Euro
Volljährige in Einrichtungen 402 Euro 451 Euro
Jugendliche von 14 bis 17 Jahren 420 Euro 471 Euro
Kinder von 6 bis 13 Jahren 348 Euro 390 Euro
Kinder von 0 bis 5 Jahren 318 Euro 357 Euro

Quelle: Bundesregierung

Wie wird das Bürgergeld berechnet?

Die Regelbedarfe für das Bürgergeld werden nach Angaben des Sozialministeriums auf Basis der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe (EVS) ermittelt. Das ist eine amtliche Statistik über die Lebensverhältnisse privater Haushalte in Deutschland. "Sie liefert unter anderem statistische Informationen über die Ausstattung mit Gebrauchsgütern, die Einkommens-, Vermögens- und Schuldensituation sowie die Konsumausgaben privater Haushalte", schreibt das Statistische Bundesamt. Alle fünf Jahre werden auf freiwilliger Basis private Haushalte befragt, zuletzt wurde die Befragung 2018 durchgeführt.

Im monatlichen Regelbedarf berücksichtigt das Sozialministerium mithilfe einer Sonderauswertung nur die Verbrauchsausgaben der Haushalte im unteren Einkommensbereich, also der unteren zwanzig Prozent. Es ermittelt also, wie viel Geld einkommensschwache Haushalte im Durchschnitt für Ernährung, Kleidung, Wohnungsausstattung, Körperpflege, Hausrat, Strom für Beleuchtung und Geräte sowie persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens einschließlich einer Teilhabe am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft ausgeben.

"Weil es sich dabei um statistisch ermittelte Durchschnittswerte handelt, sind keine Rückschlüsse auf individuelles Ausgabenverhalten möglich", schreibt das Sozialministerium. Die Verbrauchsausgaben dienten lediglich dazu, ein Monatsbudget zu ermitteln. Weil die Preise sich ab dem Erhebungsjahr weiterentwickeln, wird das monatliche Budget des Regelbedarfs jeweils bis zur nächsten Erhebung fortgeschrieben. Dabei wird die Preisentwicklung aller relevanten Güter und Dienstleistungen mit einem Anteil von 70 Prozent und die Veränderungsrate der Nettolöhne und -gehälter mit einem Anteil von 30 Prozent berücksichtigt.

Kann die Bürgergeld-Erhöhung gestoppt werden?

Sozialminister Heil erteilte diesem Wunsch eine Absage. Es sei "moralisch unverantwortlich und mit der Verfassung nicht vereinbar", den Betroffenen eine Anpassung der Regelsätze zu verwehren, erklärte der SPD-Politiker am Montag. Ein Sprecher des Ministeriums erklärte auf Anfrage des ARD-Hauptstadtstudios, es gebe keine entsprechenden Pläne, "die gesetzlich vorgeschriebene Anpassung des Regelsatzes zum 1. Januar 2024 nicht vorzunehmen". Auch Regierungssprecher Steffen Hebestreit sagte: "Ich wüsste nicht, dass es innerhalb der Bundesregierung Pläne gibt, an der gesetzlichen Grundlage etwas zu verändern."

Bundestag und Bundesrat haben die Erhöhung bereits gesetzlich verabschiedet. Ein Verzicht auf eine Erhöhung ist laut der Bundesagentur für Arbeit (BA) technisch nun auch nicht mehr möglich. "Die Auszahlungsprozesse laufen bereits", sagte ein Sprecher der Arbeitsagentur den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Es sei technisch nicht mehr möglich, für Januar 2024 andere als die bisher veröffentlichten Werte umzusetzen, fügte er hinzu.

Hinzu kommt: Das Bundesverfassungsgericht hat in einem Urteil 2010 festgelegt, dass die Grundsicherung ein menschenwürdiges Existenzminimum gewährleisten muss. Das Existenzminimum soll in einem transparenten, nachvollziehbaren Verfahren erhoben werden. Dieses Verfahren wurde auch bei der aktuellen Erhöhung eingehalten.