Streit um Bürgergeld Lindner offen für Änderungen
Am Montag soll der Bundesrat über das Bürgergeld abstimmen. Doch die Union könnte die Pläne scheitern lassen. Finanzminister Lindner signalisierte Kompromissbereitschaft. Man könne über alles verhandeln. Unionschef Merz äußerte sich skeptisch.
Der Bundestag hat das Bürgergeld bereits abgesegnet - kommende Woche ist dann der Bundesrat am Zug. CDU und CSU lehnen die Sozialreform aber in entscheidenden Punkten ab und machen keine Anstalten, von ihrer Blockade-Haltung abzurücken.
Es ist deshalb äußerst wahrscheinlich, dass die Pläne im Vermittlungsausschuss landen. Bundesfinanzminister Christian Lindner hat nun Gesprächsbereitschaft bekundet. "Wir gehen offen in ein Vermittlungsverfahren", sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Man könne über alles verhandeln.
Regelsatz auf 502 Euro
Die Koalition von SPD, Grünen und FDP hatte am Donnerstag ihr größtes sozialpolitisches Reformprojekt durch den Bundestag gebracht. Das Bürgergeld soll zum Jahreswechsel das heutige Hartz-IV-System ersetzen. Die Pläne der Regierung sehen unter anderem eine Erhöhung des Regelsatzes von 449 Euro für Alleinstehende auf 502 Euro vor.
Arbeitslose sollen zudem künftig weniger durch einen angedrohten Leistungsentzug unter Druck gesetzt und dafür bei Weiterbildungsmaßnahmen stärker unterstützt werden. Zudem sollen Vorgaben zur erlaubten Vermögenshöhe und zur Wohnungsgröße bei Leistungsbeziehern gelockert werden.
Lindner: belohnen und nicht bestrafen
Einig sind sich die Ampel-Parteien mit der Union lediglich darüber, dass der Regelsatz um 53 Euro steigen soll. Lindner sagte: "Wenn wir beim Hinzuverdienst noch etwas verbessern können, dann wäre das sehr gut." Die Arbeitsaufnahme sei ein Schritt in die dauerhafte Unabhängigkeit von einer Sozialleistung; das müsse "belohnt und nicht bestraft werden".
Zur Frage des Schonvermögens sagte Lindner, es wäre "inhuman", wenn ein Mensch, der sein ganzes Leben gearbeitet hat und mit Ende 50 wegen eines Schicksalsschlags nicht mehr arbeitsfähig ist, sofort sein gesamtes Erspartes aufbrauchen müsste. "Wir geben ihm zwei Jahre Zeit, um die Lebenskrise zu überwinden und sich zu qualifizieren. Diese Großzügigkeit sollte die Gesellschaft haben", so der FDP-Chef.
CDU und CSU lehnen das Vorhaben vehement ab, weil es aus ihrer Sicht die Motivation senkt, eine Arbeit anzunehmen. Die Union kritisiert auch, dass das Bürgergeld die unteren Einkommensgruppen benachteilige, weil Nichtarbeiten damit "annähernd so lukrativ ist wie Arbeiten".
Merz: Gesetz zur Unzeit
Unionsfraktionschef Friedrich Merz sieht deshalb wenig Raum für eine Einigung. Mit dem Bürgergeld vollziehe die Bundesregierung einen vollständigen Systemwechsel in der Arbeitsmarktpolitik, sagte er der "Welt am Sonntag". Da seien Kompromisse schwierig.
Dieses "sogenannte Bürgergeld" sei der Weg in ein bedingungsloses Grundeinkommen aus Steuermitteln. Darüber hinaus komme das Gesetz zur Unzeit. "Handwerker, Gastronomen, kleine und große Firmen - sie alle suchen händeringend nach Arbeitskräften. Und ausgerechnet jetzt, wo es mehr denn je darum gehen müsste, Menschen in Arbeit zu bringen, wird ein solches Gesetz verabschiedet."
Scholz gibt sich gelassen
Bundeskanzler Olaf Scholz sieht der Abstimmung im Bundesrat über das geplante Bürgergeld entspannt entgegen. Es werde vielleicht nicht im ersten Anlauf klappen, aber dann müsse halt der Vermittlungsausschuss bemüht werden, sagte er bei einer Diskussionsrunde der "Leipziger Volkszeitung".
Auf die Frage, ob das Bürgergeld das Arbeiten, wie von der Union kritisiert, unattraktiver mache, antwortete Scholz: "Das ist wirklich vollständiger Quatsch." Das Bürgergeld sei eine Gerechtigkeitsfrage für alle.
Dürr warnt CDU und CSU
Der Vorsitzende der FDP-Bundestagsfraktion, Christian Dürr, warnte die Union vor einem Blockadekurs. Ausschließlich die Regelsätze zu erhöhen, ohne die Arbeitsanreize zu verbessern sei das Gegenteil von Leistungsgerechtigkeit.
Dürr warf der Union Falschmeldungen in der Debatte vor. "CDU und CSU sollten aufhören, mit wirren Äußerungen Fake News zum Bürgergeld zu verbreiten", so Dürr. Die Debatte über die Nachfolge des Hartz-IV-Systems habe eine der größten Ungerechtigkeiten des Sozialstaates offenbart. "Wer etwas leisten will, um der Arbeitslosigkeit zu entkommen, wird bisher vom Staat bestraft." An diesem Punkt setze seine Partei an.