Rechnungshof zu 200-Milliarden-Paket Kritik ohne Folgen?
Der Bundesrechnungshof sieht die Finanzierung des 200 Milliarden schweren Entlastungspakets der Ampel kritisch. Er hält das Vorhaben zum Teil für verfassungswidrig. Die Kritik könnte aber im Sande verlaufen.
Im Prinzip ist es ein ganz normaler Vorgang: Der Bundesrechnungshof gibt nach Paragraf 88 Absatz 2 der Bundeshaushaltsordnung einen Bericht zu einem laufenden Gesetzgebungsverfahren ab. Freilich: Der Bericht zur Finanzierung des bis zu 200 Milliarden teuren "Abwehrschirms" hat es in sich.
Die vorgesehene Finanzierung durch den in Corona-Zeiten begründeten "Wirtschaftsstabilisierungsfonds" sei "in mehrfacher Weise problematisch", schreibt der Rechnungshof. In mancherlei Hinsicht verstoße die vorgesehene Kreditaufnahme sogar gegen verfassungsrechtliche Vorgaben.
Verstoß gegen verfassungsmäßige Grundsätze
Der Rechnungshof stört sich vor allem daran, dass wieder ein sogenanntes Sondervermögen neben dem Bundeshaushalt entsteht. Die Haushaltsplanung des Bundes werde damit immer undurchsichtiger. Im aktuellen Gesetzgebungsverfahren soll der Regierung gestattet werden, bis zu 200 Milliarden Euro an Krediten aufzunehmen, um diese Gelder dann bis zum Jahr 2024 an Gaskunden und Gasunternehmen auszuzahlen.
Das sei nichts anderes als Kreditaufnahme "auf Vorrat" und verstoße "gegen den verfassungsmäßigen Grundsatz der Jährlichkeit", wie es in der Stellungnahme der Finanzkontrolleure heißt.
Kritik an der neuen Ausnahme der Schuldenbremse
Der Bundesrechnungshof bezweifelt außerdem, dass für die 200 Milliarden eine Ausnahme von der Schuldenbremse des Grundgesetzes möglich ist. Hierfür müsse es sich nach Artikel 115 des Grundgesetzes um eine außerordentliche Notlage handeln. Eine Notlage wiederum sei dadurch gekennzeichnet, dass sie "unvorhergesehen eintritt und sich genauso unvorhergesehen verändern kann".
Weil aber niemand seriös voraussagen könne, wie sich die Notlage entwickelt, "dürfen Notlagenkredite nicht zeitlich weit im Voraus legitimiert werden". Wenn der Bund für das kommende Jahr eine Notlage erwarte, müsse dies stattdessen in die Haushaltsberatungen des kommenden Jahres aufgenommen werden, heißt es im Bericht des Rechnungshofs weiter.
Genau das wollte Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) freilich verhindern, weil er im kommenden Jahr die Schuldenbremse nach den Corona-bedingten Ausnahmen der Jahre 2020 bis 2022 einhalten will. So verteidigt auch der FDP-Haushaltspolitiker Otto Fricke die Entscheidung der Ampel-Koalition, die bis zu 200 Milliarden über Kreditermächtigungen zu finanzieren, die bereits in diesem Jahr genehmigt werden. Sonst würde über eine erneute Aufweichung der Schuldenbremse im kommenden Jahr "allen zusätzlichen Ausgabewünschen Tür und Tor geöffnet", so Fricke gegenüber dem ARD-Hauptstadtstudio.
Union deutet Nein zur Finanzierung an
Anders die Opposition: Christian Haase, der haushaltspolitische Sprecher der Unionsfraktion, sagt, die Kritik des Bundesrechnungshofs sei derartig deutlich, "dass wir den Finanzierungsweg der Ampel nicht mitgehen können. Wir können uns nicht einfach über den Aspekt der Verfassungswidrigkeit hinwegsetzen", so Haase gegenüber dem "Handelsblatt". Die Union sei nicht gegen die Unterstützung der Verbraucher, sage aber Nein zu der Art der Finanzierung.
Allerdings ist noch nicht klar, welche Folgen dieses Nein hat. Die Ampel-Koalition braucht für die Finanzierung der 200 Milliarden über den Wirtschaftsstabilisierungsfonds nicht die Unterstützung der Union - im Unterschied zur Grundgesetzänderung, mit der die 100 Milliarden Euro für die Bundeswehr beschlossen wurden.
Klage in Karlsruhe unwahrscheinlich
Theoretisch könnte die Unionsfraktion im Bundestag unter Berufung auf die Stellungnahme des Rechnungshofs eine Klage vor dem Bundesverfassungsgericht einreichen - um prüfen zu lassen, ob es sich tatsächlich um eine verfassungswidrige Finanzierung handelt.
Im Fall der 200 Milliarden ist die Sachlage aber politisch sensibel: CDU und CSU haben zum Teil für noch mehr Entlastungen als die Regierung plädiert, eine Klage würde - allen haushaltsrechtlichen Bedenken zum Trotz - wohl auf wenig Verständnis in der Öffentlichkeit stoßen. Zudem ist bereits jetzt eine Klage der Fraktion in Karlsruhe anhängig; hier geht es um die Umwidmung von 60 Milliarden Corona-Schulden für den Klima- und Transformationsfonds. Das Ergebnis dieser Klage wolle man erst mal abwarten, heißt es aus der Fraktion.
Die AfD würde sofort klagen. Sie sieht sich in ihrer Kritik an den Sondervermögen des Bundes durch den Bericht des Rechnungshofs bestätigt, so ihr haushaltspolitischer Sprecher Peter Boehringer. Doch die für eine Normenkontrollklage notwendige Beteiligung von mindestens einem Viertel der Abgeordneten des Bundestags erreicht die Partei alleine nicht.
Insofern könnte die Kritik des Rechnungshofs zwar in der politischen Debatte durchaus eine Rolle spielen. Zu einer rechtlichen Prüfung eines möglichen Verstoßes gegen das Grundgesetz dürfte es aber nicht kommen.