Cannabis-Anbau im kanadischen Bundesstaat Ontario
FAQ

Eckpunkte für neues Gesetz Wie Cannabis legalisiert werden soll

Stand: 12.04.2023 17:53 Uhr

Gesundheitsminister Lauterbach und Agrarminister Özdemir haben Pläne zur Cannabis-Legalisierung vorgestellt. Sie sehen zwei "Säulen" vor und sind weniger weitreichend als ursprünglich geplant. Was soll erlaubt sein? Was nicht?

Die Ausgangslage

In ihrem Koalitionsvertrag hatte die Ampel eigentlich vereinbart, die Abgabe von Cannabis an Erwachsene zu Genusszwecken in lizenzierten Geschäften einzuführen. Die Materie ist rechtlich aber schwierig: Von Anfang an gab es Bedenken, dass das Vorhaben an internationalem und EU-Recht scheitern könnte oder davon ausgebremst wird. So haben sich die Staaten des Schengen-Raums beispielsweise im "Schengener Durchführungsübereinkommen" dazu verpflichtet, "die unerlaubte Ausfuhr von Betäubungsmitteln aller Art einschließlich Cannabis-Produkten sowie den Verkauf, die Verschaffung und die Abgabe dieser Mittel mit verwaltungsrechtlichen und strafrechtlichen Mitteln zu unterbinden".

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte im Herbst Eckpunkte für ein Gesetz mit weitreichenden Legalisierungsvorschlägen vorgestellt. Nun wurden die Pläne des SPD-Politikers nochmal gründlich überarbeitet - auch mit Blick auf Bedenken aus der EU.

Wie viel Gramm sollen erlaubt sein?

Maximal 25 Gramm "Genusscannabis" zum Eigenkonsum sollen straffrei sein, eine solche Menge darf auch in der Öffentlichkeit mitgeführt werden. In früheren Plänen waren noch 30 Gramm geplant.

Unverändert geblieben ist die erlaubte Menge des Eigenanbaus. Drei weibliche blühende Pflanzen pro volljähriger Person sollen erlaubt sein - geschützt vor dem Zugriff durch Kinder und Jugendliche.

Darf überall konsumiert werden?

In der Öffentlichkeit ist der Konsum nahe Schulen oder Kitas verboten. In Fußgängerzonen darf bis 20 Uhr nicht gekifft werden.

Minderjährige, die mit Cannabis erwischt werden, müssen an Interventions- und Präventionsprogrammen teilnehmen. Frühere Verurteilungen wegen Besitzes oder Eigenanbaus bis 25 Gramm oder maximal drei Pflanzen können auf Antrag aus dem Bundeszentralregister gelöscht werden.

Wo soll man Cannabis kaufen können?

Hier kommen die beiden "Säulen" ins Spiel: Zunächst soll es "nicht-gewinnorientierte" Vereine geben, die gemeinschaftlich Cannabis zu Genusszwecken anbauen und an Mitglieder für den Eigenkonsum abgeben dürfen.

Die ursprünglich geplanten "lizenzierten Fachgeschäfte", also Cannabis-Shops, wo die Droge legal ab 18 gekauft werden kann, soll es erstmal nicht geben. Eine Abgabe in Geschäften ist in einem zweiten Schritt zwar vorgesehen, aber nur noch wissenschaftlich begleitet in regionalen Modellprojekten. Darauf habe sich die Regierung nach Gesprächen mit der EU-Kommission geeinigt, hieß es.

Welche Regeln sollen für die "Cannabis-Clubs" gelten?

Diese angedachten nicht-gewinnorientierten Vereine sollen maximal 500 Mitglieder haben. Das Mindestalter ist 18 Jahre. Die Clubs müssen Jugendschutz-, Sucht- und Präventionsbeauftragte benennen und dürfen nicht für sich Werbung machen. Eine Mitgliedschaft in mehreren Vereinen ist verboten.

Auch hier sind Mengenbegrenzungen vorgesehen: Maximal dürfen pro Clubmitglied 25 Gramm Cannabis pro Tag und maximal 50 Gramm pro Monat abgegeben werden. Unter 21-Jährige bekommen maximal 30 Gramm pro Monat, zudem soll für sie eine Obergrenze beim Wirkstoffgehalt festgelegt werden. Die Kosten sollen über die Mitgliedsbeiträge gedeckt werden, gegebenenfalls kommt ein zusätzlicher Betrag je abgegebenem Gramm dazu.

In den Vereinsräumen darf nicht konsumiert werden, auch Alkoholausschank ist verboten. Zudem gilt ein Mindestabstand für die Clubs zu Schulen und Kitas.

Wie sollen die Modellprojekte aussehen?

Der mögliche zweite Schritt, die Modellprojekte, soll so aussehen: In Kreisen und Städten mehrerer Bundesländer sollen "kommerzielle Lieferketten" ausprobiert werden, von der Produktion über den Vertrieb bis zum Verkauf von Cannabis in Fachgeschäften. Die Projekte werden wissenschaftlich begleitet, sind auf fünf Jahre befristet und auf die Einwohner dieser Kommunen beschränkt. Untersucht werden sollen die Auswirkungen auf den Gesundheits- und Jugendschutz sowie den Schwarzmarkt.

Diese zweite Säule der geplanten Legalisierung ist aber "voraussichtlich weiterhin notifizierungspflichtig", wie es von der Bundesregierung heißt. Das bedeutet, dass wohl die EU mitreden darf. Lauterbach betonte, dass die wissenschaftliche Untersuchung dabei "ergebnisoffen" sei. "Ich kann nicht ausschließen, dass es bei der ersten Säule bleibt."

Geklärt werden muss auch noch, ob für sichere Lieferketten auch Cannabis-Import ermöglicht werden soll. Ein bundesweiter, freier Cannabis-Verkauf wäre also erst nach dieser fünfjährigen Testphase und einer erneuten Zustimmung der EU-Kommission möglich. Man werbe in der EU mit gleichgesinnten Ländern darum, dass man bis dahin die europäischen Regeln verändern könne, betonten Lauterbach und Özdemir.

Warum überhaupt legalisieren?

Die Bundesregierung begründet die Legalisierungspläne mit dem Vorhaben, den Schwarzmarkt zurückzudrängen, damit der Kriminalität den Boden zu entziehen und die Qualität von Cannabisprodukten kontrollieren zu können. Lauterbach sprach von einer kontrollierten Abgabe von Cannabis an Erwachsene "in klaren Grenzen (...) flankiert durch Präventionsmaßnahmen für Jugendliche". Die "Schwarzmarktware" sei häufig verunreinigt und schaffe zusätzliche Gesundheitsgefahren, so Lauterbach.

Für Bundesjustizminister Marco Buschmann ist "der bisherige restriktive Umgang" in Deutschland mit Cannabis "gescheitert". Das Verbot kriminalisiere unzählige Menschen, dränge sie in kriminelle Strukturen und binde immense Ressourcen bei den Strafverfolgungsbehörden, so der FDP-Politiker.

Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir sprach von einer Stärkung von Jugend- und Gesundheitsschutz "durch einen kontrollierten Anbau und die Abgabe im Rahmen von Cannabis-Clubs". Mit einem regionalen Modellprojekt sollen die Möglichkeiten einer kommerziellen Lieferkette ausgelotet werden, so der Grünen-Politiker.

Was wird an den Plänen kritisiert?

Das Vorhaben ist seit jeher umstritten. Kritiker sehen die erhoffte Eindämmung des Schwarzmarktes skeptisch, warnen vor einem "grauen" Markt durch den Weiterverkauf von Erwachsenen an Jugendliche und befürchten einen Drogentourismus aus dem Ausland. Medizinerinnen und Mediziner warnen zudem vor einer wachsenden Zahl an Hirnschädigungen bei Heranwachsenden.

CDU-Generalsekretär Mario Czaja lehnte die Vorschläge "entschieden ab". Sie hätten keine wirkliche Antwort auf die Frage "wie unsere Kinder vor dieser Droge in Zukunft ordentlich geschützt werden sollen", kritisierte der CDU-Politiker gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland.

Die bayerische Staatsregierung will die Legalisierung im Freistaat sogar möglichst verhindern. Ministerpräsident Markus Söder (CSU) nannte das nun vorgestellte Vorhaben auf Twitter einen "Irrweg". Nach Ansicht von Gesundheitsminister Klaus Holetschek (CSU) würden Gesundheitsrisiken verharmlost. Die Argumentation, die Legalisierung führe zu mehr Jugendschutz, bezeichnete Holetschek als "schlechten Witz". Man werde genau analysieren, wie die Cannabis-Legalisierung in Bayern zu verhindern sei.

Bundesärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt befürchtet, dass eine Legalisierung das Risikobewusstsein senke, die Droge verharmlose und gerade bei jungen Menschen zu mehr Konsum führe. "Werbende Bezeichnungen" wie "Cannabis-Club" nannte er "geradezu grotesk".

Wann kommt die Legalisierung?

Die Eckpunkte haben das Bundesgesundheitsministerium als Federführer sowie das Bundesinnenministerium, das Bundesjustizministerium, das Bundeslandwirtschaftsministerium, das Bundeswirtschaftsministerium und das Auswärtige Amt erarbeitet. Die EU- und völkerrechtliche Grenzen seien dabei berücksichtigt worden. Auf dieser Basis werde die Bundesregierung jetzt "kurzfristig" einen Gesetzentwurf vorlegen, hieß es.

Nach der Abstimmung in der Regierung und einem Kabinettsbeschluss müsste das Gesetz noch durch Bundestag und Bundesrat. Özdemir zufolge will die Ampel versuchen, das Gesetz so zu gestalten, dass der Bundesrat nicht zustimmen muss. Die Bundesländer könnten dann lediglich Einspruch erheben und das Gesetz verzögern. Wann die Regeln in Kraft treten könnten, ist noch unklar.

Kommt nun doch keine großangelegte Cannabis-Legalisierung?

Oliver Sallet, ARD Berlin, tagesthemen, tagesthemen, 12.04.2023 22:15 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete tagesschau24 am 12. April 2023 um 18:00 Uhr.