Friedrich Merz
analyse

Schwarz-Grün Ein verzwicktes Verhältnis

Stand: 08.02.2024 16:34 Uhr

Die Überlegung des CDU-Chefs Merz über die Möglichkeit einer schwarz-grünen Koalition hat in der Union deutliche Kritik hervorgerufen. Was steckt hinter den Überlegungen? Und was sagen die Grünen dazu?

Eine Analyse von Sabine Henkel, ARD Berlin

Für die Grünen Co-Vorsitzende Ricarda Lang ist die Sache klar - ein Koalition mit CDU und CSU im Bund ist für sie auf jeden Fall eine Option. Es verwundert nicht, dass sie das sagt, denn es ist nicht unwahrscheinlich, dass die Union die nächste Bundestagswahl gewinnt und den Kanzler stellt, wenn nicht alle Umfragen noch auf den Kopf gestellt werden.

Die Grünen hätten dann die Wahl: schwarz-grün oder Opposition. Aber - frei nach Franz Müntefering - Opposition ist ja bekanntlich Mist.

CSU bleibt ihrer Linie treu

Mist für die Grünen ist aber auch, dass einige in der Union eine Grünen-Allergie mit Ausschlag entwickelt haben. Vor allem in der CSU. Da ist es Generalsekretär Martin Huber, der heftig reagiert, wenn er nur an schwarz-grün denkt. "Die Grünen sind hauptverantwortlich für die miese Stimmung im Land", sagt er. "Sie sind eine von Ideologie getriebene Partei. Wer für das Heizgesetz steht, für die Asylblockade, für das Verbot von Fleisch, der kann für uns kein Partner sein."

Huber bleibt damit seiner Linie treu. Die CSU macht seit Monaten Stimmung gegen die Grünen, sie polemisiert und polarisiert, teils auch mit Falschbehauptungen. Ein Fleischverbot gibt es genau so wenig wie einen "Genderzwang", aber das verfängt eben. Der CSU-Sound greift eine Stimmung auf, die sich breit gemacht hat: Die Grünen gelten als Verbotspartei, sind als solche abgestempelt, abgewatscht und abgelehnt als Koalitionspartner.

Vom Hauptgegner vom Koalitionspartner?

So ähnlich sah es auch CDU-Chef Friedrich Merz. Vor einigen Monaten hat er die Grünen zum Hauptgegner in der Ampelregierung erklärt und ihnen im bayerischen Bierzelt eine klare Koalitionsabsage erteilt: "Diese Grünen können kein Koalitionspartner für die Union sein, wenn sie die Realität so verweigern, wie sie das auch und insbesondere in der Einwanderungspolitik tun."

Fünf Monte später aber klingt das anders. Merz hat sich vor einigen Tagen korrigiert. Zwar strebt er keine Koalition mit ihnen an, er schließt sie aber auch nicht aus. Das allein reicht, um einige in der Union auf die Palme zu bringen - die Junge Union, vor allem aber die CSU.

In Bayern hatte Markus Söder die Grünen schließlich zum Feindbild erklärt, im Wahlkampf von "grüner Zwangsveganisierung" und ähnlichem gesprochen. Und jetzt sollen sie plötzlich Koalitionspartner sein können? Sich so weit zu verbiegen fällt selbst dem CSU-Chef schwer, der sonst bekannt dafür ist, seine Meinung schnell an aktuelle Gegebenheiten anzupassen.

Bloß nichts ausschließen

In der CDU blickt man anders auf die Koalitionsfrage. Bloß nichts ausschließen und sich festlegen, heißt es. Wer bleibt denn noch, wenn die FDP auf Schrumpfniveau stagniert oder gar nicht wieder in den Bundestag gewählt wird? Nur die SPD. Und das engt mögliche Koalitionsverhandlungen massiv ein. Außerdem regiert die CDU in fünf Bundesländern mit den Grünen, auch in Nordrhein-Westfalen.

Ministerpräsident Hendrik Wüst nennt sie einen verlässlichen Koalitionspartner und vertritt grundsätzlich die Ansicht, dass Demokraten immer in der Lage sein müssen, "sich wenigstens mal miteinander hinzusetzen und zu gucken, ob man einen Regierungsauftrag auch erfüllen kann".

So sieht das auch Anke Erdmann, die Landesvorsitzende der Grünen in Schleswig-Holstein. Sie findet gut, wenn die Union auf Bundesebene offen ist für das, was in einigen Bundesländern geräuschlos funktioniert: schwarz-grün oder eine Dreierkoalition mit den Grünen.

Erdmann lädt Friedrich Merz nach Kiel ein, um sich das schwarz-grüne Modell mal anzuschauen. Noch muss niemand die Frage beantworten, mit wem die Union im Bund Koalitionsverhandlungen aufnehmen will - die Debatte darum dürfte aber ein Vorgeschmack darauf sein, wie schwierig das gegebenenfalls werden könnte.

Sabine Henkel, ARD Berlin, tagesschau, 08.02.2024 18:00 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichteten die tagesthemen am 07. Februar 2024 um 22:15 Uhr.