CSU-Landesgruppenchef Dobrindt Strippenzieher und "Wadlbeißer"
Die CSU um Landesgruppenchef Dobrindt sortiert sich auf ihrer Klausur fürs neue Jahr. Für ihn läuft es eigentlich gut. Dobrindts Erfolgsrezept: Klare Worte, nah am Populismus. Wäre da nicht die Landtagswahl.
"Opposition ist Opportunity" - über diese Formulierung Alexander Dobrindts haben sich viele vor einem Jahr lustig gemacht. Nun, ein Jahr später, zeigt sich: Der CSU-Landesgruppenchef hat aus mancher "Opportunity" etwas gemacht.
Dobrindt ist im Führungstrio der Union inzwischen unersetzlicher Vordenker und Strippenzieher. Markus Söder und Friedrich Merz sind beide politische Alphatiere mit klarem Machtanspruch. Doch auf dem Berliner Parkett bewegen sich die Parteivorsitzenden (noch) nicht mit der gleichen Selbstverständlichkeit wie Dobrindt, der seit 20 Jahren im Bundestag sitzt, CSU-Generalsekretär, Verkehrsminister im Kabinett Merkel und Landesgruppenchef war, als der Unionsfraktion wegen der Migrationspolitik beinahe die Spaltung drohte.
Feindschaft mit Söder überwunden
Söder hat mit Dobrindt somit einen sturmerprobten und loyalen Statthalter in Berlin. Das Jahr 2023, das für die CSU mit der Klausur in Seeon beginnt, ist ein Schicksalsjahr für die Partei. Söder muss das historisch schlechte Wahlergebnis von 2018 eigentlich verbessern - und Dobrindt wird ihn dabei nach Kräften unterstützen. Die früher von beiden gepflegte gegenseitige Abneigung ist einem "guten Arbeitsverhältnis" gewichen.
Die bis vor wenigen Jahren in Wildbad Kreuth stattfindende Klausurtagung dauert bis Sonntag. Zu den weiteren Gästen zählt Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU), der in diesem Jahr ebenfalls eine Landtagswahl vor sich hat. Auch die Präsidentin des Europäischen Parlaments, Roberta Metsola, kommt nach Seeon. Zudem wird die moldauische Regierungschefin Natalia Gavrilita erwartet.
Dobrindt setzt auf Hardliner-Positionen
Zumal Dobrindt den eigentlich längst abgelegten Mantel des Generalsekretärs inzwischen wieder öfter überstreift. Verbal robust warnt er dann vor dem Aufkommen einer "Klima-RAF" oder einem "Verramschen" der deutschen Staatsbürgerschaft. Solche politischen Zuspitzungen gehen ihm schnell über die Lippen, und anders als zu Merkels Zeiten kann er sich der Zustimmung von der Parteispitze recht sicher sein.
Und da weder Mario Czaja noch der neue CSU-Generalsekretär Martin Huber bisher durch besondere politische Rauflust auffallen, bleibt Dobrindt viel Raum für eigene Akzentsetzungen.
Vorteil konservativere CDU-Führung
Überhaupt - durch den Aufstieg von Friedrich Merz an die CDU-Spitze sind die Schwesterparteien sich inhaltlich nah wie lange nicht. Das kommt Dobrindt zugute - seine grundsätzliche Abneigung gegen die Grünen wirkt nicht mehr aus der Zeit gefallen, seit CSU-Chef Söder seinen Flirt mit den Grünen beendet und eine Koalition in Bayern ausgeschlossen hat.
Auch in der Migrationspolitik sind sich die Schwesterparteien einig wie lange nicht. Ein gemeinsames Interview im "Münchner Merkur", in dem Söder gegenüber Merz treuherzig versichert, dass er alle Kanzlerambitionen aufgegeben habe - so viel demonstrative Harmonie zwischen den Unionsparteien gab es selten.
Bürgerliche Wähler wollen keinen Streit
Das liegt auch an der inzwischen klaren Rollenverteilung CDU-CSU und Berlin-Bayern. "Konstruktive Opposition" mit Merz, konservative "Wadlbeißerei" mit Dobrindt und Bayern pur bei Söder.
In dieser Kombination setzte die Union immerhin einiges durch: Das 100-Milliarden-Euro Sondervermögen für die Bundeswehr steht nur für militärische Verteidigungsausgaben zur Verfügung, beim Bürgergeld mussten Vertrauenszeit und Schonvermögen angepasst werden, und die Gasumlage wurde gekippt und durch die Gaspreisbremse ersetzt.
Opposition ist Opportunity - auch bei der Landtagswahl?
Momentan steht die CSU in Umfragen gut da - die Frage bleibt, welche Schwerpunkte im Wahlkampf bis Oktober 2023 gesetzt werden sollen. Reines Ampel-Bashing wird nicht ausreichen, das wissen sowohl Söder als auch Dobrindt. Doch ein ganz großes Thema für die Wahl ist bislang noch nicht in Sicht. Einfach, verständlich, emotional und oft nur knapp am Populismus vorbei - das wäre ein ideales Dobrindt-Wahlkampfthema.
Man denke etwa an die "Ausländermaut" und die "Mütterrente". Das kam beides im Bierzelt gut an - und sicherte der CSU 2013 noch ein Mal die absolute Mehrheit. Zuletzt nutzte der CSU-Landesgruppenchef auch die Silvester-Krawalle im Sinne seiner Partei: Wenn Berlin weiter so chaotisch sei, dann müsse man den Länderfinanzausgleich stoppen. In Bayern kommt das bei vielen Wählern gut an - und nur darauf kommt es Landesgruppenchef Dobrindt in diesem Jahr an.