Mario Czaja, Friedrich Merz und Christina Stumpp
Porträt

CDU-Generalsekretär Czaja Merz' soziales Gewissen

Stand: 18.01.2022 16:13 Uhr

Er gilt als Kümmerer im Kiez und zugleich als politischer Solist. Nun soll Mario Czaja als Generalsekretär die CDU wieder auf Erfolgskurs bringen. Wer ist der Mann im Team Merz?

Von Kirsten Girschick, ARD Berlin

Wer den Kontrast zu Friedrich Merz sucht, kann ihn bei Mario Czaja finden. Ostdeutsch, sozialliberal und Großstadtgewächs. Präsident des Roten Kreuzes in Berlin. Wäre Czaja auch noch eine Frau, der Gegensatz wäre perfekt. Dann hätte Merz wohl kaum das Hilfskonstrukt einer stellvertretenden Generalsekretärin erfunden. Aber so soll die Baden-Württembergerin Christina Stumpp diesen Part übernehmen.

Erst auf den zweiten Blick erkennbar sind die Ähnlichkeiten. Wie Merz ist Czaja eher von der Basis getragen als von Parteigremien. Wie Merz gilt Czaja als Einzelkämpfer, der seiner Partei gerne mal unverblümt einen falschen Kurs attestiert, und vor allem auf die Stärke der eigenen Persönlichkeit setzt.

Er kann Wahlen gewinnen

Für Merz hat das zu einem überraschend deutlichen Sieg bei der Mitgliederbefragung für die Wahl des neuen Parteichefs geführt. Czaja hat es so in den Bundestag geschafft. Bei der Wahl im September holte er in seinem Berliner Wahlkreis Marzahn-Hellersdorf 7,1 Prozentpunkte mehr Erststimmen als seine Vorgängerin Monika Grütters. Als einziger CDU-Kandidat bundesweit legte Czaja bei den Erststimmen zu. Er verdrängte damit Petra Pau von der Linkspartei, die seit 2002 den Wahlkreis immer gewonnen hatte.

"Er hat gezeigt, dass er Kampagne kann" - so beurteilt das Merz. Im Wahlkampf hatte Czaja auf soziale Themen gesetzt, Bildungs- und Gesundheitspolitik. Er umwarb die Wähler persönlich, organisierte Feste und Beratungsbüros zu Corona und anderen Sorgen vor Ort. Versprach, für Verbesserungen im Kiez, etwa ein Freibad, zu kämpfen.

Merz mit Stumpp und Czaja bei der Vorstellung in Berlin

Mario Czaja (rechts) soll neuer CDU-Generalsekretär in Merz' Mannschaft werden.

Dass er für die CDU antritt, war oft nur auf den zweiten Blick zu erkennen. Und mit der Wahrheit nahm er es im Wahlkampf auch nicht immer ganz genau. In Marzahn-Hellersdorf wohnen besonders viele Menschen in Genossenschaftswohnungen, früher oft klares Wählerpotenzial der Linkspartei. Obwohl lange widerlegt, behauptete Czaja, die von der Linken unterstützte Initiative "Deutsche Wohnen & Co enteignen" wolle auch Genossenschaften enteignen. 

Nähe zur Linkspartei, Abgrenzung zur AfD

Im Wahlkreis sucht Czaja dagegen oft genug die Nähe zur Linken. Das brachte ihm in den 1990er-Jahren schon Ärger, bis hin zu einem Parteiausschluss-Verfahren, das irgendwann unspektakulär beerdigt wurde.

Noch heute hält Czaja eine Zusammenarbeit mit der Linken vor Ort für unproblematisch.

Ich stehe zum Grundsatzbeschluss, der eine Zusammenarbeit mit der Linken auf Bundes- und Landesebene ausschließt. Aber auf der kommunalen Ebene, wo es keine Koalitionen gibt, eine Zusammenarbeit mit der Linken und der AfD gleichzusetzen würde die AfD verharmlosen.

Das allein löst bei manchen Parteifreunden Schnappatmung aus. Czaja sieht sich jedoch zumindest, was die AfD angeht, auf einer Linie mit dem künftigen Parteichef Merz. Der hatte - noch vor seiner offiziellen Wahl - klar gemacht: Wenn irgendjemand aus der CDU mit der AfD zusammenarbeiten wolle, stehe am nächsten Tag ein Parteiausschlussverfahren an. 

Czaja begrüßt die klare Ansage von Merz.

In solchen grundsätzlichen Themen müssen Klarheit und Wahrheit von Anfang an gelten und unmissverständlich formuliert sein.

Kümmern, kümmern, kümmern

Czaja will sich nicht damit abfinden, dass vielerorts in den ostdeutschen Bundesländern 20 bis 25 Prozent der Wähler für die AfD stimmen. Kümmern, kümmern, kümmern, das ist Czajas Ansatz, um die Wähler zurückzuholen. So, wie er es in seinem eigenen Wahlkreis seit Jahrzehnten macht. Doch da liegt eine der ersten Baustellen für den neuen Generalsekretär. Weil die CDU vor allem im Osten so viele Direktmandate verloren hat, gibt es weniger Wahlkreisbüros, weniger Mitarbeiter vor Ort. Das macht das Kümmern deutlich schwieriger.

Linnemann fürs Parteiprogramm

So will sich der neue Generalsekretär zunächst um die Strukturen der Partei kümmern. Mehr digitale Teilnahmemöglichkeiten soll es geben, mehr direkten Dialog mit der Parteibasis. Der soll auch in den Grundsatzprogrammprozess einfließen - den allerdings nicht der Generalsekretär leiten soll, sondern mit Carsten Linnemann ein Vertreter des Wirtschaftsflügels. Der attestiert dem designierten Generalsekretär:

Mario Czaja legt hohe Professionalität und Sozialkompetenz an den Tag. Er ist keiner, der sagt, hoppla, jetzt komm' ich.

Ein "eher leiser Macher"

Das bestätigt auch einer, der Czaja aus seiner politisch schwierigsten Zeit kennt. Albrecht Broemme, früherer Präsident des Technischen Hilfswerks. 2015 war Czaja als Berliner Senator für Gesundheit und Soziales auch für die Aufnahme von Flüchtlingen zuständig. Das in seiner Zuständigkeit liegende Landesamt (LaGeSo) war völlig überfordert, die Zustände unhaltbar. Broemme half bei der Organisation einer großen Unterkunft und sagt heute über Czaja, er sei jemand, der zuhöre und Rat auch annehmen könne. "Ein eher leiser Macher". 

Als so gar nicht leise empfanden allerdings Parteifreunde, wie Czaja im Mai vergangenen Jahres den Berliner Spitzenkandidaten für die Abgeordnetenhauswahl und Landesvorsitzenden Kai Wegner angriff. Der hatte die Kandidatur von Hans-Georg Maaßen in Thüringen nicht verurteilt, sondern gesagt, selbstverständlich könne Maaßen einen Platz in der Berliner CDU haben. Czaja warf Wegner einen Rechtsruck vor, die Berliner Parteiführung reagierte empört. 

Mario Czaja

Czaja legt sich auch schon mal mit seinem Berliner Landesverband an.

Anders als Ziemiak fehlt Czaja die Hausmacht

Wenn Czaja nun nach seiner Wahl beim Parteitag am Samstag offiziell als neuer CDU-Generalsekretär ins Konrad-Adenauer-Haus einzieht, fehlt ihm eine starke Hausmacht. Anders als etwa seinem Vorgänger Paul Ziemiak, der sich als Vorsitzender der Jungen Union und Mitglied im starken NRW-Landesverband einer breiten Unterstützung sicher sein konnte. Und Czaja fehlt Zeit. Bereits Ende März steht die erste Landtagswahl im Saarland an, für die er als Generalsekretär Mitverantwortung übernehmen muss. Im Mai folgen Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen. Ein schlechtes Abschneiden würde nicht spurlos an Czaja vorbeigehen.

Vorwurf des Lobbyismus

Und noch etwas könnte dem zukünftigen Generalsekretär Probleme bereiten: der Vorwurf des Lobbyismus für ein Unternehmen im Gesundheitssektor. Wie der "Spiegel" berichtet, soll Czaja bis November 2020 Geschäftsführer der Brückenköpfe GmbH gewesen sein, die Start-Ups für digitale Lösungen in der Gesundheitsbranche unterstützt und finanziert. In das Digitale-Versorgungs-Gesetz des damaligen Bundesgesundheitsministers Spahn sollen einige seiner Vorstellungen eingeflossen sein.

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 07. November 2021 um 05:12 Uhr.