Strengere Einreiseregeln Deutschland schottet sich ab
Mit Grenzkontrollen und strengen Einreiseregeln will die Bundesregierung die Ausbreitung der Virus-Varianten verhindern. Spediteure warnen vor Lieferengpässen. Ab Sonntag stellt die Bahn den Fernverkehr nach Tschechien und Tirol ein.
Wegen der Ausbreitung der Virus-Varianten hat die Bundesregierung die Einreiseregeln für mehrere Länder verschärft. Nach der Ankündigung von Kontrollen zu Tschechien und dem österreichischen Bundesland Tirol wurden auch für die Slowakei strengere Beschränkungen angekündigt. Die Deutsche Bahn erklärte, von Sonntag an den Fernverkehr nach Tirol und nach Tschechien auszusetzen. Auch die Tschechische Staatsbahn gab die vorübergehende Einstellung grenzüberschreitender Zugverbindungen bekannt.
Nach Angaben der Bundesregierung dürfen ab Sonntag aus Tschechien und weiten Teilen Tirols nur noch Deutsche, Ausländer mit Wohnsitz und Aufenthaltserlaubnis in Deutschland, landwirtschaftliche Saisonarbeitskräfte und Gesundheitspersonal einreisen. Ehepartner, eingetragene Lebenspartner, minderjährige Kinder und Eltern minderjähriger Kinder dürfen ebenfalls kommen, allerdings nur, wenn sie gemeinsam mit dem deutschen Angehörigen die Grenze passieren. Auch Lastwagenfahrer und weiteres Transportpersonal im Güterverkehr sind von dem Verbot ausgenommen. Zudem sollen Einreisen aus dringenden humanitären Gründen - etwa bei einem Todesfall - erlaubt sein.
Auch in den Ausnahmefällen gelten aber Test- und Quarantänebestimmungen. Eine Beschränkung der Einreise auf bestimmte Grenzübergänge soll es nicht geben. Ausgenommen von der Vorschrift sind in Tirol der Bezirk Lienz, die Gemeinde Jungholz sowie das Rißtal im Gemeindegebiet von Vomp und Eben am Achensee.
Auch Slowakei nun als Mutationsgebiet eingestuft
Von der Einstellung des Fernverkehrs betroffen ist laut Deutscher Bahn in Richtung Tirol die EC-Linie München-Innsbruck-Verona. Eingestellt werde außerdem die EC-Linie Hamburg-Berlin-Prag. "Für die entfallenden Halte in Büchen, Ludwigslust und Wittenberge werden durch ICE-Zusatzhalte weitere Reisemöglichkeiten geschaffen", hieß es. Die Tschechische Staatsbahn kündigte zudem an, dass der Expresszug zwischen Prag und München und die Linie R29 zwischen Cheb und Nürnberg vorübergehend eingestellt würden.
Auch die Slowakei wurde inzwischen als Gebiet mit besonders gefährlichen Virusmutationen eingestuft. Somit dürfen Fluggesellschaften sowie Bus und Bahnunternehmen ab Sonntag keine Passagiere mehr von dort nach Deutschland befördern dürfen. Ausgenommen davon sind deutsche Staatsbürger und in Deutschland lebende Ausländer. Außerdem müssen Einreisewillige sich auch hier vorab auf das Coronavirus testen lassen.
Warnung vor Lieferengpässen
Mit Blick auf die verschärften Maßnahmen warnten deutsche Spediteure und die Autobranche vor Lieferengpässen und Produktionsausfall. Der Bund habe Pflicht-Tests für Lkw-Fahrer ohne eine praktikable Strategie beschlossen, beklagte der Hauptgeschäftsführer des Bundesverbandes Güterverkehr und Logistik (BGL), Dirk Engelhardt. "Wer ohne Ausnahme für den Güterverkehr negative Corona-Tests vor der Einreise fordert, muss auch dazu sagen, wo man diese Tests machen kann", forderte Engelhardt. "Anderenfalls bleiben nicht nur viele Supermarkt-Regale leer, weil uns die Lkw-Fahrer fehlen, sondern die Laufbänder vor allem auch in der Automobilindustrie stehen still, weil sie nicht mehr beliefert werden können."
Die Präsidentin des Automobilverbands VDA, Hildegard Müller, warnte mit Blick auf die Automobilindustrie: "Erste Produktionsbänder werden bereits nach wenigen Stunden stehen, wenn die Materialversorgung ausbleibt." Beide Verbände schlugen etwa vor, Selbstschnelltests von Lkw-Fahrern auch ohne ärztliches Attest zu akzeptieren, bis ausreichende Testkapazitäten an den Grenzen zur Verfügung stünden.
Spahn: "Zurückhaltend und abwägend"
Bundesgesundheitsminister Spahn hatte zuvor erklärt, dass die Maßnahmen sehr schmerzten. Sie seien aber "für eine gewisse Zeit unumgänglich", um den weiteren Eintrag der mutierten Viren zu unterbinden. Es sei nicht auszuschließen, dass es auch an anderen Stellen der Grenze zu Kontrollen kommen könne. Die Bundesregierung gehe jedoch mit Blick auf den wichtigen Austausch in Grenzregionen "sehr zurückhaltend und abwägend" mit solchen Maßnahmen um, so der CDU-Politiker.
Der Präsident des Robert-Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, betonte in einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Spahn, dass sich die ansteckenderen Virusvarianten bereits in Deutschland ausbreiten. Es sei davon auszugehen, dass sie weiter zunehmen würden - so sei es auch in anderen Ländern gewesen.
Kritische Lage in Grenzregion
An Deutschland grenzt etwa das französische Département Moselle, wo es derzeit besonders viele Infektionen mit mutierten Virus-Varianten gibt. Frankreichs Gesundheitsminister Oliviér Véran zufolge wurden in der Region innerhalb der vergangenen vier Tage mehr als 300 Fälle identifiziert, die auf die brasilianische und südafrikanische Variante zurückgehen.
Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer bezeichnete die Infektionslage in Moselle als "sehr besorgniserregend". Man betrachte die Entwicklung dort "sehr aufmerksam", sagte sie dem SWR. "Wir stehen in regelmäßigem Austausch mit den französischen Behörden und den anderen Grenzanrainern, um im Fall der Fälle unmittelbar Schutzmaßnahmen ergreifen zu können." Dennoch gelte es, Grenzkontrollen oder Schließungen möglichst zu vermeiden. "Klar ist aber auch: Der Infektionsschutz steht im Vordergrund", sagte Dreyer.