Personalmangel hinter Gittern Auch im Knast fehlen Fachkräfte
Die Arbeit im Gefängnis ist oftmals ein Knochenjob, Schichtdienst inklusive. Immer weniger Menschen interessieren sich daher für den Beruf des Justizvollzugsbeamten. Das hat Folgen.
"Wir wollen keine Rambos, die hier nur für Sicherheit sorgen, wir suchen gestandene Persönlichkeiten, die unsere Gefangenen betreuen, also auch ansprechbar sind und bei Behandlungsangeboten mitwirken", sagt Annabel Franzen, Leiterin der Justizvollzugsanstalt Rohrbach im rheinhessischen Wöllstein. Und genau das ist das Problem: "Es ist schwierig, geeignetes Personal zu finden."
Weniger Angebote für Gefangene
200 Justizbeamtinnen und -beamte arbeiten in dem Gefängnis in der Nähe von Mainz. Rund um die Uhr, an sieben Tagen in der Woche, im Schichtbetrieb. Sie betreuen bis zu 500 inhaftierte Männer und Frauen.
Die Personalsituation ist angespannt, berichtet Franzen, denn 17 Stellen in ihrer JVA sind nicht mit fertig ausgebildetem Personal besetzt. Hinzu komme, dass für viele Beamte, die bald in den Ruhestand gehen, noch keine Nachfolge gefunden sei.
Zwar könne das Personalproblem noch kompensiert werden, aber nur, weil Angebote für die Gefangenen eingeschränkt wurden. So sei das Sportprogramm zurückgefahren worden. "Für die Gefangenen bedeutet das leider, dass sie seltener aus ihrer Zelle herauskommen und sich weniger im Freien oder in der Sporthalle bewegen können," sagt Franzen.
Sicherheit darf nicht leiden
Und auch im so genannten Werkbetrieb habe man Stellen streichen müssen. In der Justizvollzugsanstalt Rohrbach arbeiten Häftlinge zum Beispiel für einen Automobilhersteller und konfektionieren etwa Metallteile - dies sei jetzt nicht mehr jeden Tag möglich. "Denn selbstverständlich darf die innere und äußere Sicherheit nicht leiden", erläutert Franzen. "Deswegen kürzen wir zuerst Freizeit- und Behandlungsangebote."
Die seien aber enorm wichtig für Gefangene, denn Kommunikation, auch mit anderen Häftlingen und ein geregelter Tagesablauf seien wichtige Bausteine auf dem Weg zum Ziel, die Menschen wieder in die Gesellschaft zu integrieren und Gefangene auf ein Leben in Freiheit vorzubereiten. "Wir wollen keinen bloßen Verwahrvollzug", fasst Franzen zusammen.
2000 Bedienstete fehlen bundesweit
So wie in der JVA Rohrbach sieht es in vielen Haftanstalten in Deutschland aus. Nach Angaben des Bundesvorsitzenden des Bundes der Strafvollzugsbediensteten Deutschlands (BSBD), René Müller, fehlen bundesweit 2000 Justizvollzugsbeamtinnen und -beamte. Die Stellen seien da, aber sie könnten nicht besetzt werden.
Hinzu komme, dass in den nächsten Jahren viele Bedienstete in den Ruhestand gingen und sich das Problem dann noch weiter verschärfen könnte. Der Beruf des Justizvollzugsbeamten sei anspruchsvoll und die Aufgabe umfasse weit mehr, als nur Türen auf- und abzuschließen und Essen zu verteilen, beschreibt der Gewerkschafter.
"Da braucht man Menschen, die stabil im Leben stehen und auch eine gewisse Reife mitbringen, denn sie haben von Tag eins an mit Gefangenen zu tun, die nicht immer kooperativ und manchmal leider auch manipulativ sind", beschreibt es Franzen. Müller ergänzt: "Das ist ein gefährlicher Job, ein harter Job, da müssen sie bessere Anreize schaffen."
Gewerkschaft fordert bessere Bezahlung
Die Gewerkschaft fordert daher eine bessere Bezahlung, mehr Aufstiegsmöglichkeiten und flexiblere Arbeitsmodelle. "Gefängnis-Dienstpläne müssen an 365 Tagen rund um die Uhr voll besetzt sein", beschreibt Müller. "Dieser Schichtbetrieb lockt junge Menschen nicht gerade an."
Dass die Situation im Justizvollzug so unbefriedigend ist, habe auch politische Gründe, meint der Bundesvorsitzende des BSBD. "Mit Investitionen in den Justizvollzug machen sie keine Punkte, das ist nicht populär, anders als Geld in die Bildung oder die Polizei zu stecken."
Initiative für mehr Nachwuchskräfte
Justizvollzug ist Ländersache, erläutert eine Sprecherin des Bundesjustizministeriums. Das heißt, jedes Bundesland hat seine eigenen Justizverwaltungen und die Bundesregierung keine Weisungsrechte. Jedes Bundesland versucht auf seine Weise, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
In Rheinland-Pfalz etwa hat die Landesregierung die Ausbildung reformiert. Die Dauer wurde von zwei Jahren auf eineinhalb Jahre verkürzt. Der rheinland-pfälzische Justizminister Herbert Mertin (FDP) sagte zur Eröffnung einer neuen Ausbildungsstätte für Justizbeamte in Wittlich: "Wir wollen den Justizvollzug im Wettbewerb um Fachkräfte noch attraktiver machen. Dazu gehört auch, die Ausbildungsstruktur zu verbessern und an die Prinzipien moderner Erwachsenenbildung anzupassen."
Doch genau diesen Schritt sieht die Gewerkschaft kritisch. "Die Ausbildung zu verkürzen ist kein sinnvoller Weg", findet der rheinland-pfälzische BSBD-Sprecher Winfried Conrad. "Die Klientel in den Gefängnissen ändert sich, wir haben mehr Gefangene, die kein Deutsch sprechen oder psychisch auffällig sind, da wäre gerade eine Intensivierung der Ausbildung wichtig."
Werben um junge Menschen
In jedem Fall müsse weiter intensiv für den Beruf geworben werden. Die Justizvollzugsanstalt Rohrbach im rheinhessischen Wöllstein tut das schon. So gibt es immer wieder "Tage der offenen Tür", um jungen Menschen Einblick in die Arbeit in einem Gefängnis zu ermöglichen. Außerdem besuchen Mitarbeitende Schulen und Ausbildungsmessen. Und auf den Gefangenentransport-Bussen prangen seit einiger Zeit große Aufkleber mit der Aufschrift "Werde Teil unseres Teams!".
Justizvollzugsanstalten suchen dringend Mitarbeiter - auch mit Werbekampagnen.
Annabel Franzen hat gerade wieder eine Bewerberrunde hinter sich und blickt verhalten positiv in die Zukunft. "Es waren zumindest einige Kandidaten dabei, von denen sie sich vorstellen könnte, dass sie der Herausforderung gewachsen wären." Im Gefängnis zu arbeiten, bedeute, einen wichtigen gesellschaftspolitischen Beitrag zu leisten.