Eine Frau hält bei einer Demonstration ein Schild mit einem Bild von Björn Höcke und der Aufschrift "Nie wieder! Keine Bühne der AfD".
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Petition gegen Höcke Wie eine Grundrechtsverwirkung funktioniert

Stand: 15.01.2024 14:44 Uhr

In einer Petition wird die Bundesregierung dazu aufgefordert, beim Bundesverfassungsgericht einen Antrag auf Grundrechtsverwirkung gegen den Thüringer AfD-Chef Höcke zu stellen. Was steckt dahinter? Ein Überblick.

Von Max Bauer, ARD-Rechtsredaktion

Wie das Parteienverbot ist auch die Grundrechtsverwirkung eine Regelung der "wehrhaften Demokratie". Die Grundrechtsverwirkung steht im Grundgesetz, damit nie wieder Feinde der Demokratie ihre Freiheiten missbrauchen können, um die Demokratie abzuschaffen.

Was ist eine Grundrechtsverwirkung?

Die Grundrechtsverwirkung ist keine Strafe, sondern soll die Demokratie in der Zukunft gegen Gefährder schützen. In juristischen Kommentaren ist deshalb auch von einer symbolischen Funktion die Rede. Eine Grundrechtsverwirkung soll vor allem das Signal aussenden, dass die Demokratie einen Missbrauch von Grundrechten im Kampf gegen die Demokratie nicht duldet.

Was bedeutet es, Grundrechte zu verwirken?

Verwirkung von Grundrechten bedeutet, dass sich jemand gegenüber dem Staat nicht mehr auf bestimmte Grundrechte wie zum Beispiel die Meinungsfreiheit berufen kann. Er kann weiterhin seine Meinungen äußern oder demonstrieren, ist aber weniger geschützt, wenn staatliche Stellen gegen ihn vorgehen. Juristen sprechen von einem "Ausübungshindernis" für die verwirkten Grundrechte.

Wichtig: Das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe kann nicht nur urteilen, dass jemand seine Meinungsfreiheit oder Versammlungsfreiheit verwirkt hat. Es kann ihm auch das Wahlrecht und das Recht, gewählt zu werden, entziehen. Außerdem kann es die Fähigkeit zu Bekleidung öffentlicher Ämter aberkennen. Wenn ihr Spitzenkandidat Björn Höcke betroffen wäre, könnte das die AfD in Thüringen empfindlich treffen.

Wie werden Grundrechte verwirkt?

Eine Grundrechtsverwirkung kann nur das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe aussprechen. Es muss ein eigenes Verfahren durchführen, in dem der Betroffene angehört werden muss. Einen Antrag können nur der Bundestag, die Bundesregierung oder eine Landesregierung stellen.

Wenn es ein Verfahren gegen einen Bundestagsabgeordneten geben soll, dann muss das extra vom Bundestag genehmigt werden. Die Verwirkung von Grundrechten kann befristet werden, mindestens muss sie aber ein Jahr dauern.

Welche Voraussetzungen gelten für die Grundrechtsverwirkung?

Weil die Grundrechtsverwirkung die Demokratie vor ihren Feinden schützen soll, ist entscheidend, dass von dem Betroffenen eine Gefahr für die Zukunft ausgeht. Es braucht also eine Gefahrenprognose, ob der Betroffene seine Grundrechte für den Kampf gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung missbraucht.

Das Verfassungsgericht verlangt zudem eine "ernsthafte Gefahr" für die freiheitlich demokratische Grundordnung. Vor allem deswegen sind die vier Verfahren, die es bisher gab, gescheitert. Es waren beispielsweise Verfahren gegen einen ehemaligen Wehrmachtsoffizier, der in der Bundesrepublik als rechtsextremer Politiker tätig war, oder gegen einen rechtsextremen Verleger. Beide wurden als politisch zu bedeutungslos angesehen.

Wie wäre das im Fall Höcke?

Im Fall des thüringischen AfD-Chefs Björn Höcke wäre die politische Gefährlichkeit angesichts der Umfragewerte seiner Partei sicher anders einzuschätzen. Im thüringischen Verfassungsschutzbericht tauchen viele Äußerungen von Höcke auf. Der Verfassungsschutz stuft die AfD in Thüringen als gesichert rechtsextremistisch ein. Das ist zumindest ein Hinweis darauf, dass die Voraussetzung für eine Grundrechtsverwirkung im Fall von Björn Höcke vorliegen. Das Bundesverfassungsgericht müsste das aber eigenständig prüfen.

Mit Blick auf die bisherigen Verfahren kann man sagen: Die Hürden für eine Grundrechtsverwirkung sind generell hoch. Und: In der Vergangenheit haben solche Verfahren mehrere Jahre gedauert.

Max Bauer, SWR, tagesschau, 15.01.2024 14:37 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 15. Januar 2024 um 16:17 Uhr.