Eine Notfallkarte liegt in einem Frauenhaus

Mehr Schutzangebote für Frauen Und noch ein Gesetz, das wackelt

Stand: 27.11.2024 19:30 Uhr

Ein Rechtsanspruch auf Schutz und Hilfe, mehr Frauenhäuser - so will die Regierung von Kanzler Scholz Frauen besser vor Gewalt schützen. Fraglich ist aber, ob das Gesetz durch den Bundestag kommt.

Von Marc Feuser, ARD-Hauptstadtstudio

"Sie sehen mich heute sehr glücklich", sagte Familienministerin Lisa Paus (Grüne), als sie vor die Kameras trat. "Weil das Bundeskabinett heute das 'Gewalthilfegesetz' beschlossen hat." Seit zwei Jahren kämpfe sie nun dafür, dass sich die Situation für Frauen verbessert, die Gewalt erfahren mussten. Mit dem Kabinettsbeschluss wird es konkreter. Aber: Sicher ist das Vorhaben nicht.

Mit dem sogenannten Gewalthilfegesetz plant Paus, Frauenhäuser besser auszustatten und Beratungsangebote zu stärken. Künftig sollen von Gewalt betroffene Frauen einen Rechtsanspruch auf Schutz und Beratung bekommen. Somit wären die Bundesländer und Kommunen gesetzlich verpflichtet, entsprechende Angebote und Kapazitäten bereitzuhalten.

Streitpunkt Finanzierung

2,2 Milliarden Euro sollen die Länder dafür vom Bund bekommen. Geld, das bislang nicht da war. Obwohl das "Gewalthilfegesetz" im Koalitionsvertrag der Ampel vereinbart worden war, habe der damalige Finanzminister Christian Lindner (FDP) keine Möglichkeit gefunden, die finanziellen Anforderungen im Haushalt abzusichern - für Frauenrechte sei kein Geld da gewesen, so Paus: "Jetzt haben wir einen neuen Finanzminister und der hat einiges möglich gemacht."

Ein neuer Finanzminister ja - aber bekanntlich hat die Bundesregierung keine eigene Mehrheit mehr. Ein Kabinettsbeschluss hat daher in der jetzigen Lage fast schon symbolischen Charakter. Die Mehrheit im Parlament, das das Gesetz letztlich verabschiedet, muss von Fall zu Fall erworben werden. Die rot-grüne Minderheitsregierung ist auf die Unterstützung der FDP und/oder der Union angewiesen.

Gewalthilfe als Wahlkampfthema?

Die Unionsfraktion findet es zwar gut, betroffenen Frauen stärkere Unterstützung zuzusichern, will sich jedoch nicht dazu hinreißen lassen, "auf den letzten Metern noch ein sehr unausgegorenes Gesetz durchzudrücken", sagte Dorothee Bär (CSU) aus dem Familienausschuss dem ARD-Hauptstadtstudio. "Weder mit uns zu sprechen, noch mit uns zu verhandeln, das geht nicht."

Die Union würde gerne noch eine elektronische Fußfessel für Täter, die schon straffällig geworden sind, im Gesetz verankert sehen. Außerdem sieht sie offene Fragen bei der Finanzierung der Hilfe vom Bund. Bär sieht den jetzt verabschiedeten Gesetzentwurf lediglich "wahlkampftaktisch" - und glaubt nicht, dass es der Ministerin tatsächlich um einen verbesserten Schutz von Frauen vor Gewalt geht.

Dem entgegnet die Familienministerin, dass Frauen, die von Gewalt betroffen sind, keinen Wahlkampf dulden würden und mahnt die Union zur Zusammenarbeit.

Diese Gesellschaft ist verroht, insbesondere im Bezug auf Frauen. Und deswegen möchte ich eben kein Wahlkampf-Geplänkel, sondern möchte, dass wir das gemeinsam schaffen.

Einzelheiten zur Finanzierung nannte sie auch auf Nachfrage der ARD jedoch nicht. Das Gesetz würde ohnehin erst vollumfänglich ab 2030 greifen - und bis es nicht im Bundestag beschlossen ist, wird auch erst mal kein Geld fällig. Das muss im Zweifel eine Nachfolgeregierung im Haushalt einplanen.

Fast jeden Tag ein Femizid

Paus drängt wohl auch deshalb darauf, das Gesetz noch vor der Neuwahl durchzubringen. Der Bundestag hält seine nächste Sitzung am 4. Dezember ab - bislang steht jedoch nur die Befragung der Bundesregierung auf der Tagesordnung. Dass das Gesetz dort zur Abstimmung stehen wird, ist nach jetzigem Stand unwahrscheinlich - auch, weil die Union angekündigt hatte, vor der Neuwahl keine inhaltlichen Entscheidungen mehr zur Abstimmung stellen zu wollen.

Erst vor gut einer Woche hatte Paus gemeinsam mit Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) ein neues Lagebild zu Gewalt gegen Frauen in Deutschland vorgestellt. Darin hat das Bundeskriminalamt zum ersten Mal verschiedene Statistiken zusammengetragen.

Das Ergebnis: In vielen Bereichen sind im Vergleich zum Vorjahr mehr Fälle von Gewalt gegen Frauen bekannt geworden - von Stalking im Internet bis zu Gewalt in Partnerschaften. Inzwischen gebe es fast jeden Tag eine Frau in Deutschland, die getötet wird, weil sie eine Frau ist.