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Analyse

Klimapolitik der Ampel Bei den Grünen wächst die Ungeduld

Stand: 21.03.2023 11:09 Uhr

Den Grünen geht die Klimapolitik in der Ampel zu langsam voran. Die Bremser sehen sie nicht nur in der FDP. Auf ihrer Klausur will die Grünen-Fraktion nun den Druck erhöhen, etwa beim Kohleausstieg.

Eine Analyse von Björn Dake, ARD Berlin

Ungeduld ist ein Motor, der dafür sorgt, dass es voran geht, findet Katharina Dröge. Die Fraktionschefin der Grünen im Bundestag hatte Anfang des Jahres mit ihrer Kollegin Britta Haßelmann das "Jahr des Klimaschutzes" ausgerufen. Gut zwei Monate später hat der Bundestag das sogenannte Deutschlandticket für Busse und Bahnen beschlossen. Auch Planungen für Wind- und Solaranlagen sollen schneller gehen. Doch damit nicht genug.

Das Wörtchen "idealerweise"

Das nächste Projekt der Grünen: der Kohleausstieg im Jahr 2030 - also acht Jahre früher als ursprünglich geplant. Für das Rheinische Revier in Nordrhein-Westfalen ist der frühere Ausstieg beschlossene Sache. Bleiben noch die Lausitz in Brandenburg und Sachsen und das Mitteldeutsche Revier in Sachsen und Sachsen-Anhalt.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten SPD, Grüne und FDP zwar auch schon 2030 als Datum festgelegt, allerdings steht dort noch das Wort "idealerweise". Das wollen die Grünen jetzt am liebsten streichen. Anders seien die Klimaziele nicht einzuhalten.

"Wir brauchen mehr Ungeduld"

Der Druck kommt nicht nur von den vielen jungen Abgeordneten in der Fraktion, die der Klimabewegung nahestehen. Einige haben in Lützerath gegen den Kohleabbau demonstriert. Aber auch Dröges Vorgänger an der Fraktionsspitze, Anton Hofreiter, geht es in der Klimapolitik zu langsam voran: "In meinen Augen brauchen wir fast noch mehr Ungeduld", sagt er dem ARD-Hauptstadtstudio. Hofreiter war in den vergangenen Monaten besonders ungeduldig, wenn es um Waffenlieferungen für die Ukraine ging. Aber die Ungeduld zeigt sich noch bei anderen Themen.

Fraktionsklausur in Weimar: Die Grünen in den Zwängen der Ampelkoaltion

Iris Sayram, ARD Berlin, tagesthemen, tagesthemen, 21.03.2023 22:15 Uhr

In den Haushaltsberatungen pochen die Grünen immer lauter darauf, dass genügend Geld für das Projekt der Kindergrundsicherung da ist. Sie kritisieren, dass die FDP schnellere Planungen für Schienenprojekte blockiert und auch Straßen bevorzugt behandeln will. Während die Liberalen für sogenannte E-Fuels werben, setzen die Grünen auf Elektromobilität. Die Liste ließe sich fortsetzen.

Für schlechte Stimmung in der Koalition sorgt zusätzlich, dass der Entwurf aus dem grün-geführten Wirtschaftsministerium für das geplante Verbot neuer Öl- und Gasheizungen früher als geplant an die Öffentlichkeit gelangt ist. Dabei ist den Grünen die Kontrolle über die Kommunikation so wichtig.

Bremser im Kanzleramt?

Ex-Fraktionschef Hofreiter spricht etwas aus, was einige seiner Kolleginnen und Kollegen nur im kleinen Kreis sagen: Für die Grünen ist die FDP gar nicht der größte Bremser in der Klimapolitik: "Auf den ersten Blick mag das so ausschauen, auf dem zweiten Blick ist allerdings die Hauptverantwortung im Kanzleramt beziehungsweise beim Kanzler persönlich." Bei den Grünen scheint sich das Bild zu verfestigen: Sie sind die einzigen in der Regierung, die wirklich fürs Klima kämpfen.

Diese Ungeduld nervt wiederum die Koalitionspartner. SPD-Fraktionsvize Detlef Müller sagt, die Koalition müsse beim Zeitplan für den Kohleausstieg im Osten Wort halten. Immer neue Fristen anzukündigen, sorge für Verunsicherung. FDP-Fraktionsvize Carina Konrad nennt es "undurchdacht", immer neue Zahlen zum Kohleausstieg festzuschreiben.

Grünen-Fraktionschefin Dröge will sich davon nicht beirren lassen. Sie arbeite jeden Tag daran, gemeinsam mit den Koalitionspartnern die Gesetze in den Bundestag zu bringen: "Und es sind natürlich die Grünen, die beim Klimaschutz dann auch schieben."

LEAG-Betriebsrat sagt kurzfristig ab

Bei ihrer Klausur in Weimar wollte die Fraktion eine Diskussion anschieben über den Strukturwandel in den ostdeutschen Kohlerevieren. Der Betriebsrat des Energiekonzerns LEAG hat die Einladung kurzfristig abgelehnt. In einem offenen Brief, der dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt, heißt es: Der Strukturwandel in der Region gelinge nicht durch "ein willkürliches neues Ausstiegsdatum". Der Betriebsrat stehe zum Kohleausstiegsgesetz - und damit zum Datum 2038. Die Ungeduld der Grünen geht für manche also zu weit.

Björn Dake, Björn Dake, ARD Berlin zzt. Weimar, 21.03.2023 11:09 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete BR24 am 21. März 2023 um 09:20 Uhr.