Debatte um "Wachstumschancengesetz" Habecks Spagat
Wirtschaftsminister Habeck versucht in seiner Regierungserklärung, Dringlichkeit zu beschwören und dabei die wirtschaftliche Lage nicht zu sehr schwarz zu malen. Die Union fordert er erneut zu einem Ende der Blockade auf.
Nur gut zehn Stunden liegen zwischen dem Ende des Vermittlungsausschusses und der Wirtschaftsdebatte im Bundestag. Den "Mini-Elefanten im Raum", nennt es Wirtschaftsminister Robert Habeck.
Er muss an diesem Donnerstag die schlechten Kennzahlen der Wirtschaft vorstellen. Und weiß doch seit der vergangenen Nacht: Die Blockade des "Wachstumschancengesetzes", das die Unternehmen entlasten soll, geht weiter. Sie hat sich vielleicht sogar verhärtet.
Eigentlich sind die Beratungen des Vermittlungsausschusses vertraulich. Die Protokolle werden erst am Ende einer Wahlperiode veröffentlicht. Dennoch nutzen etliche Abgeordnete, die dabei waren, die Debatte, um daraus zu berichten.
Nicht zu sehr schwarzmalen
Selbst die Linken-Abgeordnete Gesine Lötzsch meldet sich: "Ja, Leute, es ist eigentlich nicht üblich, über Abstimmungsergebnisse öffentlich zu sprechen", hebt Lötzsch an, die selbst Mitglied im Gremium ist. "Aber ich möchte berichten, dass auch der grüne Ministerpräsident Kretschmann das 'Wachstumschancenpaket' abgelehnt hat." Das Staatsministerium in Baden-Württemberg dementiert das allerdings. Man sei auch verwundert, dass die Vertraulichkeit des Ausschusses missachtet werde, heißt es.
Dieser Moment dürfte den Ampelfraktionen gar nicht gefallen. Denn eigentlich ist ihre Sichtweise auch heute: Die Union blockiert das Gesetz - obwohl etliche Wirtschaftsvertreter eindringlich raten, es endlich zu verabschieden.
So bleibt für Habeck in diesen Tagen nur der Spagat: einerseits die Dringlichkeit für Wachstumsimpulse beschwören und andererseits die Lage nicht zu sehr schwarzmalen. Dass im neuen Jahreswirtschaftsbericht nur noch ein Wachstum von 0,2 Prozent erwartet wird, sei auch das Ergebnis vieler externer, wenig beeinflussbarer Faktoren, betont er: Ukraine-Krieg, gesperrte Handelswege, ja sogar ein hoher Krankenstand in den vergangenen Monaten.
Kritik an der Union
Es wirkt so, als hätte Habeck am liebsten die Papptafeln mit Grafiken herausgeholt, die er am Mittwoch bei der Vorstellung des Jahresgutachtens dabei hatte. Da gab es zwei Kurven, die sich ungefähr zum Jahresbeginn 2024 kreuzten und auf die Habeck auch in seiner Bundestagsrede verwies: Das verfügbare Einkommen dürfte in diesem Jahr die Inflation übersteigen.
Das ist Habecks Hoffnungsschimmer. "Wir sind an einem Punkt angekommen, wo wieder mehr Geld im Portemonnaie bleibt." Der steigende Konsum könnte dann die Wirtschaft ankurbeln.
Die Union fordere Steuererleichterungen "im Volumen von 45 bis 50 Milliarden Euro", so Habeck, mache aber keine Vorschläge zur Gegenfinanzierung und blockiere die Anreize der Ampel. "Hören sie auf die Wirtschaftsverbände und geben sie dem 'Wachstumschancengesetz' endlich eine Chance", beschließt Habeck seine Rede.
Dürr: "Hören Sie auf mit Briefeschreiben"
FDP-Fraktionschef Christian Dürr wird noch deutlicher: Die Union verweigere seit Monaten die Mitarbeit an einer Lösung. Auch er berichtet vom Abend im Vermittlungsausschuss, in dem er ebenfalls Mitglied ist: "Gestern gab es auch keinen Antrag der CDU. Sie beantragen nie etwas!", ruft Dürr. "Sie schreiben Briefe. Hören Sie auf mit Briefeschreiben", fordert Dürr. Stattdessen solle die Union in den Parlamenten mitarbeiten.
Die Opposition will den Verweis auf externe Krisen nicht gelten lassen. "Die Rezession ist keine weltweite, auch keine europäische", sagt CSU-Gruppenchef Alexander Dobrindt in Richtung der Regierungsbank. "Alle unsere Nachbarn haben die gleichen Krisen, aber ein größeres Wachstum. Es ist Ihre Verantwortung."
Union bleibt bei Verknüpfung mit Agrardiesel
Eine Hoffnung hat sich für die Ampel mit dieser Debatte und der Nacht im Bundesrat zerschlagen: Die Union will das "Wachstumschancengesetz" weiterhin mit den Subventionskürzungen in der Landwirtschaft verknüpfen. Die Steuererleichterungen für Agrardiesel müssten bleiben. Doch das lehnt die Koalition weiter ab.
Die Fronten verhärten sich, je länger man darüber spricht, so scheint es. Und dabei geht es mit jeder Umdrehung mehr eigentlich um weniger: Das Paket, das am Mittwoch im Vermittlungsausschuss beschlossen wurde, ist deutlich gerupft. Die Klimaschutz-Investitionsprämie ist beispielsweise raus, wenn der Bundestag am Freitag erneut über das "Wachstumschancengesetz" abstimmt.
Die wichtigere Abstimmung folgt aber erst Ende März im Bundesrat. Bis dahin will die Koalition weiter auf die Union einwirken, doch noch einzulenken. Doch selbst wenn es dann beschlossen wird, könnte das Paket längst nicht mehr die ursprünglich geplante Wucht entfalten.