Fußball-Europameisterschaft Hass und Hetze gegen Spieler den Kampf ansagen
Die EM ein Fest für alle? Viele Spieler werden in der Zeit verstärkt Hasskommentaren im Internet begegnen. Die Generalstaatsanwaltschaft Frankfurt am Main kämpft mit DFB und UEFA dagegen, dass "Hate Speech" Normalität wird.
Es war das Auftaktspiel der deutschen U21-Nationalmannschaft bei der Europameisterschaft vor einem Jahr: Gegen Israel bekommt Deutschland zweimal einen Elfmeter zugesprochen. Die deutschen U21-Spieler Youssoufa Moukoko und Mal Ngankam scheitern am gegnerischen Torwart. Nach dem Spiel werden sie in den sozialen Netzwerken mit rassistischen Beleidigungen überhäuft. "Wenn wir gewinnen, sind wir alle Deutsche. Wenn wir verlieren, kommen diese Affen-Kommentare. Solche Dinge gehören einfach nicht zum Fußball, das ist ekelhaft" sagt der damals 18-jährige Moukoko sichtlich getroffen nach dem Spiel.
Auftakt für den Kampf gegen "Hate Speech" im Sport
Der Deutsche Fußballbund (DFB) will daraufhin ein Zeichen setzen und erinnert sich an das Angebot eines Oberstaatsanwalts aus Frankfurt am Main. Benjamin Krause ist der Leiter der Zentralstelle der Bekämpfung der Internetkriminalität (ZIT) und war schon in den Monaten zuvor mit seiner Idee auf den DFB zugegangen. Sein Angebot: Gemeinsam gegen die rassistischen Beleidigungen gegen Sportler vorzugehen.
"Rassistische Beleidigungen dürfen nicht zur Normalität werden"
Die ZIT betreibt zum Teil Großverfahren, ist zuständig für die Verfolgung von Kinderpornografie, von Drogen- und Waffenhandel im Darknet. Dagegen wirken einzelne Beleidigungen vermeintlich klein.
Weil solche Straftaten aber massenweise vorkämen, sei die Verfolgung wichtig: "Wir wollen zeigen, dass das eben nicht normal ist, weder bei Fußballspielern noch bei anderen Personen in der Gesellschaft. Wir wollen 'Hate Speech' bekämpfen, weil es Straftaten sind. Und, weil es für die Gesellschaft enorme negative Folgen hat, wenn Menschen denken, dass das normal ist", sagt Oberstaatsanwalt Benjamin Krause im ARD-Podcast "Die Justizreporter*innen" .
Erfolgsquote von 80 Prozent bei der Verfolgung
Ein Jahr ist seit dem Spiel der U21-Nationalmannschaft vergangen und nun sind alle gut vorbereitet während der EM der Männer: DFB und UEFA durchforsten Socialmedia-Kanäle von Spielern, Funktionären und Verbänden. Hasspostings werden dann tagesaktuell an die Zentralstelle weitergeleitet, damit diese sofort tätig werden kann.
Dafür wurde extra ein Bereitschaftsdienst während des Turniers eingerichtet. Gemeinsam mit dem Bundeskriminalamt macht sich die Generalstaatsanwaltschaft dann an die Arbeit, um die Urheber hinter den oft anonymen Posts zu ermitteln. "Wir haben inzwischen eine Erfolgsquote von bis zu 80 Prozent", so Krause.
"Das soll ich geschrieben haben?"
Sind die Täter ermittelt, bekommen sie nicht etwa einfach nur Post. Der ZIT ist es wichtig, die Urheber persönlich mit den Hasspostings zu konfrontieren. Oft könnten die dann selbst nicht fassen, was sie da geschrieben haben, berichtet der Oberstaatsanwalt "Wir haben mit diesem 'von Angesicht zu Angesicht' gute Erfahrungen gemacht. Denn unser Ziel ist es natürlich auch, diese Personen dazu zu bringen, nicht wieder solche Taten zu begehen."
Wer sich einsichtig zeigt, bekommt die Auflage, an einem eigens entwickelten sozialen Training gegen digitalen Hass teilzunehmen. Täter, die das Training 'Stop Hate' dann erfolgreich durchlaufen haben, kommen mit einer kleinen Geldauflage oder sogar ohne davon. Für Unbelehrbare hingegen gibt es Geldstrafen in Höhe von mindestens einem Monatseinkommen und im Extremfall auch Freiheitsstrafen.
Bei Beleidigungen fehlt oft der Strafantrag der Betroffenen
In vielen Fällen ist der Straftatbestand der Volksverhetzung erfüllt, in anderen geht es "nur" um Beleidigung. Dann braucht es für die Strafverfolgung einen schriftlichen Strafantrag des Beleidigten. So sieht es das Strafgesetzbuch vor.
Weil Sportlerinnen und Sportler sich oft gar nicht mit all dem Hass befassen wollen und weil sie zum Beispiel während eines Turniers nicht die Zeit haben, in jedem Einzelfall einen schriftlichen Strafantrag zu stellen, hat Hessens Justizminister Christian Heinz (CDU) einen Vorschlag gemacht. Er fordert dieses Strafantragserfordernis bei Sportlern zu streichen: "Die bei Sportgroßereignissen für Deutschland antretenden Sportlerinnen und Sportler vertreten unser Land und unsere Werte. Deshalb müssen wir sie durch die Erleichterung der Strafverfolgung schützen", so Heinz. Eine vergleichbare Regelung kennt das Gesetz bereits für Politiker.
Justizministerkonferenz für Prüfung einer Gesetzesverschärfung
Auf der Justizministerkonferenz Anfang Juni wurde die Initiative Hessens diskutiert. Am Ende einigten sich die Justizminister der Länder auf einen anderen Weg, um das Ziel zu erreichen.
In einem Beschluss bitten sie den Bundesjustizminister zu prüfen, ob man das Strafgesetzbuch so ändern kann, dass "Beleidigungen, die einen rassistischen, antisemitischen oder sonstigen menschenverachtenden Inhalt haben", immer verfolgt werden. Also ohne, dass der Betroffene einen Strafantrag stellt. Das würde dann für alle gelten. Benjamin Krause und der Zentralstelle zur Bekämpfung der Internetkriminalität würde es helfen - bei ihrer Arbeit gegen den Hass im Netz.