Historiker zur K-Frage "Die CDU wirkt geradezu hilflos"
Im Machtkampf um die Kanzlerkandidatur bei der Union läuft die Zeit für Markus Söder, sagt Historiker und CDU-Mitglied Andreas Rödder im tagesschau.de-Interview. Doch der Kollateralschaden für die Union sei immens.
tagesschau.de: Der Machtkampf in der Union geht weiter. War das zu erwarten?
Andreas Rödder: Ich glaube, so hat das ja kaum jemand erwartet. Die meisten haben gedacht, Söder gibt seine Bereitschaft zu erkennen und signalisiert zugleich den Ausweg, dass er ohne Groll zurückziehen kann, wenn die CDU das nicht wolle. Alle haben dann gedacht, dass das vergangene Woche durch die Gremienentscheidung der CDU erledigt sei.
Dass aber Söder stattdessen mit einer Panzerarmee auffährt und den ganz großen Konflikt führt, der eskaliert, ohne dass eine Rückzugsmöglichkeit wirklich absehbar ist, damit hat eigentlich niemand gerechnet. Ich weiß nicht mal, ob Markus Söder selbst diese Konsequenzen vor Augen gehabt hat.
tagesschau.de: Eine Entscheidung hätte ja eigentlich längst fallen sollen. Wem spielt die Zeit jetzt in die Karten?
Rödder: Grundsätzlich spielt Markus Söder die Zeit in die Karten, weil die CDU-Mauer offenkundig bröckelt. Je länger der Prozess dauert, desto stärker wird er sich verselbstständigen. Damit wird er insbesondere den Gremien der CDU aus der Hand genommen werden und sich auf Söder zubewegen. Allerdings um den Preis eines enormen Kollateralschadens, einer massiven und nachhaltigen Störung des Verhältnisses zwischen CSU und CDU.
tagesschau.de: Aber auch die CDU intern zerstört sich doch fast schon selbst, oder?
Rödder: Die CDU wirkt geradezu hilflos. Sie kann ihre Position nicht durchsetzen, und es macht natürlich einen denkbar schlechten Eindruck, wenn ihre Führungsgremien sich am vergangenen Montag einmütig hinter Armin Laschet stellen und dann über Tage hinweg diese Unterstützung immer weiter abbröckelt. Damit ist der CDU-Vorsitzende Laschet düpiert - egal, wie das Ganze jetzt ausgeht. Und auch die Gremien der CDU haben massiv an Glaubwürdigkeit verloren.
tagesschau.de: Brodelte es in der CDU schon länger oder hat da etwas eine Eigendynamik angenommen, womit nicht zu rechnen war?
Rödder: Um die Regierungsmacht zu bewahren, ist die CDU unter dem Mantra der Geschlossenheit mit eisernem Regiment zusammengehalten worden. Dadurch ist der Druck im Kessel immer weiter angestiegen. Man hat die Risse nicht sehen wollen und jetzt fliegt alles auseinander. In dem Moment, wo eine Kraft von außen einmal kräftig hereinstößt.
tagesschau.de: Einer von beiden wird gewinnen: Was bedeutet das für den Unions-Wahlkampf? Wird derjenige nicht schon geschwächt in den Wahlkampf gehen?
Rödder: Söder hat nach wie vor weniger zu verlieren als Laschet. Wenn Laschet diesen Machtkampf verliert, ist er massiv beschädigt. Aber selbst wenn Laschet sich durchsetzt, wird durch diese Auseinandersetzung - es geht ja nicht um inhaltliche Positionen, sondern um persönliche Eignung - so viel an ihm hängen geblieben sein, dass die politischen Gegner das im Wahlkampf nur wieder aufnehmen müssen.
Auf der anderen Seite kann ich mir aber auch schwer vorstellen, wie Söder einen Wahlkampf führen will, in dem er von der CDU in der nötigen Breite unterstützt wird. Es sei denn, Söder setzt allein auf einen rein populistischen Personenwahlkampf. Aber auch das ist für die Union brandgefährlich. Jetzt zeigt sich eben: Es rächt sich, dass die Union es versäumt hat, einen geregelten Machtübergang für die Zeit nach Angela Merkel vorzubereiten.
Das Interview führte Ute Spangenberger (SWR) für tagesschau.de