Entwurf im Kabinett Neues Klimagesetz - Zahlen, Ziele, Zoff
Schneller, schärfer, ehrgeiziger: Beim Klimaschutz legen SPD und Union eilig nach. Was steht im neuen Gesetz, was fehlt - und wird Energie jetzt teurer?
Was sieht das neue Klimaschutzgesetz vor?
Kurz gesagt: deutlich strengere Klimaschutzziele. Der neue Gesetzentwurf von Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) sieht vor, dass Deutschland bis zum Jahr 2030 mindestens 65 Prozent weniger Treibhausgase ausstößt als im Jahr 1990. Bisher waren nur 55 Prozent vorgesehen. Bis 2040 sollen die CO2-Emissionen sogar um 88 Prozent fallen.
Im Jahr 2045 soll Deutschland dann klimaneutral sein. Das heißt, dann darf nur noch so viel CO2 ausgestoßen werden, wie die Natur gleichzeitig aufnehmen kann. Bisher sollte dieses Ziel fünf Jahre später, also 2050, erreicht werden. Neu ist auch, dass für die Zeit nach 2030 konkretere Zahlen festgelegt werden, wie viel CO2 pro Jahr eingespart werden muss. Wichtig ist: In diesem Gesetz stehen bislang nur die Ziele, die erreicht werden sollen. Der Weg dahin ist aber offen.
Wie sollen die Klimaziele erreicht werden?
Das müssen sich die einzelnen Ministerien überlegen: Wirtschaft, Innen, Landwirtschaft und Umwelt. Das Gesetz legt nur Zahlen fest - und die Ministerinnen und Minister müssen diese mit geeigneten Maßnahmen erreichen. Schaffen sie das nicht, müssen sie nachbessern. Konkrete Pläne gebe es jedoch kaum, kritisiert etwa Greenpeace-Vorstand Martin Kaiser: "Ziele sparen kein CO2, das geht nur mit konkreten Maßnahmen."
Das Prognos-Institut hat zusammen mit dem Wuppertal-Institut und dem Öko-Institut einen möglichen Weg aufgeschrieben. Demnach schlagen sie vor, den Kohle-Ausstieg vorzuziehen - von 2038 auf das Jahr 2030. Zudem fordern sie, deutlich schneller beim Ausbau der erneuerbaren Energien vorzugehen. Außerdem sollten ab 2032 keine Autos mit Verbrennermotor mehr zugelassen werden. Im Landwirtschaftssektor liefe alles darauf hinaus, die industrielle Tierhaltung einzuschränken.
Warum ist ein neues Klimaschutzgesetz nötig?
Die Bundesregierung reagiert mit den Plänen auf ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts. Die Karlsruher Richter hatten entschieden, dass die Bundesregierung mehr für den Klimaschutz tun muss - und zwar bis spätestens Ende 2022. Bis dahin muss die Regierung ihre Ziele benennen, wie Treibhausgase auch nach 2030 eingespart werden sollen. Im aktuellen Klimaschutzgesetz sind aber nur bis zum Jahr 2030 konkretere Einspar-Maßnahmen festgelegt.
Was genau bemängelt das Bundesverfassungsgericht?
Die aktuellen Regelungen im Klimaschutzgesetz von 2019 sind zum Teil verfassungswidrig, sagen die Karlsruher Richter. Denn es fehlen ausreichende Vorgaben für die Treibhausgasemissionen ab 2031. Die Richter sehen dadurch die Gefahr, dass "hohe Emissionsminderungslasten unumkehrbar" in die Zukunft verschoben - und damit künftige Generationen zu stark belastet werden. Um das Pariser Klimaziel zu erreichen, müssten die erforderlichen Maßnahmen dann immer "dringender und kurzfristiger" erfolgen. Überwiegend junge Klimaschützerinnen und Klimaschützer hatten Verfassungsbeschwerde eingelegt, weil sie sich in ihren Freiheitsrechten verletzt sahen. Jetzt muss die Bundesregierung handeln, um genau diese Freiheitsrechte der jüngeren Generationen zu sichern.
Welche Rolle spielen die EU-Klimaziele?
Auch die Klimaziele der EU müssen berücksichtigt werden. Sie sind zwar noch nicht formal beschlossen, aber bereits ausgehandelt. Ein Beispiel: Die EU-Kommission schreibt für 2030 ein Minus von 55 Prozent bei den CO2-Emissionen fest. Schon allein deshalb hätte die Bundesregierung irgendwann nachsteuern müssen.
Wird durch die neuen Klimaziele jetzt alles teurer?
Das ist möglich, aber nicht sicher. Die Bundesregierung muss sich neben den Zielen auch noch überlegen, wie sie diese erreichen will. Ein Instrument dafür ist ein Preis für den CO2-Ausstoß. Kanzlerin Angela Merkel hat sich beim Petersberger Klimadialog noch einmal dafür ausgesprochen, mehr Gebrauch von diesem Instrument zu machen. Sie sagt, eine CO2-Bepreisung sei ein besonders geeignetes Lenkungsinstrument.
Wie funktioniert der CO2-Preis?
Im Allgemeinen funktioniert der Mechanismus so: Auf jede ausgestoßene Tonne CO2 wird ein Preis erhoben. Somit wird klimaschädliches Verhalten teurer, klimafreundliches Verhalten wird hingegen belohnt. Ein Beispiel: Erneuerbare Energien werden ab einem bestimmten CO2-Preis automatisch attraktiver als klimaschädlicher Kohlestrom. Ähnlich sieht es auch beispielsweise bei Ölheizungen oder Autos mit hohem CO2-Ausstoß aus. Es ist gut möglich, dass Deutschland künftig stärker auf den CO2-Preis setzt, um die Klimaziele zu erreichen. Aktuell liegt er bei 25 Euro pro Tonne. Aus der Politik - unter anderem von Union und SPD - kommen aber Forderungen, den Preis schnell zu erhöhen.
Klimaschutz ist auch Wahlkampfthema - was will die SPD?
Die SPD will Klimaneutralität bis 2045, so wie es auch im Entwurf für das neue Klimaschutzgesetz steht. Bis 2040 soll Strom komplett aus erneuerbaren Energien bezogen werden. Auch der Kohleausstieg könnte schneller gehen als erst bis 2038. Im Programm heißt es, je schneller der Ausbau der Stromerzeugung aus Erneuerbaren, und je schneller die nötigen Stromleitungen und Verteilnetze gebaut werden, desto eher kann aus fossilen Energieträgern ausgestiegen werden. Die EEG-Umlage zur Förderung des Ökostroms soll ersetzt und künftig aus den Einnahmen der CO2-Bepreisung finanziert werden.
Um das Ganze sozialverträglich zu gestalten, sollen die höheren Kosten teilweise ausgeglichen werden. Innerhalb der SPD aber wird kontrovers über die CO2-Bepreisung diskutiert. Bundesumweltministerin Schulze ist zum Beispiel für eine Klimaprämie als Ausgleich für einen höheren CO2-Preis, andere halten diese für zu teuer.
Was will die Union?
Auch die Union macht nun Tempo, nachdem sie beim Klimaschutz lange auf der Bremse stand, etwa beim Ausbau der Windenergie. Jetzt, nach dem Urteil aus Karlsruhe, wollen CDU und CSU die Klimaziele nachbessern. Grundsätzlich sollen bis 2030 insgesamt 65 Prozent weniger Treibhausgase ausgestoßen werden, gemessen am Niveau von 1990. Der Ausbau erneuerbarer Energien soll vorangetrieben, der Handel mit Emissionsrechten ausgeweitet werden. Und: Der CO2-Preis soll steigen, die Mehreinnahmen daraus soll der Staat dann an die Wirtschaft und die Verbraucher zurückgeben. Auch die EEG-Umlage soll in ihrer jetzigen Form abgeschafft werden und die Strompreise sinken.
Sind CDU und CSU denn einig in Sachen Klimaschutz?
Zuletzt taten sich Unterschiede zwischen den Klimaschutzplänen von CDU-Chef Armin Laschet und CSU-Chef Markus Söder auf. Eine gemeinsame Strategie ist bislang nicht zu erkennen. Beide beeilen sich aber, ehrgeizige Ziele zu formulieren. Kanzlerkandidat Laschet will das Klimaschutzgesetz schnell überarbeiten, Klimaneutralität müsse es "deutlich vor Mitte des Jahrhunderts" geben. Söder will für Bayern sogar Klimaneutralität bis 2040 erreichen.
Im Unions-internen Wettstreit sind die Vorstellungen zum Teil aber ähnlich. Beispiel Kohleausstieg: Söder will etwa mit finanziellen Anreizen den Ausstieg beschleunigen. Laschet, der auch Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen ist, hält zumindest in Westdeutschland einen Kohleausstieg vor 2038 für möglich. Er betonte mit Blick auf die Wirtschaft zugleich: Er wolle ein klimaneutrales Industrieland erreichen, aber künftig auch noch eine Stahlindustrie haben.
Wie sagen die Grünen?
Den Grünen gehen die neuen Klimaschutzziele der Großen Koalition nicht weit genug. Der Entwurf bleibe hinter den Erwartungen zurück, sagte Co-Parteichef Robert Habeck. Die Grünen wollen ein Reduktionsziel von 70 Prozent bis 2030, bis dahin soll auch der Kohleausstieg umgesetzt werden. Beim Ausbau der erneuerbaren Energien verlangt Habeck "doppeltes Tempo", zudem müsse auf umweltschädliche Subventionen verzichtet und der CO2-Preis erhöht werden.
Die Grünen fordern einen CO2-Preis mit "echter Lenkungswirkung". Auch schlagen sie eine Klimaprämie vor, als Ausgleich für einen höheren CO2-Preis. Die Partei kritisiert an den Klimaplänen der Großen Koalition zudem, dass die Hauptlast im Energiesektor liege - die anderen Bereiche, wie etwa Landwirtschaft und Verkehr, seien praktisch nicht angefasst worden.