Ampel-Entlastungspaket Kein schlechter Kompromiss
EEG-Umlage, Pendlerpauschale, Heizkostenzuschuss: Angesichts hoher Energiepreise hat sich die Ampel auf ein gutes Entlastungspaket verständigt. Die Einzelinteressen verhindern aber den ganz großen Wurf.
Der Tourismus in der polnischen Stadt Słubice, rund 100 Kilometer von Berlin entfernt, boomt. Nicht aber etwa wegen des historischen Stadions oder Kinos - es sind die Tankstellen, die selbst Touristen mit Berliner Kennzeichen zum Kurzbesuch an die Zapfsäule locken: Etwa 1,20 Euro kostet der Liter Super-Benzin in der Grenzstadt, fast 50 Cent weniger als der deutsche Durchschnittspreis im Januar.
Dafür lohne sich auch eine längere Anfahrt aus Deutschland, erzählt ein Kunde: "Es sind 25 bis 30 Euro für das Auto, die man da spart. Insofern lohnt sich das auf jeden Fall."
Rekordinflation erhöht Druck auf Regierung
Im Januar lag die Inflationsrate in Deutschland bei 4,9 Prozent. Im Dezember war sie mit 5,3 Prozent so hoch wie seit fast 30 Jahren nicht mehr. Die Folge: ein massiver Preisanstieg vor allem im Energiesektor.
Den will die Ampel-Regierung nun abfedern. Das heute vorgestellte "Entlastungspaket" richtet sich vor allem an einkommensschwache Haushalte und den Mittelstand. "Wir haben ein umfassendes Paket geschnürt", sagte SPD-Chefin Saskia Esken bei der Vorstellung des Pakets unter dem Titel "10 Entlastungsschritte für unser Land".
EEG-Umlage fällt weg
Einig waren sich SPD, Grüne und FDP in Sachen EEG-Umlage, schließlich hatten sie die Abschaffung im Koalitionsvertrag bereits für 2023 vereinbart. Nun soll die Umlage nach dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) bereits zum 1. Juli 2022 abgeschafft werden. Das führe laut Finanzminister Christian Lindner zu Entlastungen in Höhe von 6,6 Milliarden Euro.
Ob das den Verbrauchern am Ende aber überhaupt auffällt? Schon zum Jahreswechsel war die EEG-Umlage um 43 Prozent gesunken. Aufgrund der massiven allgemeinen Preissteigerungen fiel das aber kaum ins Gewicht. Ähnlich verpuffen könnte der Effekt zur kompletten Abschaffung der EEG-Umlage, die 3,7 Cent pro Kilowattstunde Strom ausmacht.
Um besonders einkommensschwache Haushalte darüber hinaus zu unterstützen, hat sich die Ampel-Koalition auf einen Heizkostenzuschuss geeinigt. Demnach sollen etwa Wohngeldempfänger einmalig 135 Euro vom Staat bekommen - plus 35 Euro für jedes weitere Haushaltsmitglied. Verbraucherschützer sind enttäuscht, sie hatten sich mindestens 500 Euro als Einmalzahlung gewünscht.
Hitzige Debatte über Pendlerpauschale
Das Beispiel zeigt, wie groß der Druck auf die Ampelkoalition ist: Entlasten ja, aber ohne den Staatshaushalt zu sehr zu belasten. Wohl auch deshalb wurde aus Plänen wie der Einführung eines von den Grünen geforderten "Klimageldes" erst einmal noch nichts.
Besonders heftig dürften die Teilnehmer des Koalitionsausschusses um die Anhebung der Pendlerpauschale gestritten haben. Der von den Liberalen vorangetriebene Beschluss sieht vor, dass jeder ab dem 21. Kilometer zur Arbeit gefahrene Kilometer mit 38 Cent angerechnet werden kann. Das sind drei Cent mehr als bisher - aber weniger als in den zuvor bekannt gewordenen Entwürfen.
Vor allem die Grünen hatten sich im Vorfeld öffentlich schwer damit getan, dem Beschluss überhaupt zuzustimmen. Grünen-Chef Omid Nouripour betonte zuletzt, dass mit der Anhebung kein Beitrag zum Klimaschutz geleistet werde. Zudem befürchtet die Fraktion, dass von der Anhebung der Pendlerpauschale vor allem Menschen mit höherem Einkommen profitieren.
Auch innerhalb der SPD gab es bis zuletzt Bedenken. Wohl auch deshalb, weil die Entlastung erst mit der Steuererklärung im kommenden Jahr zu spüren sein wird.
Weitere Steuerentlastungen und Unterstützung von Bedürftigen
Besänftigt wurden die Grünen möglicherweise damit, den im Koalitionsvertrag vereinbarten Sofortzuschlag für von Armut betroffene Kinder bereits zum 1. Juli 2022 einzuführen. Bis zur geplanten Einführung der Kindergrundsicherung soll so jedes Kind 20 Euro pro Monat erhalten können.
Weitere Details des Entlastungspakets: Einmalzahlung für Bedürftige, Verlängerung des Kurzarbeitergeldes sowie die Anhebung des Arbeitnehmerpauschbetrages und des Grundfreibeitrags bei der Einkommenssteuer.
Am Ende ist das Entlastungspaket wohl ein Kompromissbeschluss. Aber kein schlechter. Die Liberalen bekommen ihre Pendlerpauschale, die Grünen den Kinderzuschlag, die SPD das schnellere Ende der EEG-Umlage. Möglich aber ist noch mehr.