Kulturrat zu #allesdichtmachen "Nicht wirklich intelligent"
Eine Kampagne statt künstlerischer Vielfalt? Olaf Zimmermann vom Deutschen Kulturrat sieht die Aktion #allesdichtmachen kritisch. Vieles daran sei nicht wirklich intelligent. Die Kritik komme zudem von Künstlern, denen es vergleichsweise gut gehe.
tagesschau24: Was halten Sie von der Aktion #allesdichtmachen?
Olaf Zimmermann: Ich bin nicht sehr glücklich mit dieser Aktion. Sie ist nicht hilfreich, sie bringt eine Diskussion, die letztendlich in die vollkommen falsche Richtung führt. Wir haben ja in den letzten Wochen so intensiv darum gerungen - auch jetzt beim Infektionsschutzgesetz - noch ein bisschen mehr Freiheiten für die Kultur herauszuholen. Das ist leider nicht gelungen, selbst die Kultur draußen wird in der nächsten Zeit nicht stattfinden können.
Aber wir diskutieren und ringen ja auch gerade mit den Politikerinnen und Politikern. Und dann kommt so eine Aktion, die sicherlich satirisch überspitzt gemeint ist, die uns aber unter dem Strich einfach nichts nützt. Sie wirft uns zurück. Sie bringt uns als Gesellschaft auch nicht nach vorne.
Olaf Zimmermann ist seit 1997 der Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats. Der Deutsche Kulturrat e.V. ist der Spitzenverband der Bundeskulturverbände und Ansprechpartner für die Politik in kulturpolitischen Angelegenheiten.
"Gerade die, die noch Engagements haben"
tagesschau 24: Inwieweit wirft sie uns zurück?
Zimmermann: Sie wirft uns in Diskussionen zurück, die wir überwunden haben müssten. Wir brauchen jetzt im Kulturbereich mehr Solidarität untereinander. Ganz viele von uns sind schon seit März des letzten Jahres, also seit 13 Monaten, im Lockdown. Und seit November haben nur noch ganz wenige das Glück, als Künstlerin, als Künstler wirklich etwas machen zu können. Und jetzt sind es gerade die Schauspielerinnen und Schauspieler, denen es im Vergleich zu anderen noch verhältnismäßig gut geht, die noch Engagements haben, die diese Kritik in dieser Art und Weise äußern. Das finde ich bedauerlich.
tagesschau 24: Also, da würden Sie sagen, das sind eigentlich die letzten, die sich in diese Richtung äußern dürfen?
Zimmermann: Wir sind in einem freien Land, wir haben die Meinungs- und wir haben die Kunstfreiheit. Und gerade wir im Deutschen Kulturrat stehen dafür auch. Und wir finden es auch wichtig, dass in diesem Land jede Meinung frei geäußert werden kann. Aber das bedeutet nicht, dass jede Äußerung auch intelligent ist. Und ich finde einfach, dass vieles, was in diesen Filmen jetzt gezeigt worden ist, nicht wirklich intelligent war.
"Wir haben nichts mit der AfD zu tun"
tagesschau24: Lob für die Aktion kommt ja von Teilen der AfD. Und auch die "Querdenker"-Szene begrüßt diesen Protest. Welches Gefühl haben Sie dabei?
Zimmermann: Gerade wir im Kulturbereich sind, glaube ich, eindeutig positioniert. Wir haben nichts mit der AfD zu tun, wir haben nichts mit der "Querdenker"-Szene zu tun. Meine ganz große Sorge ist, dass Menschen glauben, dass das, was in diesen Videos geäußert worden ist, die Position des gesamten Kulturbereichs wäre. Das ist mitnichten so.
Der Kulturbereich ist solidarisch, der Kulturbereich ist empathisch. Wir sehen, was im Moment in dieser Gesellschaft passiert. Wir sehen das Leid, wir sehen auch das schreckliche Sterben auf den Intensivstationen. Und wir akzeptieren auch die Einschränkungen.
Keine künstlerische Aussage, sondern eine Kampagne?
tagesschau 24: Wo sie gerade die Äußerungen in den Videos ansprechen. Es sind ja ganz unterschiedliche Videos dabei. Welche sind ihnen da besonders aufgefallen - im Positiven wie im Negativen?
Zimmermann: Ich möchte gar nicht ein einzelnes Video herausnehmen. Was mir aufgefallen ist und was mich wirklich besorgt, ist, dass diese Videos ja gar nicht die künstlerische Vielfalt widerspiegeln. Wenn 50 Schauspielerinnen und Schauspieler zusammen sind und eine künstlerische Idee präsentieren, dann geht normalerweise der eine in die eine und der andere in die andere Richtung.
Aber wenn Sie sich diese Videos anschauen, die haben alle eine gemeinsame Richtung, als hätte es ein Drehbuch gegeben - also eine Idee, die damit quasi ausgedrückt werden soll. Wenn das der Fall wäre, dann würde ich das besonders problematisch finden. Denn dann sind es nicht mehr einzelne künstlerische Aussagen, sondern dann ist es ja schon so etwas wie eine inhaltliche Kampagne, die gemacht wurde. Und das würde ich dann verwerflich finden.
Das Interview führte Gerrit Derkowski, tagesschau24. Das Interview wurde für die schriftliche Fassung redigiert und leicht gekürzt. Das vollständige Interview finden Sie als Video in dieser Meldung.