Haushaltsdebatte im Bundestag Lauterbach verteidigt Reformen und geschrumpften Etat
Große Reformen, aber deutlich weniger Geld: Gesundheitsminister Lauterbach hat seine Pläne im Bundestag gegen Kritik verteidigt. Krankenkassen und Sozialverbände warnen jedoch vor steigenden Zusatzbeiträgen, da Bundeszuschüsse wegfallen.
Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hat die geplante Krankenhausreform und seinen Gesundheitshaushalt gegen Kritik verteidigt. "Wir haben einen Reformstau seit mehr als zehn Jahren", sagte der SPD-Politiker bei den Haushaltsberatungen im Bundestag. Leider sei das deutsche Gesundheitssystem "chronisch krank". So gebe es trotz vergleichsweise hoher Ausgaben keine gute Ergebnisqualität und eine schlechte Entwicklung bei der Lebenserwartung.
Bisherige Veränderungen seien "Bagatellreformen" ohne große Wirkung gewesen. Mit der geplanten Krankenhausreform wolle die Ampelkoalition statt eines "durch und durch ökonomisierten Systems" die Medizin wieder in den Vordergrund rücken, sagte Lauterbach. Er betonte: "Wir geben den kleinen Krankenhäusern eine Existenzperspektive."
Zudem werde eine überfällige Digitalreform mit Neuregelungen bei elektronischen Rezepten, E-Patientenakten und zur Datenforschung kommen. Im Herbst will Lauterbach außerdem ein geplantes "Institut für öffentliche Gesundheit" für eine bessere Vorsorgemedizin und Vorbeugung auf den Weg bringen.
Deutlich gekürzter Gesundheitsetat
Dafür steht Lauterbach jedoch in der Summe weniger Geld zur Verfügung: In dem Haushaltsentwurf 2024 von Finanzminister Christian Lindner sind 16,22 Milliarden Euro vorgesehen. Im Vorjahr waren es noch 24,48 Milliarden Euro. Der SPD-Politiker verteidigte jedoch den deutlich gekürzten Gesundheitsetat. Die Kürzungen seien auf wegfallende Kosten für die Corona-Pandemie zurückzuführen.
Im Vergleich zu der Zeit vor der Pandemie wachse der Gesundheitsetat, so der Gesundheitsökonom. "Somit haben wir keinen insgesamt schrumpfenden Haushalt, sondern einen sich stabilisierenden Haushalt", betonte der SPD-Politiker.
Die Opposition sieht das anders. Sie kritisierte die aus ihrer Sicht unzureichenden Finanzmittel. Die Regierung sage "erst die Schuldenbremse, dann die Gesundheit", sagte Linke-Fraktionsvize Gesine Lötzsch. Das sei der falsche Weg. Unions-Fraktionsvize Sepp Müller monierte, dass im Etat bei der Präventionsarbeit gekürzt werde. "Sie sind der Ankündigungsminister", sagte er zu Lauterbach. Wolfgang Wiehle (AfD) betonte hingegen, die Krankenhausreform bringe das Aus für viele Kliniken auf dem Land.
BKK: "Bankrotterklärung der Regierung"
Besorgt zeigten sich auch die gesetzlichen Krankenkassen. Sie warnen für das kommende Jahr vor einem Milliardendefizit als Folge der Bundespolitik. Bislang gehen die Kassen von einer Lücke zwischen 3,5 und sieben Milliarden Euro im Jahr 2024 aus. Die Vorständin des Dachverbands der Betriebskrankenkassen (BKK), Anne Klemm, geht dabei von einem Defizit am oberen Ende der Schätzungen aus. "Ich befürchte, dass wir eher bei sieben Milliarden Euro herauskommen werden", sagte Klemm dem "Handelsblatt".
Neben Mehrbelastungen durch die von Lauterbach geplanten Reformen bei Notfallversorgung und Kliniken gebe es auch "durch die Konjunktur und steigende Arbeitslosigkeiten große Risiken für die Einnahmen" der Kassen, warnte die BKK-Chefin. Finanzminister Lindner hatte bei den Haushaltsberatungen durchgesetzt, dass in den vergangenen Jahren gezahlte zusätzliche Bundeszuschüsse an die Krankenkassen nun wegfallen.
Ohne politische Maßnahmen müsste der durchschnittliche Zusatzbeitrag 2024 daher laut "Handelsblatt" wohl um 0,4 Prozentpunkte steigen. Für Versicherte und deren Arbeitgeber würde dies demnach eine Mehrbelastung von jeweils mehr als drei Milliarden Euro bedeuten. Klemm nannte die steigenden Beiträge eine "Bankrotterklärung der Bundesregierung".
Kein Zuschuss für Pflegeversicherung
Laut Etatentwurf soll auch der Zuschuss für die Pflegeversicherung im kommenden Jahr komplett entfallen. Scharfe Kritik daran übte der Sozialverband SoVD: "Es darf keinen Automatismus geben, der steigende Kosten ausschließlich durch Beitragssatzsteigerungen in der Kranken- und Pflegeversicherung kompensiert", erklärte die SoVD-Vorsitzende Michaela Engelmeier.
So würden kleine und mittlere Einkommen zusätzlich belastet, was "zu mehr sozialer Ungerechtigkeit" führe. Als Alternative schlug Engelmeier angesichts der knappen Mittel eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes oder auch der Erbschaftsteuer vor.
Diakonie: Mehrkosten werden auf Versicherte abgewälzt
Der evangelische Sozialverband Diakonie kritisierte die Streichung der Zuschüsse für die Pflegeversicherung ebenfalls. "Statt die Pflegeversicherung endlich auf finanziell solide Füße zu stellen, werden die Mehrkosten auf die Versicherten abgewälzt", teilte Diakonie-Sozialvorständin Maria Loheide mit. Das habe "fatale Folgen".
Ähnlich äußerte sich der Arbeitgeberverband Pflege (AGVP): "Die Ampel-Regierung weigert sich, Verantwortung für eine langfristig solide Finanzierung der Pflegeversicherung zu übernehmen", erklärte Verbandspräsident Thomas Greiner. Statt mehr Belastungen für Pflegebedürftige und Beitragszahlende forderte er einen "großen Wurf" für den Ausbau der Altenpflege einschließlich eines Rechtsanspruchs auf einen Platz im Pflegeheim.
Die FDP-Gesundheitspolitikerin Christine Aschenberg-Dugnus verteidigte die Haushaltskürzungen. "Der strikte Haushaltskurs des Finanzministers ist der einzig richtige Weg", betonte sie. Allerdings sollten statt Beitragserhöhungen besser Gesundheitsausgaben auf den Prüfstand gestellt werden. "Hohe Ausgaben im Gesundheitssystem allein führen nicht automatisch zu einer besseren Versorgung", argumentierte die FDP-Politikerin.