Teillegalisierung von Cannabis Zwischen "Anrauchen" und Aufregung
Von heute an dürfen Volljährige in Deutschland unter Auflagen legal kiffen, Cannabis anbauen und besitzen. Vor dem Brandenburger Tor feierten Hunderte Menschen die neuen Freiheiten. Doch die Kritik am Gesetz verstummt nicht.
Von heute an können Erwachsene legal Cannabis besitzen und konsumieren. Justizminister Marco Buschmann hat prognostiziert, mit der Teillegalisierung komme auf Justiz und Polizei mittelfristig weniger Arbeit zu als aktuell. "Die Umstellung bedeutet einmalig einen höheren Arbeitsaufwand, aber perspektivisch werden Polizei und Justiz entlastet", sagte der FDP-Politiker dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). "Sie können dann noch stärker relevanter Kriminalität nachgehen."
Derzeit gebe es mehr als 100.000 Strafverfahren gegen Cannabis-Konsumenten, sagte Buschmann. Dies sei ein Zeichen für eine gescheiterte bisherige Cannabis-Politik. "Sie hat Polizei, Staatsanwaltschaften und Justiz stark belastet, aber den Konsum in Wahrheit doch kaum unterbunden. Konsumenten wurden stattdessen in die Hände von Dealern mit minderwertigen Produkten und harten Drogen getrieben."
Das Rauchen von Marihuana oder Haschisch ist seit Mitternacht erlaubt - ein Ziel, das im Koalitionsvertrag der Ampel steht und für das sich unter anderem Buschmanns Partei FDP in den vergangenen Jahren immer wieder ausgesprochen hat. Wer 18 und älter ist, darf zu Hause bis zu 50 Gramm aufbewahren und draußen maximal 25 Gramm mit sich führen. An bestimmten Orten darf gekifft werden. Verboten ist es auf unter anderem auf Spielplätzen und im Umkreis von Sportstätten, Kinder- und Jugendeinrichtungen.
Suchtbeauftragter pocht auf kommerzielle Modellversuche
Der Drogen- und Suchtbeauftragte der Bundesregierung, Burkhard Blienert (SPD), forderte von der Koalition, nach der Teillegalisierung von Cannabis nun auch die Modellversuche für den kommerziellen Handel zu beschließen. "Mit dem ersten Schritt schaffen wir erst einmal nur Verbesserungen für regelmäßige Konsumierende. Jetzt ist aber unbedingt notwendig, die Sache rund zu machen und die Modellprojekte als zweite Säule zu beschließen", sagte Blienert ebenfalls dem RND.
"Erst damit sorgen wir dafür, dass auch Gelegenheitskonsumierende nicht mehr zum Dealer gehen müssen", so Blienert. Wichtig sei, dass es beim Verkauf in staatlich lizenzierten Geschäften ein striktes Werbeverbot gebe und der Jugendschutz eingehalten werde.
Die Ampelkoalition hatte ursprünglich geplant, die seit geltende Teillegalisierung mit der Freigabe des kommerziellen Handels zu verbinden. Nach Gesprächen mit der Europäischen Union wurde dieser Punkt zunächst fallen gelassen. Nun sind als zweite Säule regional begrenzte und wissenschaftlich begleitete Modellversuche angekündigt. Die dafür nötigen Gesetzesänderungen wurden bisher aber noch nicht auf den Weg gebracht.
"Anrauchen" am Brandenburger Tor
Mit angezündetem Joint zelebrierten zahlreiche Menschen in der Nacht die Teillegalisierung von Cannabis vor dem Brandenburger Tor in Berlin. Mehrere hundert Personen versammelten sich in ausgelassener Stimmung, einige tanzten zu Reggae-Musik, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur dpa berichtete. Vor dem Berliner Wahrzeichen schmückte ein meterhohes Cannabis-Blatt die Szenerie, pünktlich zu Mitternacht glimmten Feuerzeuge auf. Kurz danach strömte ein starker Cannabisgeruch über den Platz.
An zahlreichen anderen Orten in Deutschland feiern Aktivistinnen und Aktivisten am Ostermontag die Legalisierung ebenfalls und luden zum gemeinsamen Kiffen, zu Diskussionsrunden und Demonstrationen ein.
Nach dem neuen Gesetz dürfen Erwachsene ab 18 Jahren bis zu 25 Gramm Cannabis für den Eigenkonsum mit sich führen. Diese Frau will dabei offenbar dennoch nicht erkannt werden.
Söder: "Gesetz extrem restriktiv anwenden"
CDU und CSU wiederholten ihre strikte Ablehnung der Teillegalisierung. Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion, Tino Sorge, sagte der Nachrichtenagentur dpa, der 1. April sei "in der Tat ein historischer Tag". Er werde "in die Geschichte eingehen als der Tag, an dem die Ampel ein nie dagewesenes Konjunkturprogramm für den Schwarzmarkt ins Rollen gebracht hat."
In den kommenden Wochen werde "illegales Cannabis aus Altbeständen den Markt fluten", so Sorge demnach. Er nannte die Legalisierung in ihrer jetzigen Form ein Risiko für die innere Sicherheit. Man werde sie "nach einem Regierungswechsel" rückgängig machen.
Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) schrieb bei X, mit dem Cannabis-Gesetz schade sich Deutschland selbst und gefährde die Gesundheit der Bevölkerung. "Unser Land ist damit auf dem Irrweg." Söder sprach von einem fatalen Fehler. "Wir werden das Gesetz extrem restriktiv anwenden", schrieb Söder. Man wolle es Kiffern in Bayern besonders schwer machen.