FDP-Chef Lindner

Grundsatzpapier des Finanzministers Lindners Kampfansage an die eigene Koalition

Stand: 01.11.2024 17:21 Uhr

Mit einem Grundsatzpapier stellt Finanzminister Lindner grundlegende Entscheidungen der Ampelkoalition in Frage. Um "Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden" fordert er eine Kehrtwende in der Wirtschafts- und Finanzpolitik

Es liest sich fast wie ein Gegenentwurf der Opposition zu aktuellen Regierungspositionen: "Wirtschaftswende Deutschland - Konzept für Wachstum und Generationengerechtigkeit" ist der Titel eines Grundsatzpapiers von Finanzminister Christian Lindner, in dem er die Wirtschafts- und Finanzpolitik der Ampelkoalition infrage stellt.

Probleme wie ein Investitionsstau, geringe Produktivität und die Querelen in Bezug auf den Klimaschutz seien zum Teil "vorsätzlich herbeigeführt" worden, schreibt Lindner in dem Papier, das dem ARD-Hauptstadtstudio vorliegt. "Deshalb ist eine Wirtschaftswende mit einer teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen erforderlich, um Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden." Zuerst hatte das Magazin Stern darüber berichtet.

Bürokratieabbau und weniger Abgaben

Lindner schlägt darin vor, Nachweis- und Berichtspflichten weitgehend abzubauen sowie keinen neuen Regelungen dieser Art einzuführen. Der Solidaritätszuschlag soll komplett entfallen, die Körperschaftssteuer reduziert werden. Im Gegenzug will Lindner weitere Einsparungen vornehmen, insbesondere bei der Klimaschutzförderung. Die geplante Subvention für Intel, das in Magdeburg eine Chipfabrik bauen will, sollte ganz entfallen.

Es helfe dem Klimaschutz nicht, wenn Deutschland als vermeintlicher globaler Vorreiter möglichst schnell und folglich mit vermeidbaren wirtschaftlichen Schäden und politischen Verwerfungen versucht, seine Volkswirtschaft klimaneutral aufzustellen, so Lindner - und geht damit auf Konfrontationskurs zu Wirtschaftsminister Robert Habeck. Dieser hatte einen milliardenschweren, schuldenfinanzierten Staatsfonds vorgeschlagen, um Investitionen von Firmen zu fördern.

Lindner sieht "Herbst der Entscheidungen"

Lindner will so im bereits vor Längerem von der FDP ausgerufenen "Herbst der Entscheidungen" eine "Wirtschaftswende mit einer teilweise grundlegenden Revision politischer Leitentscheidungen" erreichen, um "Schaden vom Standort Deutschland abzuwenden". Er und andere FDP-Minister hatten den Verbleib der FDP in der Regierung an die Bedingung geknüpft, dass noch vor Weihnachten in wichtigen Politikfeldern Einigkeit in der Koalition herrschen müsse. Genannt wurden unter anderen die Wirtschafts- und Finanzpolitik, aber auch die Migrationspolitik.

Manche Forderungen der FDP mögen altbekannt sein, der Zeitpunkt des neuen Papiers ist jedoch brisant. Erst vor anderthalb Wochen hatte Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) erneut einen milliardenschweren, schuldenfinanzierten Staatsfonds vorgeschlagen, um Investitionen von Firmen zu fördern. Die FDP lehnt dies unter Verweis auf die Schuldenbremse ab.

Gipfel und Gegengipfel

Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte zu einem Industriegipfel eingeladen, zu dem aber weder Habeck noch Lindner eingeladen wurden. Die FDP-Fraktion hatte eine Art Gegengipfel mit Verbänden veranstaltet. Scholz plant - ebenso wie die FDP - noch weitere Treffen in etwa dem bisherigen Format. Am Ende will der Kanzler einen "Pakt für die Industrie" erreichen, das Ergebnis soll noch vor Weihnachten stehen, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit ankündigte. Erst im Juli hatte die Bundesregierung eine "Wachstumsinitiative" angekündigt. Das Paket mit vielen Maßnahmen ist aber noch nicht umgesetzt worden. 

Jan Zimmermann, ARD Berlin, tagesschau, 01.11.2024 16:51 Uhr

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete die tagesschau am 01. November 2024 um 17:00 Uhr.