Bundesparteitag der Linken 15 ist ein schwieriges Alter
Seit 15 Jahren gibt es die Linkspartei. Grund zu feiern hat diese aber wenig: Die Partei steckt in einer tiefen Krise. Der Bundesparteitag soll nun die Wende bringen. Beim Blick auf die Streitthemen ist das fraglich.
Vergangene Woche sollte Geburtstag gefeiert werden bei der Linken, denn vor 15 Jahren hatte sich die WASG und die PDS zusammengeschlossen und die Linke gegründet. Doch Feierlaune kam nicht auf, zu schwierig ist die Situation der kleinsten im Bundestag vertretenen Partei. Kurz zusammengefasst sieht es so aus: Statt den vorgegebenen zwei Vorsitzenden, hat die Partei mit Janine Wissler momentan nur noch eine Chefin, weil Susanne Hennig-Wellsow nach nur 14 Monaten das Handtuch geworfen hat. Nun muss die Partei am Wochenende neu wählen und ist zerstritten wie lange nicht mehr.
Auf der Homepage der Partei ist im Moment das Motto: "Die Linke… es kommt darauf an, sie zu verändern." Auch den größten Optimisten ist klar, es gibt nicht mehr viele Chancen für die Partei, wieder auf die Beine zu kommen. Die wohl wichtigste ist der Parteitag in Erfurt. Vier Themen bieten das Potential, den Parteitag zu sprengen: Die Sexismus-Vorwürfe innerhalb der Partei, die Bewertung der Russlandpolitik nach dem Angriff auf die Ukraine, der Konflikt um Sahra Wagenknecht und die Wahl der neuen Parteivorsitzenden.
Erstes Konflikt-Thema: Sexismus in der Partei
Bereits am Freitagabend könnte es auf dem Parteitag zum ersten Showdown kommen. Da seht eine Debatte mit dem Titel "Kampf gegen patriarchale Machtstrukturen, Gewalt und Sexismus" auf dem Programm. Ein Thema, für das sich besonders der Jugendverband "solid" engagiert. Solid-Vertreter werden Zitate von Betroffenen vorlesen. Also Frauen und Männer, die in der Partei Sexismus erlebt haben. Die Linke, nach eigener Aussage eine feministische Partei, scheint an ihren eigenen Ansprüchen gescheitert zu sein.
Die Delegierten müssen sich die Frage stellen, ob man in der Partei zu lange weggeschaut hat. Und es geht um die individuelle Verantwortung von Janine Wissler, die Parteivorsitzende bleiben will. Ihr wird vorgeworfen, dass sie auf Sexismus-Vorwürfe in ihrem Landesverband Hessen als damalige Vorsitzende zu spät reagiert hat. Wissler bestreitet das, und das Ausmaß an menschlichen Verwundungen in diesem Konflikt ist immens.
Konkurrenz für Vorsitzende Wissler
Es ist vor allem der Umgang mit diesem Thema, für den Wissler innerparteilich in der Kritik steht. Trotzdem stellt die 41-Jährige sich zur Wiederwahl, betont immer wieder, dass es doch nicht sein könne, dass ihre gesamte politische Karriere nun "an dieser Sache" scheitere.
Noch vor ein paar Wochen waren sich viele in der Partei sicher, dass Wissler die Abstimmung gewinnt, wenn auch mit keinem herausragenden Ergebnis. Aber nun werden neben der Sexismus-Debatte auch andere Vorwürfe laut. Da sprechen Mitarbeitende über fehlendes Teamwork und Alleingänge, da kritisieren Parteimitglieder die Ideenlosigkeit für die Zukunft der Partei.
Mittlerweile gibt es eine Alternative zu Wissler. Auch zur Wahl steht Heidi Reichinnek, 34 Jahre, geboren und aufgewachsen in Sachsen-Anhalt, mittlerweile Landesvorsitzende in Niedersachsen. Außerhalb der Partei ist Reichinnek kaum bekannt. Sie ist erst seit September 2021 im Bundestag. Aber sie ist Mitbegründerin und ehemalige Sprecherin von "solid", sie hat die Linksjugend auf ihrer Seite. Das sind zwar nur ein paar Dutzend Delegierte, die aber durchaus in der Lage sind, sich auch auf dem Parteitag Gehör zu verschaffen.
Wagenknecht polarisiert - auch bei Kandidaten
Und Reichinnek scheint noch eine wichtige Fürsprecherin zu haben: Sahra Wagenknecht. Die forderte "frische Gesichter" an der Parteispitze, nennt zwar keine Namen, aber es gilt als allgemein bekannt, dass Wagenknecht sich eher Reichinnek verbunden fühlt als Wissler. Es ist also keine ausgemachte Sache, dass die bisherige Parteichefin auch die neue wird. Und ähnlich ungewiss ist die Wahl zwischen den aussichtsreichsten männlichen Kandidaten: Martin Schirdewan und Sören Pellmann.
Auch hier scheint die berühmteste Frau der Linken, Sahra Wagenknecht die Lager zu teilen. Pellmann steht Wagenknechts Politik eher nahe, Schirdewan nicht.
Streit um Schwerpunkte
Und insofern wird der Parteitag auch ein Urteil darüber fällen, nach welchen politischen Schwerpunkten sich die Partei ausrichten wird. Wagenknecht fordert eine Politik fokussiert auf Kleinverdiener, auf die fast schon sprichwörtliche Kassiererin an der Supermarktkasse oder den Rentner. Und sie rechnet hart ab - in Talkshows, Interviews und einem Buch - mit akademischen "Lifestyle-Linken" aus Großstadtmilieus.
Exakt diese Gruppe jedoch, macht einen Teil der Delegierten des Parteitags aus. Sie nehmen Wagenknecht selbst als abgehoben wahr, als jemand der eher im Fernsehen als in der Partei erlebbar ist. Eine junge Landtagsabgeordnete sagt über Wagenknecht: "Sie schafft es nicht, mit uns auf Augenhöhe zu sprechen. Das ist echt ein Problem. Und ich glaube auch, dass es der Partei gut tut, da in einen Streit zu gehen."
Worauf einigt sich die Partei zu Russland?
Das nächste Streitthema: Russland. Lange gab es viel Verständnis für die russische Politik in der Linkspartei. Seit dem Krieg in der Ukraine musste die Linke sich positionieren und die Parteispitze hat dies getan und den Angriffskrieg Putins verurteilt. Doch auch bei diesem Thema wird der Parteitag sich nicht einig sein.
Es gibt einen Änderungsantrag zur Russlandpolitik. Die klassische Kritik der Linken an der NATO, die Argumentation, Russland sei durch die Politik des Westens zu diesem Krieg gedrängt worden, auch diese Positionen gibt es durchaus in der Partei. Verbunden mit einer nostalgischen Verbundenheit zu Russland. Eine Landtagsabgeordnete der Linken sagt: "Das ist nicht mehr "unsere Sowjetunion", das ist einfach ein ganz normales imperialistisches Land geworden, so wie England, wie Deutschland, wie alle anderen europäischen Länder auch."
Drei deutlich verlorene Landtagswahlen in diesem Jahr, bei denen die Linke die Fünf-Prozent-Hürde nicht geschafft hat. Eine Bundestagswahl mit 4,9 Prozent, bei der sie nur durch drei gewonnene Direktmandate in den Bundestag eingezogen ist, eine geschwächte Parteiführung und ein schlechtes Verhältnis zwischen Fraktionsspitze und Parteispitze.
"Es kommt darauf an, die Partei zu verändern", sagt die Partei selbst und man fürchtet fast, was das heißt auf einem Parteitag, der nicht nur temperaturmäßig heiß wird.
Sahra Wagenknecht wird in Erfurt nicht dabei sein, sie hat sich krank gemeldet.