Rückzug von Mohamed Ali Bartsch warnt vor Ende der Linksfraktion
Nach der Rückzugsankündigung von Fraktionschefin Mohamed Ali warnt der Co-Vorsitzende Bartsch vor "verantwortungslosen" Austritten. Der Ostbeauftragte Pellmann will das Wagenknecht-Lager stärker einbinden.
Linksfraktionschef Dietmar Bartsch hat abtrünnige Parteifreunde im Bundestag davor gewarnt, mit Austritten aus der Fraktion deren Fortbestand zu gefährden. "Die Sorge, dass die Existenz der Bundestagsfraktion durch Austritte beendet wird, gibt es", sagte er dem Berliner "Tagesspiegel". "Wenn drei Abgeordnete unsere Fraktion verlassen, muss die Fraktion nach gesicherter Rechtsprechung liquidiert werden. Das wäre verantwortungslos."
Er wolle die Fraktion zusammenhalten und den eigenen Auftrag erfüllen, nämlich linke Politik zu machen, sagte Bartsch. Er führt die Fraktion seit 2015 als einer von zwei Co-Vorsitzenden, zuletzt mit Amira Mohamed Ali. Über seine eigene Zukunft werde er Gespräche führen und "in den nächsten Tagen" entscheiden, sagte Bartsch.
Streit über Wagenknecht
Mohamed Ali hatte am Sonntag wegen des Streits um die Abgeordnete Sahra Wagenknecht ihren Rückzug angekündigt. Ihre Aufgabe, "den Kurs der Partei, allen voran der Parteiführung, in der Öffentlichkeit zu stützen und zu vertreten", sei ihr "zunehmend schwer" gefallen. Mittlerweile sei es ihr "unmöglich".
Wagenknecht hat sich mit der Parteispitze im Richtungsstreit zerstritten und erwägt die Gründung einer eigenen Partei. Eine Reihe eigener Anhänger könnten ihr folgen. Dennoch verneint Bartsch die Möglichkeit eines Zerbrechens der Linkspartei: "Es wird keine Spaltung der Linken geben. Wir sind in unserer Kernsubstanz stabil. Ich will, dass die Linke gemeinsam agiert." Eine Spaltung stärke nur Konservative und Rechte.
Mohamed Ali lässt politische Zukunft offen
Mohamed Ali ließ einen Verbleib in Partei und Fraktion weiter offen. "Ich bin Mitglied der Partei Die Linke, das ist der jetzige Stand, und was die Zukunft bringt, das wird man sehen", sagte sie im Deutschlandfunk. Sie sei angetreten für bestimmte politische Inhalte, für diese sei sie gewählt worden und für diese stehe sie auch. "Das ist meine Richtschnur, und das ist mir wichtig." Die Entwicklung der Partei habe sie bei Amtsantritt nicht vorausgesehen, sie habe sich eine andere Entwicklung gewünscht.
Bartsch sagte, er rechne nicht damit, dass Mohamed Ali bei der Gründung einer Wagenknecht-Partei mitmachen werde. "Amira will weiter im Bundestag arbeiten. Sie gehört, wie Sahra Wagenknecht, unserer Bundestagsfraktion an. Aktuell bereiten Amira Mohamed Ali und ich die Klausur unserer Fraktion vor."
Riexinger fordert "offene Diskussion"
Der ehemalige Vorsitzende der Linken, Bernd Riexinger, forderte weitere grundlegende Korrekturen. "Das bisherige Gebilde wird nicht aufrecht zu erhalten sein", sagte er den Zeitungen des Redaktionsnetzwerks Deutschland mit Blick auf die Koalition von Anhängern des Reformflügels um Bartsch und des Flügels um Wagenknecht, dem auch Mohamed Ali angehört. "Es muss nun eine offene Diskussion darüber geben, wie es weitergehen soll."
Bei der Klausurtagung Anfang September bestehe dazu Gelegenheit. "Ich hoffe, die Fraktion wählt eine Führung, die eng mit der Parteispitze kooperiert. Dass das bisher nicht passiert ist, war Teil unserer Misere", sagte Riexinger. "Wir können dann am besten auf die Füße kommen, wenn es eine gemeinsame Politik von Partei- und Fraktionsführung gibt."
Wagenknecht als Spitzenkandidatin bei Europawahl?
Der Linken-Vorstand hatte im Juni Wagenknecht aufgefordert, ihr Bundestagsmandat niederzulegen. Der Linken-Ostbeauftragte Sören Pellmann appellierte an die Parteispitze, Wagenknecht wieder einzubinden und eine Spaltung der Partei abzuwenden. "Das wäre die beste Variante: Wir machen es gemeinsam, Sahra Wagenknecht und alle Teile der Partei", sagte Pellmann. "Wir werden als Partei gerade mega gebraucht."
Pellmann sagte, der Parteivorstand solle seinen Beschluss gegen Wagenknecht rückgängig machen. Mohamed Alis Rückzug sei "ein klares Warnsignal an den Parteivorstand, nicht in seiner Position zu verharren, sondern aufeinander zuzugehen". Eine Möglichkeit wäre aus Pellmanns Sicht, dass Wagenknecht für die Linke als Spitzenkandidatin in die Europawahl 2024 zieht. Das werde beim bevorstehenden Parteitag mit Sicherheit noch einmal Thema.
Wissler offen für kurzfristigen Parteikonvent
Im MDR schlug Pellmann zudem einen Parteikonvent noch vor der Neuwahl des Fraktionsvorstandes und vor dem Parteitag vor. Linken-Vorsitzende Janine Wissler zeigte sich dafür offen. "Ich begrüße den Vorschlag", erklärte Wissler der Nachrichtenagentur dpa. "Die Verantwortlichen aus den Ländern, von der Bundesebene und der Bundestagsfraktion zeitnah zusammenzuholen - notfalls aufgrund der Ferienzeit online -, und das möglichst noch vor der Fraktionsklausur, ist ein vernünftiger Vorschlag, den wir beraten werden", erklärte Wissler.
Die Klausur der Bundestagsfraktion ist für den 30. und 31. August geplant. Danach soll am 4. September eine neue Fraktionsspitze gewählt werden. Der Parteitag zur Europawahl soll Mitte November in Augsburg stattfinden.