Wagenknecht und die Linke Personifizierter Riss durch die Partei
Für Samstag ruft die Linken-Politikerin Wagenknecht zu einer Friedensdemo in Berlin auf. Viele Genossen werden das wohl ignorieren, Rechte hingegen genau hinhören. Der Initiatorin scheint das egal.
Sahra Wagenknecht ist gewohnt, dass man sie beachtet. Insofern ist der mediale Paukenschlag, den ihr "Manifest für Frieden" ausgelöst hat, für sie selbst keine Überraschung. Ihre Bekanntheit ist ihre Marke, ihr Auftreten in Talkshows ihre politische Währung.
Für jemanden wie Wagenknecht ist ein Interview im "Spiegel" oder ein Besuch bei Maischberger oder Lanz mittlerweile einfacher als eine Rede im Bundestag. Denn als Abgeordnete in ihrer Fraktion gibt es mit ihr regelmäßig Ärger. Die Mehrheit in der Linksfraktion steht schon lange nicht mehr hinter der populärsten Politikerin der Linkspartei.
Wagenknecht ist der personifizierte Riss, der durch die Partei Die Linke geht. Das wird schon klar, wenn man sich anschaut, wer das "Manifest für Frieden", das sie mit Alice Schwarzer zusammen initiiert hat, unterschrieben hat. Die Co-Fraktionsvorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Amira Mohamed Ali, hat es bereits kurz nach dem Erscheinen unterschrieben, ihr Mitchef, Dietmar Bartsch, hat es nicht getan. Gregor Gysi hat unterschrieben, die beiden Parteivorsitzenden Wissler und Schirdewan haben es nicht unterschrieben. Und der Bundesgeschäftsführer der Linkspartei, Tobias Bank, sagte auf einer Pressekonferenz am Montag ganz klar: "Diesen Aufruf haben wir uns als Parteivorstand nach intensiver Beratung nicht zu eigen gemacht."
Parteibeschlüsse sind Wagenknecht einigermaßen egal
Inhaltlich ist der Riss zwischen der Parteiführung und Wagenknechts Manifest, dass in dem Manifest nicht gefordert wird, Russland solle seine Truppen aus der Ukraine abziehen. Dazu gibt es aber einen Beschluss des Parteivorstands vom 16. Februar dieses Jahres, und in dem steht: "Wir stehen zum Selbstverteidigungsrecht der Ukraine und fordern den sofortigen Rückzug der russischen Truppen." Solche Beschlüsse sind Wagenknecht einigermaßen egal. Aus ihrer Sicht wird es ein Ende des Krieges nur geben, wenn die Ukraine Neutralität garantiert und es keine Militärbasen mehr auf ukrainischem Gebiet gibt.
Der Krieg in der Ukraine ist spätestens mit diesem Manifest zu einem weiteren Riss in der Linkspartei geworden. Die Partei versteht sich als Friedenspartei, die Friedenstaube ist ein gern genommenes Symbol auf Wahlplakaten.
39 Prozent stimmen in Umfragen dem von Sahra Wagenknecht und Alice Schwarzer verfassten "Manifest für Frieden" zu.
Wagenknecht will AfD-Wähler zurückgewinnen
Nun ruft Wagenknecht zu einer Demo am Samstag in Berlin auf, unter dem Motto "Aufstand für Frieden", und es ist ziemlich klar, dass viele aus ihrer Partei demonstrativ nicht kommen werden. Das hat auch damit zu tun, dass sowohl das Manifest als auch die Demo, aber überhaupt alles, was Wagenknecht öffentlich sagt, immer auch eine ausgestreckte Hand denjenigen gegenüber ist, die bisher mit der AfD sympathisieren.
Sie will AfD-Wähler zurückgewinnen und Nichtwähler mobilisieren. Wenn man sie mit Zitaten von AfD-Politikern konfrontiert, die fast wortgleich das Gleiche zum Ukraine-Krieg sagen wie sie, zuckt sie die Schultern und sagt, dass sie kein Problem damit hat, wenn es nun mal stimme, was da gesagt wird. Bereits in ihrem Buch "Die Selbstgerechten", das 2021 veröffentlicht wurde, schreibt sie: "Die rechten Parteien sind die neuen Arbeiterparteien". Und schon damals war klar: Das will sie ändern mit ihrer Politik.
Mitglieder der Linkspartei distanzieren sich
Insofern ist es für Wagenknecht auch kein Problem, dass der Fraktionsvorsitzende der AfD, Tino Chrupalla, das Manifest unterschrieben hat. Und der Riss geht weiter. Die jetzt bevorstehende Demo in Berlin, zu der Wagenknecht und Schwarzer aufgerufen haben, wird von den beiden Parteivorsitzenden der Linken demonstrativ nicht besucht werden, und auch viele andere linke Parteimitglieder distanzieren sich.
Dem hält der ehemalige Parteivorsitzende (und Unterstützer Wagenknechts) Klaus Ernst entgegen: "Wenn jetzt die Linke bewusst andere Demos organisiert und sich damit von der größten Friedensaktion seit Jahren distanziert, zeigt das nur, dass die Linke sich als ein Teil der Friedensbewegung verabschiedet hat."
Will Wagenknecht eigene Partei gründen?
Für die Kundgebung bittet Wagenknecht darum, dass man "auf Parteifahnen und Nationalfahnen jeder Art" verzichten soll. Das heißt auch, dass dies keine Veranstaltung der Linkspartei sein wird. Längst erwartet sich Wagenknecht keine Unterstützung mehr von der Partei, die man kaum noch als "ihre Partei" bezeichnen kann. Es ist ein offenes Geheimnis, dass sie sich mit dem Gedanken trägt, eine eigene, neue Partei zu gründen.
Das Manifest und die Demo sind daher auch für kritische Beobachter ein Test, wie viele Menschen eine "Wagenknecht-Politik" mobilisieren könnte. Der Politikwissenschaftler Manfred Sapper drückt es so aus: "Frau Wagenknecht ist eine links-nationalistische Politikerin, die sehr wohl in der Flüchtlingsfrage, als auch jetzt in der Frage 'Krieg oder Frieden in der Ukraine' sich am rechten Rand bewegt. Sie lotet aus, wie viele Unterstützung sie auf rechter Seite bekommt."
39 Prozent stimmen "Manifest für Frieden" zu
Die Linkspartei dümpelt in Umfragen und Wahlergebnissen nun seit Jahren um die gefährliche Fünf-Prozent-Hürde herum. Auf Parteitagen ist die Distanz zur Wagenknecht-Politik spürbar und in Beschlüssen ablesbar. In der Basis aber sieht es anders aus. In einer aktuellen Umfrage von INSA stimmen 39 Prozent der Befragten dem "Manifest für Frieden" zu.
In Ostdeutschland findet jeder Zweite diese Position von Wagenknecht gut. Das sind die Zahlen, die jemandem wie Wagenknecht Rückenwind geben. Die Demo am Samstag wird damit auch ein Hinweis darauf sein, ob Wagenknecht genug Unterstützung für eine neue Partei sieht und ob sie eine Neugründung angeht. Das Profil wäre schon mal klar: links-konservativ.