Zwei Polizeibeamte eskortieren einen Afghanen auf dem Flug von Leipzig nach Kabul in einem Charterflugzeug.
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Migrationspolitik Worum es beim Thema Abschiebungen geht

Stand: 23.10.2023 14:46 Uhr

Der Druck auf die Bundesregierung, Migration zu begrenzen, ist groß. Bundeskanzler Scholz kündigt nun schnellere Abschiebungen an. Wie viele Menschen sind aktuell ausreisepflichtig und was plant das Innenministerium? Ein Überblick.

Seit Monaten dreht sich die deutsche Innenpolitik vor allem um ein Thema: Wie lässt sich illegale Zuwanderung nach Deutschland begrenzen? Am Wochenende äußerte sich Bundeskanzler Olaf Scholz dazu sehr deutlich: Er will härter gegen abgelehnte Asylbewerber vorgehen. Dem "Spiegel" sagte er: "Wir müssen endlich im großen Stil diejenigen abschieben, die kein Recht haben, in Deutschland zu bleiben."

In manchen Bundesländern brauche die erste Instanz in einem Abschiebungsverfahren vier Monate, in anderen 39. "Das geht nicht", so Scholz. Der Bundeskanzler will "mehr und schneller abschieben" und sprach von "einem ganzen Bündel an Maßnahmen".

Wer kann überhaupt abgeschoben werden?

Wenn ein Asylantrag abgelehnt wurde, gilt die betroffene Person als "ausreisepflichtig" und kann demnach in ihr Herkunftsland abgeschoben werden. Allerdings gibt es Gründe, aus denen eine Abschiebung aufgeschoben oder komplett ausgesetzt werden kann. Dann wird eine Duldung erteilt.

Das kann zum Beispiel passieren, wenn jemand eine qualifizierte Berufsausbildung abgeschlossen hat, ein minderjähriges Kind mit einer Aufenthaltserlaubnis hat oder eine schwerwiegende Erkrankung die Abschiebung beeinträchtigen würde. Es gibt aber auch rechtliche Gründe, die eine Ausreise unmöglich machen - etwa fehlende Reisedokumente. Die zuständigen Landesbehörden können die Abschiebung außerdem aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen für maximal drei Monate aussetzen.

Wie viele Menschen sind aktuell ausreisepflichtig?

Ende Juni 2023 waren nach Angaben der Bundesregierung 279.098 Menschen in Deutschland ausreisepflichtig. Davon hatten 224.768 Menschen eine Duldung, 54.330 waren unmittelbar ausreisepflichtig.

Dabei ist aber wichtig: Nicht alle Ausreisepflichtigen sind abgelehnte Asylsuchende. Es sind auch Personen darunter, die wegen eines abgelaufenen Visums oder einer Aufenthaltsgenehmigung ausreisepflichtig sind. Laut Ausländerzentralregister gab es Ende August 155.448 abgelehnte Asylanträge. Von den betroffenen Personen hatten 135.984 eine Duldung. Nur 19.464 abgelehnte Asylbewerber waren demnach unmittelbar ausreisepflichtig.

Der Großteil der abgelehnten Asylbewerber, die ausreisepflichtig sind, kommt aus dem Irak. Danach folgen Nigeria, Russland, Afghanistan und Iran.

Wie viele Menschen wurden in diesem Jahr abgeschoben?

Nach Angaben der Bundesregierung wurden im ersten Halbjahr 2023 insgesamt 7.861 Menschen abgeschoben. Sie hatten sehr verschiedene Staatsangehörigkeiten, am häufigsten die georgische, nordmazedonische, afghanische, türkische und albanische.

Was plant die Bundesregierung?

Die Bundesregierung strebt ein neues Migrationspaket an, mit dem sie Abschiebungen von Ausländern, aber auch deren Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern will. Innenministerin Nancy Faeser hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Rückführungen von Menschen ohne Bleiberecht beschleunigen soll. Das Kabinett soll sich am Mittwoch damit befassen.

Zu den Kernpunkten des Gesetzentwurfs gehören:

  • Die Höchstdauer des Ausreisegewahrsams soll von zehn auf 28 Tage verlängert werden, um den Behörden mehr Zeit zu geben, eine Abschiebung vorzubereiten. In Ausreisegewahrsam wird ein abgelehnter Asylbewerber zur Durchführung einer unmittelbar bevorstehenden Abschiebung genommen. Darüber hinaus gibt es die Abschiebehaft, die auch über mehrere Monate möglich ist. Für die Abschiebehaft gelten aber strengere Voraussetzungen.
  • Kann eine Person keinen Pass vorzeigen, sollen die Behörden künftig deren Handy auslesen oder fremd angemietete Schließfächer durchsuchen dürfen, um die Identität festzustellen.
  • Die Behörden sollen künftig mehr Räume zum Beispiel in einer Flüchtlingsunterkunft betreten dürfen als nur gezielt das Zimmer der Person, die abgeschoben werden soll. Geht diese in einen anderen Raum oder eine andere Wohnung, wenn die Polizei vor der Tür steht, darf sie diese Räumlichkeiten nach derzeitigem Recht nicht betreten.

Woran scheitern Abschiebungen noch?

Dass Rückführungen misslingen, liege auch daran, dass die jeweiligen Herkunftsstaaten nicht mit Deutschland kooperieren und ihre eigenen Staatsangehörigen zurücknehmen wollen, sagte die Migrationsforscherin Petra Bendel im Interview mit tagesschau.de.

Eine Lösung dafür sind Bendel zufolge Migrationspartnerschaften, wie der Bundesbeauftragte für Migrationspartnerschaften Joachim Stamp sie aktuell aushandeln soll. Gespräche gab es unter anderem mit Georgien und der Republik Moldau, die aber ohne Ergebnis blieben.

Gabor Halasz, ARD Berlin, tagesschau, 23.10.2023 15:39 Uhr