Djir-Sarai bei Miosga "Die Iran-Strategie der letzten Jahre war naiv"
Bei Caren Miosga spricht FDP-Generalsekretär Djir-Sarai von einer "neuen Dimension" des Konflikts zwischen Iran und Israel. Er hält es für realistisch, dass es weitere Angriffe von Milizen aus dem Libanon und Jemen geben wird.
In der ARD-Talksendung Caren Miosga hat FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai am Sonntagabend erklärt, der jüngste Angriff des Iran auf Israel sei Konsequenz einer misslungenen Iran-Politik der Bundesregierung und der EU: "Das Fokussieren auf das Atomabkommen mit Iran war ein großer Fehler." Man habe ignoriert, dass die Iraner daneben ein eigenes Raketenprogramm aufgezogen haben.
Eben diese Raketen und Drohnen seien es, die aktuell in der Ukraine eingesetzt würden, zuletzt eben auch gegen Israel. "Die Iran-Strategie der letzten Jahre war in Europa und in Deutschland außerordentlich naiv", so der FDP-Politiker.
Hinsichtlich der Äußerung von Außenministerin Annalena Baerbock kritisierte Djir-Sarai deren Appell an beide Seiten, sich zurückzuhalten und die Situation nicht weiter zu eskalieren. "Ich finde diese Formulierung schon bemerkenswert", so Djir-Sarai. Ihm zufolge war klar erkennbar, wer der Aggressor ist: Die Feindschaft gehe vom Iran aus.
Djir-Sarai sieht Iran in der Verantwortung
Die Islamische Republik sei verantwortlich für die jüngste Eskalation des Konflikts, so der FDP-Politiker. Eine Gleichsetzung Israels mit dem autoritären Regime lehne er daher ab.
Bei einem Angriff auf das iranische Botschaftsgelände in der syrischen Hauptstadt Damaskus waren Anfang April mehrere Mitglieder der iranischen Revolutionsgarden getötet worden. Unter den Toten war unter anderem der Brigadegeneral Mohammed Resa Sahedi.
Der Iran und seine Verbündeten haben Israel für den Angriff verantwortlich gemacht. Lange war mit einer Reaktion aus Teheran gerechnet worden. Der jüngste Angriff mit iranischen Raketen war die erwartete Antwort auf den Militärschlag in Damaskus.
Nahostexperte sieht keinen Grund für Eskalation
Politikwissenschaftler Guido Steinberg vertrat bei Caren Miosga die Ansicht, dass der Angriff des Iran mit mehr als 300 Raketen und Drohnen in der Nacht zum Sonntag kein ernsthafter Versuch gewesen sei, die israelische Raketenabwehr zu überwinden. Dafür sei die Angriffswelle nicht ausreichend gewesen, so Steinberg.
"Ich glaube, dass das das Kalkül der iranischen Regierung war. Das iranische Regime wollte vor allem für das eigene Klientel eine starke Message senden." Wirklichen Schaden habe das iranische Militär aber nicht anrichten wollen, so der Nahost-Experten der Stiftung Wissenschaft und Politik.
Bei dem Angriff wurde ein siebenjähriges Mädchen schwer verletzt. Todesopfer gab es keine. Der allergrößte Teil der Raketen wurde von der israelischen Luftabwehr abgefangen.
Der Angriff sei daher viel mehr ein Signal an die Israelis und Amerikaner, die aber zuvor gewarnt worden seien und damit Schlimmeres verhindern konnten, so Steinberg. Beispielhaft für diese Taktik sei die Hisbollah. Diese provoziere immer nur so viel, dass kein ernsthafter militärischer Konflikt daraus entstehe.
Der Nahost-Experte erwartet daher keinen Gegenschlag Israels: "Es ist nichts passiert, was die Regierung Netanyahu dazu zwingen würde, Iran direkt anzugreifen." Ein Treffen des israelischen Kriegskabinetts in Jerusalem war am Sonntag ergebnislos zu Ende gegangen. Es sollen weitere Treffen anstehen, um über eine geeignete Reaktion auf den iranischen Angriff zu beraten.
Djir-Sarai spricht von "neuer Dimension"
FDP-Generalsekretär Djir-Sarai sieht hingegen eine neue Eskalationsstufe des Nahostkonflikts erreicht: "Der Schritt ist ungewöhnlich. Es ist eine neue Dimension." Bisher habe der Iran seinen Krieg vor allem über Stellvertreter-Milizen im Libanon und im Jemen geführt.
Djir-Sarai hinterfragte die Behauptung, dass die Iraner keinen Schaden anrichten wollten. Seiner Meinung nach war es das Ziel der iranischen Streitkräfte die Abwehr zu testen, um Schwachstellen zu identifizieren.
Der FDP-Politiker glaubt zwar nicht, dass der Iran seinen Angriff fortführen werde, aber er hält es für realistisch, dass die Milizen im Jemen und die Hisbollah den Kampf wieder aufnehmen werden. Nahost-Experte Steinberg erwartet dagegen einen zeitnahen Präventivschlag der Israelis gegen die Hisbollah. Diese sei die eigentlich gefährlichere Waffe des iranischen Regimes.
Warnung vor Rückzug der US-Amerikaner
Steinberg warnte in der Sendung vor einem Rückzug der US-Amerikaner aus der Region: "Es ist ein Zeichen, dass eine Epoche zu Ende geht, die der Vormacht der USA in der Region - und vielleicht auch ihr Ende als Supermacht."
Auch FDP-Politiker Djir-Sarai sieht das Ende der US-amerikanischen Interventionspolitik im Nahen Osten gekommen: "Amerika wird sich auf Ost-Asien konzentrieren und auf China als systemischen Rivalen." Das bedeute, dass die Europäer sich mehr engagieren müssten.
Der FDP-Politiker fordert daher eine stärkere Rolle der EU und Deutschlands bei der Lösung des Nahostkonflikts: "Wir müssen nicht immer auf die Amerikaner warten. Wir als Europäer können auch sagen: 'Wir wollen eine andere Politik.'" Er sei optimistisch, dass dieses Engagement längerfristig zum Erfolg führen würde und die Islamische Republik im Iran nicht von Dauer sein werde.
Eine direkte militärische Einmischung in den aktuellen Konflikt will der FDP-Generalsekretär allerdings nicht thematisieren: "Niemand im Nahen oder Mittleren Osten erwartet von uns militärische Unterstützung", so Djir-Sarai. "Allein die Israelis wären sehr dankbar, wenn wir anfangen würden, diese Region zu verstehen."