Im bayerischen Reichertshofen steht ein Haus unter Wasser.

Ministerpräsidentenkonferenz Wie Häuser für Katastrophen versichert werden sollen

Stand: 20.06.2024 02:38 Uhr

Pflichtversicherung, Angebotspflicht oder nichts von alledem? Nach den Überschwemmungen der vergangenen Monate ringen Bund und Länder heute auch um einen angemessenen Weg beim Thema Elementarschadenversicherung.

Von Tina Handel, ARD Berlin

Es ist nur ein Wort, aber es zeigt, in welche Richtung der Kanzler denkt: "Eigentümer von Häusern und Wohnungen müssen sich versichern können", sagte Olaf Scholz bei seiner letzten Regierungserklärung Anfang Juni. "Können" - das bedeutet, so interpretieren es viele, dass der SPD-Politiker sich gegen eine Pflichtversicherung für Elementarschäden ausspricht.

Stattdessen scheint der Kanzler auf den Kurs von Justizminister Marco Buschmann einzuschwenken: Eine sogenannte Angebotspflicht könnte sein favorisiertes Modell sein.

Das würde bedeuten, dass die Versicherungsbranche jedem Hauseigentümer - auch in Hochrisikolagen - ein Vertragsangebot vorlegen muss. Der Vertrag kann dann aber abgelehnt werden. Deshalb wird das Modell auch als "Opt-out"-Lösung bezeichnet.

Die Versicherungswirtschaft wirbt dafür

Fraglich ist, ob durch eine reine Angebotspflicht die Zahl der Versicherten wie gewünscht steigt: Vertragsangebote in Hochrisikogebieten können sehr teuer sein. Durchaus üblich sind mehrere Tausend Euro Prämie pro Jahr - und gleichzeitig ein hoher Selbstbehalt im fünfstelligen Bereich. Gut vorstellbar, dass dann viele Hauseigentümer lieber die "Opt-out"-Karte ziehen.

Die Angebotspflicht ist das Modell, für das die Versicherungswirtschaft seit Jahren wirbt - sehr zum Missfallen der Bundesländer. Sie haben in der vergangenen Bundesratssitzung noch einmal ein Zeichen gesetzt: Sie wollen die Pflichtversicherung möglichst schnell, heißt es in ihrem Beschluss. Die Bundesregierung solle "unverzüglich einen geeigneten Vorschlag" vorlegen, der "auch die Bezahlbarkeit für alle gewährleistet".

Kritik von den Ministerpräsidenten

Von den Ministerpräsidenten kommen vor der entscheidenden Bund-Länder-Runde heute scharfe Töne: Die Angebotspflicht bringe niemanden ernsthaft weiter, kritisiert Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil. "Das ist nur eine Pflicht der Versicherungswirtschaft, ihre Werbemaßnahmen zu verstärken", so der SPD-Politiker. In Hochrisikofällen würde die Branche das bestimmt "nicht hoch motiviert" tun, fügt Weil als Seitenhieb gegen die Versicherer hinzu.

Die Branche sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt: Es könne nicht sein, dass viel zu wenig in Prävention investiert werde - und dann im Schadensfall alle nach der Versicherung rufen, argumentiert Jörg Asmussen, Geschäftsführer beim Gesamtverband der Versicherer: "Wir planen, sanieren, bauen in Deutschland so, als wenn es den Klimawandel nicht gäbe." In den vergangenen Jahren seien "immer noch 32.000 Häuser in extrem überschwemmungsgefährdeten Gebieten" gebaut worden.

Buschmann warnt vor hohen Kosten

Auch Justizminister Buschmann, in dessen Ressort die Versicherungsfrage fällt, betonte kurz vor der Runde mit den Ländern, dass Prävention Priorität haben müsse. Der FDP-Politiker warnt zudem vor den hohen Kosten einer Pflichtversicherung. "Es gibt Regionen in Deutschland, wo die Versicherungsprämien so hoch wären, dass wir möglicherweise Menschen aus ihren Häusern vertreiben", sagte Buschmann am Mittwoch im Bundestag.

Dorthin hatte er Journalisten kurzfristig zu einer Stellungnahme eingeladen, wohl um der Länderkritik öffentlich etwas entgegenzusetzen. Da Eigentümer solche Gebäudeversicherungen auf die Miete umlegen dürfen, könnte das Modell "dazu führen, dass die Nebenkosten so stark ansteigen, dass auch Mieterinnen und Mieter sich das Wohnen in bestimmten Regionen nicht mehr leisten können", so Buschmann.

Versicherungsquote sehr unterschiedlich

Die Fronten scheinen verhärtet - wie könnten sich beide Seiten aufeinander zubewegen? Diskutiert wird zum Beispiel eine zugespitzte Angebotspflicht, die mehr Druck macht. Wer das Versicherungsangebot nicht annimmt, darf danach nicht oder nur wenig von staatlichen Hilfen profitieren - das ist eine Idee. Aus Länderkreisen ist zu hören, dass so ein Modell zumindest ein Einstieg wäre und die Hauseigentümer deutlich mehr in die Pflicht nehmen würde.

Bislang haben im bundesweiten Schnitt nur 54 Prozent von ihnen eine Elementarschadenversicherung, die nicht nur gegen Hochwasser absichert, sondern auch gegen andere Naturgefahren wie Lawinen, Erdrutsche oder Schneedruck.

Besonders wenig versicherte Gebäude gibt es in Bremen (33 Prozent) sowie Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern (35 Prozent). In Baden-Württemberg sind dagegen 94 Prozent gegen Naturkatastrophen versichert.

Die Bezahlbarkeit bleibt offen

Darum kommt von dort besonders viel Druck. "Wenn bei Elementarschäden sofort nach staatlicher Hilfe gerufen wird, sind diejenigen die Dummen, die vorgesorgt haben", appelliert Baden-Württembergs grüner Finanzminister Danyal Bayaz.

Beide Modelle - Pflichtversicherung und Angebotspflicht - lassen die Frage offen, wie Hochrisiko-Verträge bezahlbar sein sollen. Denkbar ist, dass der Staat als sogenannter Rückversicherer mit ins Risiko geht und dafür auch finanzielle Mittel vorsieht.

Doch selbst bei denen, die aus der Länderrunde am lautesten nach einer Pflichtversicherung rufen, wird es beim Thema Geld sehr einsilbig. Für Niedersachsens Ministerpräsident Weil brauche es zunächst den "Grundsatzkonsens" mit dem Bund. "Und dann kann man sich über Details noch lange unterhalten." Dass die Frage der staatlichen Absicherung nicht das kleinste Detail ist, gesteht er immerhin ein: "Einfach ist das nicht."

Dieses Thema im Programm: Über dieses Thema berichtete Deutschlandfunk am 20. Juni 2024 um 06:00 Uhr.