Nach Europawahl Warum eine Neuwahl in Deutschland anders läuft
Frankreichs Präsident Macron hat nach der Europawahl eine Neuwahl zum französischen Parlament angeordnet. In Deutschland sind die verfassungsrechtlichen Hürden dafür höher.
"Macron ordnet Neuwahlen an, warum macht Scholz das nicht einfach auch?" So oder ähnlich war es am späten Sonntagabend in Kommentaren im Netz zu lesen. Doch so "einfach" geht das nicht: Die politischen Systeme in Deutschland und Frankreich unterscheiden sich. In Deutschland kann eine Neuwahl nicht einfach so angeordnet werden, sondern ist erst nach einigen Zwischenschritten möglich.
Neuwahl zum Parlament, nicht zum Amt des Präsidenten
Der französische Präsident hat nach Artikel 12 der französischen Verfassung das Recht, die Nationalversammlung aufzulösen und eine Neuwahl zum Parlament anzusetzen. Das hat Macron am Sonntagabend gemacht.
Wichtig ist: Um sein eigenes Amt geht es bei der kommenden Neuwahl nicht. Es geht allein um eine Neuwahl der Nationalversammlung, also des Parlaments. Der französische Präsident wird in einer separaten Wahl direkt vom Volk gewählt, nicht vom Parlament. Eine Neuwahl des Präsidenten steht in Frankreich derzeit nicht an.
In Deutschland ist eine verlorene Vertrauensfrage nötig
Eine Neuwahl des Deutschen Bundestages kann dagegen weder der Bundeskanzler noch der Bundespräsident "einfach so" anordnen. Das ist im Grundgesetz nicht vorgesehen. Die Mütter und Väter der Verfassung wollten nach den Erfahrungen der Weimarer Republik für mehr Stabilität sorgen. Eine Neuwahl zum Bundestag kann es deshalb erst nach verschiedenen Zwischenschritten geben.
Im ersten Schritt stellt der Bundeskanzler nach Artikel 68 Grundgesetz im Bundestag die Vertrauensfrage. Ob er das macht oder nicht, ist allein seine Entscheidung. Wenn er die Vertrauensfrage gewinnt, bleibt alles beim Alten. Er hat sich dann seiner Mehrheit im Bundestag vergewissert.
Wenn er diese aber verliert, folgt noch ein weiterer Schritt. Dann kann der Bundespräsident auf Vorschlag des Bundeskanzlers innerhalb von 21 Tagen den Bundestag auflösen. Es sei denn, der Bundestag wählt mit der Mehrheit seiner Mitglieder eine andere Person zum Bundeskanzler oder zur Bundeskanzlerin.
Neuwahl innerhalb von 60 Tagen nach Auflösung
Löst der Bundespräsident nach Artikel 39 Absatz 1 Satz 4 Grundgesetz den Bundestag auf, müsste es innerhalb von 60 Tagen eine Neuwahl geben. In Deutschland hätte die Neuwahl auch eine Verbindung zum Amt des Bundeskanzlers. Denn der wird vom Bundestag gewählt.
Eine Auflösung des Bundestags und eine Neuwahl gab es in Deutschland zuletzt im Jahr 2005. Der damalige Bundeskanzler Gerhard Schröder hatte nach der Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen die Vertrauensfrage gestellt und verloren. Bundespräsident Horst Köhler löste daraufhin den Bundestag auf, es kam zu einer Neuwahl.