Wahl in Nordrhein-Westfalen Kleinere Parteien, große Rolle?
Corona-Lockerer, laute Leisetreter und eine Armutsforscherin: Mit diesen Spitzenkandidatinnen und -kandidaten werben die kleineren Parteien um Stimmen bei der NRW-Wahl - und könnten am Ende eine entscheidende Rolle spielen
Nach der Landtagswahl am 15. Mai in Nordrhein-Westfalen könnte den kleineren Parteien eine Schlüsselrolle zukommen: Gut möglich, dass nur eine Dreierkonstellation eine Mehrheit im neu gewählten Landtag hat. Für die Grünen wie für die FDP ist eine Regierungsbeteiligung nicht ausgeschlossen. Die AfD wird es nach den jüngsten Umfragen wohl in den Landtag schaffen, bei der Linkspartei ist das eher ungewiss. Diese Konstellation eröffnet mehrere Koalitionsoptionen. Wer sind die Spitzenkandidaten, die für die kleineren, möglicherweise entscheidenden Parteien antreten?
Joachim Stamp: Seit 2017 NRW-Vizeministerpräsident der schwarz-gelben Koalition - und einer, der keine Konfrontation scheut.
FDP: Joachim Stamp, der Regierungserfahrene
Er ist der Spitzenkandidat mit Regierungserfahrung: Seit 2017 ist Joachim Stamp NRW-Vizeministerpräsident der schwarz-gelben Koalition sowie Minister für Kinder, Familien, Flüchtlinge und Integration. Die Koalition mit der CDU würde er gerne fortsetzen. Zumindest soll seine FDP weiter mitregieren können.
Der 51-Jährige schaut auf eine typische Politik-Karriere: Bundesvorstand der Jugendorganisation Julis, Ratsherr in seiner Heimatstadt Bonn, Einzug in den Landtag 2012. Als Minister setzte er Akzente bei der frühkindlichen Bildung, der Integration von Geflüchteten durch Bleibeperspektiven, aber auch bei der Abschiebung von Gefährdern. Zum Ärger des Koalitionspartners CDU ist seine Corona-Politik von Lockerungen geprägt.
Der Vater zweier Töchter gilt als sachlicher Typ und überraschte mit einer Gesangseinlage im Aachener Karneval bei der Verleihung des Ordens wider den tierischen Ernst. Konfrontationen geht er allerdings nicht aus dem Weg, weder auf Twitter, noch mit der AfD.
Mona Neubaur: Gebürtige Bayerin ohne Abgeordneten-Mandat, die eine Koalition mit der CDU nicht ausschließt
Die Grünen: Mona Neubaur, die Offene
Für die Grünen stehen die Chancen gut, nach der Landtagswahl in NRW wieder mitzuregieren. Sie ziehen mit der langjährigen Co-Landesvorsitzenden Mona Neubaur als Spitzenkandidatin in den Wahlkampf, die aktuell kein Abgeordneten-Mandat hat. Die gebürtige Bayerin hat für einen Öko-Energieversorger gearbeitet, dann für die grünen-nahe Böll-Stiftung, bis sie 2014 den Landesvorsitz ihrer Partei in NRW übernahm. Im Wahlkampf wirkt die 44-Jährige menschlich und offen.
In Düsseldorf trifft man sie ebenso im Fußballstadion wie bei Demos gegen Neonazi-Aufmärsche. Ihr Credo ist die "Politik auf Augenhöhe mit den Menschen". Regieren gehe nicht über die Köpfe und Interessen der Menschen hinweg, vielmehr müsse Politik "Brücken im Interesse der Menschen" bauen. Was die Zukunft der Grünen im NRW-Landtag angeht, ist für Neubaur eine Koalition mit der CDU nicht ausgeschlossen.
Markus Wagner: Fraktionschef der AfD im Düsseldorfer Landtag und Befürworter einer Null-Toleranz-Politik gegen Kriminalität
AfD: Markus Wagner, der laute Leisetreter
Begonnen hat Markus Wagner seine politische Karriere in der CDU. Doch schon 1996 führte sein Weg weiter nach rechts. Heute ist der 58-Jährige Fraktionschef der AfD im Düsseldorfer Landtag.
Dort gehört er nicht gerade zu den Lautesten seiner Fraktion, kann aber auch mal deutliche Töne anschlagen. Wagner vertritt die Null-Toleranz-Politik gegen Kriminalität und ist der Meinung, 97 Prozent der seit 2015 nach NRW gekommenen Flüchtlinge hätten keinen Anspruch auf Asyl.
Dennoch ist Wagner nicht immer auf Linie mit seiner Partei: Als er sich früh gegen Corona impfen ließ, hagelte es Kritik aus den eigenen Reihen. Bei vielen Parteikollegen gilt er als zu angepasst. Der bekennende FC-Bayern-Fan betreibt eine Einrichtung für psychisch Kranke in Ostwestfalen.
Spitzenkandidat wurde Wagner mit einer Rede, in der er von einer möglichen Regierungsbeteiligung mit der CDU spricht.
Carolin Butterwegge: Politikerin mit dem Themenschwerpunkt Kinderarmut
Die Linke: Carolin Butterwegge und das Prinzip Hoffnung
Nur ein einziges Mal hat es die Partei Die Linke bisher in den Düsseldorfer Landtag geschafft: von 2010 bis 2012, als SPD und Grüne eine Minderheitsregierung bildeten. Mit dabei war damals die Kölner Hochschuldozentin und Armutsforscherin Carolin Butterwegge.
Als Abgeordnete hat die heute 47-Jährige mit für die Abschaffung der Studiengebühren und die Aufstockung des Kita-Personals für Unter-Dreijährige gesorgt. Butterwegges Themenschwerpunkt ist bis heute die Kinderarmut.
Darüber hat sie im vergangenen Jahr ein Buch geschrieben, gemeinsam mit ihrem Mann Christoph Butterwegge. Und auch ihre Doktorarbeit befasste sich mit dem Thema, der Fokus lag auf Familien mit Migrationshintergrund. Als gewählte Abgeordnete will die Kölnerin bessere Unterstützungsangebote und mehr soziale Infrastruktur für von Armut betroffene Familien schaffen.