Verdacht auf schwarze Kasse Razzia bei AfD Niedersachsen
Die Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt gegen den stellvertretenden AfD-Landeschef. Er soll Zahlungen nicht als Parteispenden abgerechnet haben. Eingezahlt haben wohl auch Bundestagsabgeordnete.
Polizei und Staatsanwaltschaft haben am Morgen die Büros der AfD-Parteizentrale in Hannover durchsucht. Kurz zuvor hatte das Parlament in Niedersachsen die Immunität des AfD-Abgeordneten Ansgar Schledde aufgehoben.
Hannovers erste Staatsanwältin Kathrin Söfker bestätigte dem NDR die Ermittlungen. Es gehe um den Verstoß gegen das Parteiengesetz. "Es sollen Spenden auf einem privaten Konto vereinnahmt nicht unverzüglich an die Partei weitergeleitet worden sein." Diese Gelder sollen teilweise für Parteizwecke verwendet worden sein.
AfD spricht von "Schmutzkampagne"
Der niedersächsische Landesvorsitzende Frank Rinck weist die Vorwürfe schriftlich zurück. Sie "entbehren jeder Grundlage. Man könnte auch sagen: Kalter Kaffee von vorgestern". Die AfD habe der Staatsanwaltschaft vollste Zusammenarbeit und Transparenz zugesichert, sagt Rinck. Er schreibt weiter: "Ebenso legt der Zeitpunkt, wenige Tage vor dem Landesparteitag und im Vorfeld der EU-Wahl, den starken Verdacht nahe, dass es sich hier wieder einmal um eine Schmutzkampagne gegen die AfD Niedersachsen handelt."
Neue Hinweise rufen Ermittlungsbehörden auf den Plan
Der Fall ist nicht unbekannt: Bereits vor zwei Jahren wurde dem inzwischen stellvertretenden Landesvorsitzenden der AfD, Ansgar Schledde, vorgeworfen, eine "schwarze Kasse" zu führen. Christopher Emden, ehemaliger Landtagsabgeordneter und einstiges AfD-Mitglied, unterstellte ihm damals, Geld für aussichtsreiche Listenplätze verlangt zu haben.
Schledde bestritt das vehement. Die Ermittlungen wegen Untreue wurden von der Staatsanwaltschaft Osnabrück eingestellt. Nun gibt es offenbar neue Hinweise - diese rufen die Staatsanwaltschaft Hannover auf den Plan.
Denn Ein- und Ausgaben müssen zwingend weitergeleitet und offiziell gemeldet werden. Spätestens im Rechenschaftsbericht der Bundes-AfD hätten diese Gelder verzeichnet werden müssen. Staatsanwältin Söfker sagt: "Der Rechenschaftsbericht könnte deshalb falsch sein." Der Bundestag, der den Rechenschaftsbericht prüft, bestätigte auf NDR-Anfrage, den Sachverhalt zur Niedersachsen-AfD zu kennen. Zu einem laufenden Verfahren wolle man sich aber nicht äußern, sagte ein Sprecher.
Bundestagsabgeordnete haben auf Konto eingezahlt
Nach Informationen des NDR und der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung handelt es sich um rund 48.000 Euro, die mit klarem AfD-Bezug auf Schleddes Privatkonto eingegangen sein sollen. Auf das Konto sollen demnach unter anderem Abgeordnete Zahlungen geleistet haben, die inzwischen im Landtag oder im Bundestag sitzen.
Konkret geht es offenbar um die Bundestagsabgeordneten Thomas Erhorn, Jörn König, Frank Rinck und Dirk Brandes, sowie um die Landtagsabgeordneten Klaus Wichmann, Jens Brockmann, Harm Rykena, Dennis Jahn und auch Ansgar Schledde selbst.
Die Namen und Summen liegen dem NDR Niedersachsen vor. Die Zahlungen variieren zwischen mehreren Hundert und mehreren Tausend Euro. Zum Teil soll es sich um regelmäßige Überweisungen handeln. Die Verwendungszwecke sollen unter anderem die Begriffe "Kriegskasse" und "K-Kasse Mandatsträger", sowie "Aufstellungsversammlung", "eventueller Parteitag" und "Wahlkampf" enthalten.
AfD dementiert Vorwürfe
Die AfD-Bundes- und Landtagsabgeordneten haben geschlossen schriftlich auf eine NDR-Anfrage geantwortet. In der Stellungnahme heißt es: Richtig sei, dass auf einem privaten Konto private Zahlungen von verschiedenen Personen geleistet wurden. "Falsch ist, dass dieses Geld für Parteizwecke verwendet wurde."
Das Geld sei lediglich für private politische Treffen und private Reisekosten verwendet worden. "Kein einziger Euro wurde der AfD zur Verfügung gestellt", schreiben die neun AfD-Mitglieder weiter. "Eine Aufnahme solcher Gelder in den Rechenschaftsbericht einer Partei wäre sachlich falsch und rechtlich strafbar." Dabei berufen sie sich auf das Parteienrecht.
Ehemaliges AfD-Mitglied erhebt schwere Vorwürfe
Das frühere AfD-Mitglied Christopher Emden sprach kürzlich erneut mit dem NDR über das in Parteikreisen als "Kriegskasse" bezeichnete Konto von Schledde: "Mir wurde damals angeboten, einen Betrag von 4.000 Euro zu zahlen, um die Unterstützung für die Aufstellung zur nächsten Landtagswahl zu bekommen."
Die Kontoverbindung für die "Kriegskasse" sei die von Schledde gewesen. "Ich hätte es aber auch in bar zahlen können." Emden entschied sich dagegen und machte die "schwarze Kasse"” öffentlich. Es folgte eine Unterlassungsklage gegen ihn.
Im März stellte das Landgericht Verden fest, Emdens Vorwürfe seien glaubhaft. Das bestätigte eine Sprecherin dem NDR. Das Urteil ist allerdings nicht rechtskräftig. Schledde hat Rechtsmittel eingelegt.
Schledde will AfD-Landesvorsitzender werden
Die Razzia heute findet vier Tage vor dem AfD-Landesparteitag in Unterlüß statt. Dort will Ansgar Schledde sich zum neuen Landesvorsitzenden wählen lassen und den bisherigen Parteichef Frank Rinck ablösen.
Schledde gilt als Netzwerker in der Partei, der die Zügel in der Hand hält und Ambitionen hat, Karriere in der AfD zu machen. Rinck erfuhr nach eigenen Angaben erst aus der Presse, dass Schledde für seinen Posten kandidiert.
Personalie auf der Kippe?
Ob angesichts der Durchsuchungen diese Personalie nun auf der Kippe steht, zieht Politikwissenschaftler an der Leuphana Universität Lüneburg, Michael Koß, in Zweifel: "Die Wählerschaft der AfD hat weniger Erwartung, dass das politische Personal den Regeln des politischen Betriebes folgt. Das Personal ist im Gegenteil sogar angetreten, um Regeln zu brechen."
Trotz der Durchsuchungen heute gilt für Ansgar Schledde weiter die Unschuldsvermutung.
Grüne fordern umfassende Aufklärung
Die niedersächsische Grünen-Fraktionsvorsitzende Anne Kura nennt die Vorwürfe schwerwiegend: "Wenn sich die Vorwürfe bewahrheiten, hat Schledde gezielt und systematisch gegen die Regeln unserer Demokratie verstoßen." Der Fall Schledde müsse umgehend aufgeklärt und umfassend aufgeräumt werden.
"Die Öffentlichkeit hat ein Recht darauf zu erfahren, ob und welche AfD-Abgeordnete Teil eines Systems möglicherweise illegaler Parteienfinanzierung sind", so Kura. Gegen keine Fraktion in der Geschichte des niedersächsischen Landtags seien in so kurzer Zeit so viele Ermittlungen geführt worden wie gegen die derzeitige AfD-Fraktion.