Drei Jahre nach Beschluss Aufbau der Gesundheitsreserve stockt
Als Reaktion auf fehlende Schutzausrüstung zu Beginn der Corona-Pandemie hatte die Bundesregierung beschlossen, Masken und Medikamente einzulagern. Doch das Projekt kommt nicht voran - offenbar fehlen die Mittel.
Um auf Krisen wie Pandemien, Hochwasser oder Lieferkettenausfälle reagieren zu können, hatte die Bundesregierung zu Beginn der Corona-Pandemie 2020 den Aufbau einer "Nationalen Reserve Gesundheitsschutz" beschlossen. Doch drei Jahre später befindet sich das Projekt noch immer in der Anfangsphase - offenbar fehlt Geld. Das berichtet die "Welt am Sonntag" und beruft sich auf Informationen aus dem Gesundheitsministerium. "Für die Phasen zwei und drei wurden bislang keine Haushaltsmittel für die weitere Konzeptionierung sowie mögliche Beschaffungen zugewiesen", teilte der Zeitung zufolge ein Sprecher des Ministeriums mit.
Noch immer in Phase eins
In der ersten Phase sollten Schutzausrüstung und Medizinprodukte bevorratet werden, die in der Pandemie beschafft worden waren und übrig geblieben sind. Im zweiten Schritt sollte die Reserve mit Gütern wie Arzneimitteln und Medizinprodukten aufgestockt werden, die von Unternehmen in Deutschland produziert wurden. In diesem Jahr sollte eigentlich Phase drei starten - der Dauerbetrieb, in dem Produktionskapazitäten für ein halbes Jahr vorgehalten werden sollten.
Dem Ministeriumssprecher zufolge wurden bisher 245 Millionen Schutzmasken eingelagert, die zu Beginn der Corona-Pandemie beschafft worden waren und bis Ende 2023 haltbar sind, zum Teil auch bis 2026. Ob und was bislang über Schutzmasken hinaus bevorratet wird, wollte das Gesundheitsministerium nicht mitteilen. Der Sprecher erklärte gegenüber der "Welt am Sonntag" lediglich, die Reserve sei noch nicht vollständig angelegt, weil benötigtes Geld fehle.
Finanzministerium gibt keine Freigabe
"Das Bundesministerium für Gesundheit hatte für die Jahre 2022 sowie 2023 jeweils 250 Millionen Euro an Haushaltsmitteln angemeldet sowie für die Folgejahre ab 2024 jeweils 50 Millionen Euro," so der Sprecher. Das Bundesfinanzministerium habe aber im Oktober 2022 die Freigabe abgelehnt. Das FDP-geführte Haus teilte der Zeitung mit, den Ressorts stehe es im Zuge der Haushaltsaufstellung grundsätzlich frei, "entsprechende Prioritäten zu setzen".
Der FDP-Obmann im Haushaltsausschuss, Karsten Klein, sagte der Zeitung, bevor Gelder für die nächste Phase des Aufbaus der Reserve bereitgestellt würden, müsse der Bedarf ermittelt werden. Zudem seien "Alternativen zu einer physischen Bevorratung zu prüfen". Die primäre Zuständigkeit für den Katastrophenschutz liege zudem nicht beim Bund, sondern bei den Ländern.
Kritik von der Opposition
Der gesundheitspolitische Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag, Tino Sorge (CDU), sprach in der "Welt am Sonntag" von einem "Armutszeugnis". Die Regierungskoalition blockiere sich in dieser Frage offensichtlich selbst. Die Bundesregierung habe mittelständische Firmen animiert, eine inländische Produktion aufzubauen. Nun blieben die in Aussicht gestellten Aufträge aus, kritisierte Sorge. "Bei der nächsten Krise werden wir die Schutzausrüstung wieder aus China einkaufen."
Kathrin Vogler, gesundheitspolitische Sprecherin der Linksfraktion, hielt es für "komplett fahrlässig, die Prävention wieder links liegen zu lassen". Die SPD lasse sich beständig "vom kleinsten Koalitionspartner am Nasenring durch die Manege führen" - damit ist die FDP gemeint.
Reserve soll Versorgung für sechs Monate sicherstellen
Die schwarz-rote Koalition hatte Anfang Juni 2020 den Aufbau der "Nationalen Reserve Gesundheitsschutz" beschlossen. Die Reserve solle in akuten Notsituationen den Bedarf des Gesundheitssektors für sechs Monate mit Waren wie Masken, Einmalhandschuhen, Schutzanzügen und Medikamenten decken, sagte der damalige Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) im Sommer 2021.
Das Material soll laut Bundesregierung an 19 Standorten gelagert werden. Im Notfall können dann Krankenhäuser, Pflegeeinrichtungen und Arztpraxen aus der Reserve unterstützt werden. Die Vorräte sollen sicherstellen, dass Deutschland in Notlagen nicht mehr von überteuerten Lieferungen aus dem Ausland abhängig ist.
Zu Beginn der Corona-Pandemie war Schutzmaterial wie Masken knapp. Der Bund stieg daraufhin in die Beschaffung ein und schuf Anreize für inländische Hersteller. Die "Nationale Reserve Gesundheitsschutz" soll der erste Teil einer umfassenden Strategie für den Bevölkerungsschutz sein. Mittelfristig soll auch die Vorsorge für Krisen wie Hochwasser und größere Brände verbessert werden.